GDC: Unabhängige Spiele-Entwickler zwischen Avantgarde und Massenmarkt

Independent-Enwickler gehören zum kreativen Motor der Spiele-Branche. Ein eigener Fund soll die Nachwuchsentwicklung künftig besser fördern und die Unabhängigkeit von den großen Publishern gewährleisten.

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Ron Carmel, Mitbegründer des durch World of Goo bekannt gewordenen Entwicklerstudios 2D Boy, hat auf dem Independent Games Summit, der im Rahmen der Game Developers Conference in San Francisco stattfindet, einen neuen Fonds für unabhängige Spielentwickler vorgestellt. Zusammen mit Braid-Enwickler Jonathan Blow, Kellee Santiago von thatgamecompany, Nathan Vella von Capy und anderen Indie-Größen haben sie den Indie-Fund ins Leben rufen, der die Entwicklung neuartiger, risikoreicher Spielekonzepte finanziell absichern soll.

Ron Carmel will mit einem neuen Fund unabhängigen Spielentwicklern unter die Arme greifen.

Independent-Spiele wie World of Goo oder Braid mussten mit relativ kleinen Budgets auskommen. Während Blockbuster-Titel bis zu dreistellige Millionenbeträge verschlingen, seien sie für 120.000 beziehungsweise 180.000 US-Dollar produziert worden. Weil kein großer Publisher die Entwicklung übernommen hatte, behielten die Entwickler die volle Kontrolle über alle Aspekte des Spiels. Großproduktionen würden hingegen meist von ökonomischen Zwängen eingeengt, die kaum Spielraum für kreative Experimente ließen. Doch dank der neuen Möglichkeiten des digitalen Direktvertriebs über Download-Portale sei man nicht mehr auf den Retail-Markt angewiesen, der noch immer von Branchengrößen wie Electronic Arts beherrscht wird. Dabei liefen Dienste wie Steam Dinosauriern wie Microsoft den Rang ab und reagierten flexibler auf den Markt. 2D Boy brauchte lediglich fünf Tage, um den Vertrieb von World of Goo über Steam in die Wege zu leiten und alle Verträge unter Dach und Fach zu bringen. Bei Microsofts Games for Windows Live habe der Prozess hingegen vier Monate gedauert. Allein um die juristischen Feinheiten der Verträge auszuarbeiten, hätten sie zwei Monate gebraucht, erzählte Carmel.

Doch auch die digitalen Distributionswege konsolidierten sich. Von den insgesamt 20 verschiedenen Distributoren von World of Goo hätten allein die fünf größten Portale 99 Prozent aller Umsätze generiert. Um die Position kleinerer Entwicklungsstudios gegenüber den Distributoren und ihre Unabhängigkeit von Publishern zu stärken, solle künftig ein Indie-Fonds die Entwicklung besonders kreativer und aussichtsreicher Spiele unterstützen. Der Fonds werde eine transparente Finanzierung mit öffentlich zugänglichen Verträgen gewährleisten, versprach Carmel. Die Programmierer sollen über den Entwicklungszeitraum regelmäßige Zahlungen erhalten, die sie erst nach der Veröffentlichung des Spiels zurückzahlen. Sobald die Vorauszahlung des Fonds getilgt sei, würde der zu entrichtende Gewinnanteil deutlich kleiner ausfallen als bei herkömmlichen Publishern. Der Fonds würde weder Rechte an den Intellectual Properties des Spiels fordern, noch die Entwicklung kontrollieren wollen.

Entwickler wie RandySmith (Tiger Style) wollen jenseits des Kommerzes ungewöhnliche, aber dennoch zugängliche Spielkonzepte entwickeln.

Derlei finanzielle Sicherheitsnetze ähneln dem Vorbild der United Artists, mit denen Charlie Chaplin und andere vor 90 Jahren eine Plattform für unabhängige Filmmacher schufen. Doch letztlich müssen auch sie ihr Publikum finden. Jonathan Soderstrom von Cactus Software machte sich jedoch einen Spaß daraus, Spieler gezielt vor den Kopf zu stoßen und jedwede Anbiederung an den Massenmarkt zu verurteilen. So widersprach Soderstrom auf der GDC der allgemeinen Tendenz zu immer leichteren, auf den Massengeschmack abgestimmten Spielekonzepten. Stattdessen plädierte er für unlogische, schwer zu verdauende Ideen, die den Spieler absichtlich verwirren sollen.

Entwickler sollten lieber eine Punk-Rock-Attitüde an den Tag legen, statt nur auf die Zielgruppe und Verkaufzahlen zu schielen. Als Beispiele nannte Soderstrom verstörende Spielekonzepte von Matt Aldridge (La La Land) und Mark Essen "Messhof ". Dessen Jump-and-Runs "Punishment und "Punishment 2" forderten Spieler mit ihrem hohen Schwierigkeitsgrad heraus, indem sie zwischendurch die Steuerungsrichtungen vertauschen oder den Spieler zwingen, jedes Level komplett vorwärts und rückwärts durchzuspielen, bevor sie zur nächsten Stufe gelangen. Auch sollten Entwickler keine Scheu haben, Spieler mit blinkenden Grafiken und unlogischen Spielkonzepten zu verwirren. Das habe auch schon bei surrealistischen Filmemachern wie David Lynch oder Alejandro Jodorowsky funktioniert. Deren Filme wie "Eraserhead" oder "El Topo" habe vor 30 bis 40 Jahren auch niemand verstanden. Heute genössen sie aber Kultstatus. (hag)