Google I/O 2014: DrauĂźen Demos, drinnen dauert's
Am Dienstag hat Google seine Entwicklerkonferenz I/O 2014 eröffnet. Die Stimmung ist gut, doch der Jubel früherer Jahre ist verhallt. Es gibt mehr Grenzen – und auch Proteste.
Das Moscone-Center in San Franciscon brummt: 6000 Entwickler sind gekommen, um das Neuste über Google-Produkte zu erfahren. Obwohl Google die jährliche Entwicklerkonferenz von drei auf zwei Tage verkürzt hat, waren die 900 US-Dollar (660 Euro) teuren Eintrittskarten heiß begehrt. Unter Männern. Um den Frauenanteil zu heben, wurde ein Teil der Karten nicht über eine Lotterie verteilt, sondern gezielt vergeben, etwa an Frauennetzwerke im Silicon Valley.
Auf der I/O ist auch zu vernehmen, dass manche dieser Karten für 300 US-Dollar an die Businessfrau gebracht wurden. Das ist der vergünstigte Preis, der normalerweise Universitätsangehörigen vorbehalten ist. Laut offiziellen Angaben sind 1000 Frauen zur I/O gekommen. Das könnte auch den Andrang bei der Kinderbetreuung erklären, die Google kostenfrei anbietet. Sie ist voll ausgebucht, es gibt eine Warteliste. Für wie viele Kinder die Kapazitäten reichen, verrät das Unternehmen auf Nachfrage nicht.
Erster Blick auf Android L (8 Bilder)
Keynote ohne groĂźe Knaller
In den rund 13 Monaten seit der I/O 2013 hat die stetig wachsende Googler-Truppe viele neue Dinge ersonnen. Kaum ein anderes Unternehmen kann Jahr fĂĽr Jahr mit so vielen Neuheiten aufwarten. Es war also etwas ĂĽberraschend, dass die I/O um einen Tag verkĂĽrzt wurde. Auch eine der bisher ĂĽblichen zwei Keynotes fiel weg. Der Zeitplan war straff. Und das ging in die Hose.
Obwohl Google Glass, selbstfahrende Autos, Project Tango, Project Ara, die Zukunft der Nexus-Reihe oder YouTube nicht erwähnt wurden, obwohl weder Larry Page noch Sergej Brin auftraten, und obwohl keine Fragen beantwortet wurden, dauerte die Keynote fast eine Stunde länger als vorgesehen. Manche Teilnehmer hatten sich schon um vier Uhr morgens auf der kühlen Straße angestellt, um einen Platz im Vortragssaal zu ergattern. Sie bekamen viel zu hören, große Knaller blieben aber aus.
Im stets überschaubaren Ausstellungsbereich ist derweil mehr Platz für Partner als früher. Gleich vier Autohersteller zeigen Android Auto – wenn man einen Termin zum Probesitzen bekommt. Wieviele Partner insgesamt vertreten sind blieb auch auf Nachfrage Googles Geheimnis. Für die wohltätigen Initiativen des Unternehmens war hingegen kein Raum mehr.
Es brodelt in San Francisco
Der Erfolg Googles und anderer Silicon-Valley-Firmen hat die sozialen Spannungen in der Region deutlich verstärkt. Durch den Zuzug der gutverdienenden Mitarbeiter dieser Unternehmen sind die Wohnkosten in der gesamten Region stark gestiegen. Immer wieder schmeißen Hausbesitzer langjährige Mieter raus, um die selbe Wohnung zum Vielfachen an einen Besserverdienenden zu vermieten.
Nicht immer ist das legal. Aber immer schürt es Zorn. Er mündet in Protestaktionen, die nicht nur, aber häufig auf Google fokussieren. Dieser besonders erfolgreiche und bekannte Datenkonzern bietet eine praktische Projektionsfläche. So wurden etwa im Dezember Privatbusse, die Mitarbeiter von Apple und Google zur Arbeit bringen sollten, blockiert und in einem Fall beschädigt.
Dass die I/O als großes Aushängeschild Googles ebenfalls Kundgebungen anzieht, verwundert nicht. Doch die Demonstranten vor dem Veranstaltungsgebäude kamen spät am Dienstagmorgen. Sie hätten früher aufstehen müssen, um den Autor dieser Zeilen und viele seiner Kollegen zu erreichen: Journalisten mussten schon vor acht Uhr Schlange stehen. Draußen sollen die Demonstranten vorbeikommende Konferenzteilnehmer mit recht harschen Worten bedacht haben.
Eine Demonstrantin schaffte es, während der Keynote in den Hauptsaal vorzudringen. Ihr Protest ging im weiterlaufenden Vortrag weitgehend unter, bevor sie hinausgeführt wurde. Auf einem Transparent kritisierte sie ihren Hausbesitzer, Google-Manager Jack Halprin, dem vorgeworfen wird, seine Mieter mittels eines umstrittenen Gesetzes herauszudrängen. In der dritten Stunde des Keynote lief dann noch ein aufgebrachter Mann durch die Reihen und protestierte lautstark gegen menschentötende Roboter. Die Vortragenden reagierten jeweils nonchalant.
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Weniger Handfestes
Trumpf der I/O war stets der offene Austausch zwischen Entwicklern und den am jeweiligen Produkt arbeitenden Google-Experten. Die Informationen konnten so ungefiltert fließen. Auch Fachjournalisten erhielten Antworten auf technische Fragen. Das hat sich leider geändert, es gibt neue Regeln und Beschränkungen für die Google-Mitarbeiter.
Google gliedert auch immer mehr Themen in kleinere Veranstaltungen aus und verteilt diese übers Jahr. Angesichts der enormen Produktbreite sowie unterschiedlicher Entwicklungszyklen ist das eine gute Idee. Doch dort sind Medienvertreter oft nicht erwünscht, womit der Informationsfluss zu Entwicklern in anderen Ländern stockt.
Zudem entstand am ersten Tag der I/O 2014 der Eindruck, dass auch Entwickler weniger Infos bekommen als frĂĽher. Mal will eine Google-Abteilung einer anderen nicht auf die FĂĽĂźe treten, mal traut sich ein Googler einen Vorschlag nicht zu beurteilen, aus Vorsicht ob der Firmenpolitik von morgen. Das ist bei groĂźen Konzernen so ĂĽblich, doch sind die auch selten rasend innovativ. Erfindergeist braucht mehr Wagemut als Vorsicht.
Google gibt Gummi
Bei Google ist aber kein Mangel an Innovationen und neuen Projekten auszumachen. Die Flut an AnkĂĽndigungen ist wieder einmal enorm, die Nutzerzahlen wachsen in den Himmel, und das bei sprudelnden Gewinnen.
Die größte strategische Neuheit ist wohl Android One. Diese Smartphones für ärmere Weltregionen sind nicht nur ein Angriff auf die letzte Stellung der Marke Nokia. Auch die aufkeimenden freien Handy-Betriebssysteme haben damit eine neues Problem: Anders als Google können sie keine großen Stückzahlen gleichartiger Bauteile und damit niedrige Hardwarepreise garantieren.
Wenn Android One zum Erfolg wird, kann sich Google neue Märkte erschließen. Wohl sind dort die einzelnen Verbraucher weniger profitabel, aber dafür sind sie zahlreich. Was der Input an günstigen Smartphones für einen Output hervorrufen wird, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Es bleibt spannend.
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(vbr)