Geteiltes Echo auf netzpolitische Grundsatzrede des Innenministers
Beobachter loben, dass de Maizière das Feld Netzpolitik ganzheitlich angehen und auf gesetzgeberische Schnellschüsse verzichten will. Kritik bekommt der CDU-Politiker wegen seiner Haltung zur Internetüberwachung und zur Providerhaftung.
Die Rede des Bundesinnenministers Thomas de Maizière zur Netzpolitik hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Einerseits begrüßen Beobachter, dass der CDU-Politiker das Feld Netzpolitik ganzheitlich angehen und auf gesetzgeberische Schnellschüsse verzichten will. Kritik muss sich der CDU-Politiker unter anderem wegen seiner Haltung zur Internetüberwachung, zu Web-Sperren und zu Fragen der Haftung von Homepage-Inhabern und Providern in Sicherheitsfragen anhören.
Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des IT-Branchenverbands Bitkom, lobte den Minister für seinen "systematischen Ansatz". Erstmals bemühe sich ein Politiker um einen großen Wurf bei der Gestaltung des Internet. Rohleder rief das Bundeskabinett auf, sich "kritisch" mit den Thesen zu beschäftigen. Es müsse nun ausgelotet werden, was davon technisch machbar und international durchsetzbar sei. Nach Ansicht von Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), gehöre dazu nicht der Vorschlag für ein "Vergessen" von Daten im Netz nach einem bestimmten Zeitraum. Vor allem kommerzielle Anbieter außerhalb Deutschlands würden wohl kaum zur Umsetzung solcher Regeln gezwungen werden. Kurz monierte, dass der Minister die Vorratsdatenspeicherung und Web-Sperren im Kampf gegen Kinderpornographie noch immer unterstütze. Sie vermisste Ausführungen zum Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen. Kurz plädierte im Gegensatz zu de Maizière dafür, dass Bürger weiterhin zur anonymen Nutzung von Diensten im Netz imstande sein müssten. Durch den elektronischen Personalausweis etwa dürfe keine Architektur zur Zwangsidentifizierung aufgebaut werden.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar meinte, es müsse versucht werden, einem auf "ewige Speicherung" angelegten Medium menschliche Züge zu verleihen. Persönliche Daten müssten dabei nicht automatisch weg sein, sollten aber am Ursprungsort "verschwinden" und von Dritten nicht mehr verwertet werden dürfen. Jimmy Schulz, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", hätte gern von de Maizière in den Bereichen Netzneutralität oder auch Anonymität im Netz "klarere Worte" gehört. Datenschutz dürfe nicht gegen Datensicherheit ausgespielt werden. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco wertete die Vorschläge für "gefahrgeneigte Angebote und Dienste" des Ministers als "problematisch". Damit sollten neben Homepage-Betreibern auch Zugangsanbieter für den Transport von Viren und Schadprogrammen haftbar gemacht werden können. Hard- und Softwarehersteller könnten möglicherweise einer Gefährdungshaftung unterliegen.
Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung bedauerte die seiner Ansicht nach in Vorgesprächen gezeigte Haltung de Maizières, "dass die allgemeinen Regeln des menschlichen Zusammenlebens im Internet nicht ausreichten" und das Internet letztlich "zu einem stärker überwachbaren und kontrollierten Raum" gemacht werden müsse als die Offline-Welt. Einer solchen Vorstellung von Netzpolitik müssten "freiheitsfreundliche Kräfte entschlossen entgegentreten". Malte Spitz vom Vorstand der Grünen konstatierte: "Ein Internet, in dem man sich vorher mit seinem Ausweis anmelden muss, in dem Dienstleister eine Erlaubnis beantragen müssen, ist nicht das Internet, das wir nutzen wollen." (anw)