Heftige Kritik an Vorratsdatenspeicherung im Koalitionsvertrag
Politiker und BĂĽrgerrechtler reiben sich vor allem an der beschlossenen Wiederkehr der Vorratsdatenspeicherung, gelobt wird teils ein "groĂźer Anteil" netzpolitischer Themen.
Während CDU/CSU und SPD ihre endlich geschaffte Koalitionsvereinbarung über den grünen Klee loben, sind andere Beobachter weitaus kritischer. Politiker wie die noch amtierende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bürgerrechtler kritisieren dabei vor allem die Wiederkehr der Vorratsdatenspeicherung und den angesichts der NSA-Affäre zahmen Kurs beim Datenschutz.
Leutheusser-Schnarrenberger bedauert, dass die vier Jahre ihres erfolgreichen Kampfes gegen die Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Protokollierung elektronischer Nutzerspuren mit dem Fahrplan der großen Koalition einfach weggewischt werden könnten. "Man hätte die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs abwarten sollen", erklärte die FDP-Politikerin. Schon jetzt zeige sich so, "wie sehr eine liberale Stimme fehlt".
Auch der Plan der Koalition, die noch junge Stiftung Datenschutz in die Stiftung Warentest "integrieren" zu wollen, gibt für Leutheusser-Schnarrenberger Anlass zur Besorgnis. Damit sei hoffentlich nicht "abwickeln" gemeint, führt die Juristin aus. Die Verbraucher und die deutsche Wirtschaft bräuchten ein Datenschutzgütesiegel "mehr denn je". Die vor allem von der FDP vorangetriebene Einrichtung müsse zu einem "Stützpfeiler für den Datenschutz werden".
Die von den Koalitionspartnern vorgenommenen Weichenstellungen lassen den Innenexperten der Grünen, Konstantin von Notz, "angst und bange um unsere Bürgerrechte" werden. Aus den Erfahrungen des NSA-Skandals hätten Union und SPD "nichts gelernt". Auf europäischer Ebene hintertreibe die Bundesregierung noch immer die dringend nötige Reform des EU-Datenschutzrahmens. Die Piratenpartei betonte, dass die Vorratsdatenspeicherung "die Unschuldsvermutung und damit das Fundament unseres Verständnisses von Recht außer Kraft setzt".
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die SPD-Basis aufgefordert, die Pläne bei ihrem Mitgliederentscheid zu stoppen. "Alle unsere täglichen Kontakte und Bewegungen erfassen zu wollen, ist ein Vorhaben unerhörten Ausmaßes", moniert die Organisation. Die Digitale Gesellschaft beklagt ebenfalls, dass Schwarz-Rot "die Überwachungsinfrastruktur mit hohem Missbrauchspotenzial erneut einführen" wolle.
Mit "großer Zuversicht" hat dagegen die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) die Pläne zur Gestaltung der Inneren Sicherheit aufgenommen. Zentrale Forderungen seien aufgenommen worden und sollten nun "rasch umgesetzt" werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte, dass zur "Abwehr konkreter, erheblicher Gefahren und für die Aufklärung schwerer Straftaten" die Erfassung und Auswertung von Verbindungsdaten für die Polizei wieder möglich werden solle. Sonst habe Schwarz-Rot in diesem Bereich aber nur "Absichtserklärungen unter Finanzierungsvorbehalt" abgegeben.
Um eine "optimistische Lektüre" des Vertrags bemüht sich auch Mathias Schindler von Wikimedia Deutschland. Er lobt, dass die Koalition eine Urheberrechtsreform und ein gesetzliches Festschreiben der Netzneutralität angekündigt habe sowie auf Open Data sowie freie Lizenzen und Formate setzen wolle. Gegenüber vergleichbaren früheren Vereinbarungen in Bund und Ländern erstaune so der "große Anteil" netzpolitischer Themen und deren zunehmende Verzahnung. (vbr)