Fachkräftemangel: IT-Verband kritisiert Seehofer
Mit der konjunkturellen Erholung kommt nach Ansicht des Bitkom das Fachkräfteproblem mit voller Wucht zurück. Vor diesem Hintergrund fordert der Verband, die "unerträgliche Debatte" um einen Zuwanderungsstopp zu beenden.
Der IT-Verband Bitkom sieht in seiner Branche einen zunehmenden Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund kritisierte er laut dpa den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, da die Diskussion um Zuwanderung emotional aufgeheizt werde. "Die unerträgliche Debatte um einen Zuwanderungsstopp muss umgehend beendet werden", sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer laut einer Mitteilung. Stattdessen brauche die Branche eine "Kampagne im Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt".
Seehofer hatte Zuwanderern aus der Türkei und aus arabischen Ländern unterstellt, dass sie sich mit der Integration schwerer tun. Der CSU-Chef fordert mittlerweile eine "Zuwanderung im richtigen Maß", nachdem er zuvor in einem Focus-Interview ganz allgemein davon gesprochen hatte, dass Deutschland "keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen" brauche. Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat im ZDF-Morgenmagazin den CSU-Chef verteidigt und gesagt, es herrsche Konsens darüber, dass es eine gesteuerte Zuwanderung geben müsse. Allerdings mahnte auch Schavan zur Sachlichkeit. Uneins sind sich derzeit Regierungskoalitionäre darüber, ob ein Punktesystem für qualifizierte Zuwanderer eingeführt werden soll. Bundeswirtschaftminister Rainer Brüderle (FDP) befürwortet es, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) lehnt es ab.
Der Bitkom unterstütze ausdrücklich eine Initiative Schavans, die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zu beschleunigen – auch wenn die IT-Branche nicht unmittelbar davon profitiere. Die Einschätzung und Anerkennung von Qualifikationen sei in der Industrie bereits eher unproblematisch. Auch fließendes Deutsch sei nicht immer zwingend, in vielen Bereichen sei Englisch ohnehin die Arbeitssprache. Schavan will durch ein neues Gesetz, das Anfang 2011 in Kraft treten soll, bis zu 300.000 Fachkräften mit ausländischen Wurzeln die Anerkennung erleichtern.
Die Zahl der offenen Stellen sei dieses Jahr um 40 Prozent auf 28.000 gestiegen, ergab sich laut Bitkom aus einer Befragung von 1500 IT-Unternehmen. Es zeige sich, dass der Fachkräftemangel ein strukturelles Problem sei, sagte Scheer zur Vorstellung der Studie. Fast die Hälfte der Befragten sehe einen deutlichen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Wesentlicher Grund neben den "Schwächen des deutschen Bildungssystems" sei der steigende Bedarf an Hochqualifizierten.
Zugleich beschäftige die Branche in diesem Jahr so viele Menschen wie nie zuvor, betonte Scheer. Mit voraussichtlich 843.000 Arbeitsplätzen sei die ITK-Branche nach dem Maschinenbau der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Deutschland, noch vor der Elektro- und Automobilindustrie. Aktuell gebe es rund 8000 Stellen für IT-Experten mehr als noch 2009. Insgesamt 11.200 der 28.000 offenen Stellen entfallen in diesem Jahr auf die Kernbereiche Informationstechnik und Telekommunikation (ITK), die übrigen auf andere Wirtschaftszweige.
"Mit der konjunkturellen Erholung kommt das Fachkräfteproblem mit voller Wucht zurück", sagte Scheer. Vor allem Software-Entwickler und Mitarbeiter für den internen IT-Support seien gefragt. Neben weiteren Maßnahmen zur Reform des deutschen Bildungssystems könne eine Behörden-übergreifende Marketing-Kampagne Deutschland wieder attraktiv machen. "Wir müssen uns um die besten Fachkräfte bemühen, die kommen nicht automatisch", sagte Scheer. Deutschland habe keine Universität, die unter den 20 besten der Welt rangiere. (anw)