Energiewende: Deutschlands langer Weg zur Batterie

Im Hörgerät wiegen sie nicht einmal ein Gramm, auf Schiffen dagegen können sie Tonnen schwer sein: Batterien. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Deutschland hat dabei einiges aufzuholen. Der Weg ist lang – die Ziele groß.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 525 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Heiko Lossie
  • dpa

Der Legende zufolge versuchten die Schildbürger einst, Sonnenenergie mit Eimern zu schöpfen, in Flaschen zu füllen und damit ihr fensterloses Rathaus zu erhellen. Mitunter löst die Energiewende ähnliches Kopfschütteln aus. Da stehen etwa in der Nordsee die ersten Offshore-Windräder und müssen aus Rostschutzgründen mit Diesel laufen, da ihr Stromanschluss leider noch fehlt. Und die Bundesregierung glaubt weiter fest an eine Million Elektroautos hierzulande bis zum Jahr 2020. Dabei fehlen nicht nur entlang der Autobahnen praktisch überall noch die Ladestationen. Auch Haushalte ohne einen festen Parkplatz mit Stromanschluss fallen durchs Raster.

Dabei ist die Energiewende nicht nur ein politisches Thema. Sie ist für die Wirtschaftsmacht Deutschland von zentraler Bedeutung. Doch wer sich bei Experten genauer umhört, erlebt viele Zweifel. Da ist zum Beispiel das zentrale Thema Batterien. Ohne sie rollt kein E-Auto und auch das größte Problem der Erneuerbaren Energien – ihr Schwanken – lässt sich ohne intelligente Stromspeicher nicht abstellen. Batterien sind der vielleicht wichtigste Schlüssel für die grüne Wende.

Doch "Made in Germany" hat dieses Feld stiefmütterlich behandelt. "Es hat lange gedauert, bis das Thema Elektrochemie in Deutschland wieder sexy war", sagt Otmar Frey, Chef der Batteriesparte im ZVEI, dem Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Die Verbraucherelektronik blüht in Fernost – mit dem Ergebnis, dass Asien bei Akkus für Handys und Laptops das Tempo vorgibt. "Da haben wir auch keine Chance, das noch aufzuholen", sagt Frey. Zu groß sei der Vorsprung bei den dort längst eingespielten Wertschöpfungsketten.

Und trotzdem: Deutschland soll 2020 Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität sein, so lautet zumindest das politische Ziel. Der Schub der Energiewende soll helfen, fern der Handy- und Laptop-Akkus beim Energiespeichern Boden gutzumachen. Immerhin steht Deutschland bei der EU-weiten Batterieproduktion laut ZVEI für knapp ein Drittel vom Jahresumsatz – keine so schlechte Basis also für das Thema. Und die Anfänge sind gemacht. Europas größter Autobauer Volkswagen etwa kauft seine Zellen für die jungen E-Varianten des Up und Golf nicht in Asien so wie beispielsweise der US-Konkurrent Tesla. Er baut sie selber in Braunschweig und die E-Motoren in Kassel – Heimspiel also.

Ein anderes Beispiel gibt der schwäbische Technologieriese Bosch: Er führt das Forschungsprojekt Alpha-Laion an, bei dem auch die Chemiefirmen BASF und Wacker, der Leichtbauspezialist SGL und die Autobauer BMW und Daimler mit an Bord sind. Das vom Bund geförderte Millionenprojekt soll die aus Handys bekannten Lithium-Ionen-Zellen im großen Maßstab so leistungsfähig machen, dass sie die Reichweite heutiger E-Autos ungefähr verdoppeln auf dann bis zu 300 Kilometer.

Rollt Deutschland also das Feld von hinten auf, getrieben vom Ziel der globalen E-Auto-Dominanz? Wissenschaftler haben da ihre Zweifel. "Wir gleisen das ökonomisch gesehen von der falschen Ecke her auf", sagt Andreas Gutsch, Chemie-Ingenieur am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie. Er hat Wirtschaftlichkeit und Nutzen der E-Mobilität in Szenarien berechnet. Seine Erkenntnis: Autobauer setzten am falschen Ende an. Batteriebetriebene Kleinwagen könnten nur einen Bruchteil der Spritkosten einsparen, die bei Bussen und Kleinlastern drin sind. "Die kommen einfach nicht ins Geld", bilanziert Gutsch.

Mit Blick auf die Kosten deutscher E-Autos wundert das kaum. Ob Daimlers E-Smart, BMW i3 oder E-Up von VW – alle kosten teils mehr als das Doppelte der Verbrennervariante. Die neue Technik ist halt noch viel zu teuer. Klein dagegen sind Reichweite und Ladeoptionen.

Gutsch will aber nicht nur Wasser in den Wein gießen. Langfristig gedacht sei es nämlich völlig richtig, dass Deutschland Kompetenz bei der Speichertechnik aufbaue. Stationäre Energiespeicher – etwa im Keller für die Solaranlage auf dem Dach – rechneten sich anders als wenig ausgelastete Kleinwagen sehr schnell und machten unabhängig. Bei steigenden Preisen für Haushaltsenergie sei das ein Zukunftsthema von enormer Bedeutung. Die politisch forcierten Anfänge bei E-Autos könnten dann eine Technik beflügeln, die im ganz großen Maßstab Wind- und Sonnenenergie intelligent speichern hilft. Die Episode aus dem Rathaus in Schilda wäre dann ein Stück weit zur Realität geworden.

[UPDATE: 8:30, 10.10.2013]:

Leider ist uns im Artikel ein Fehler passiert: VW produziert in Braunschweig keine Batteriezellen. Die Zellen werden vielmehr von externen Zulieferern bezogen und in Braunschweig zu fertigen Batterien zusammengefĂĽgt. (axk)