Internet-Enquete: Trippelschritte zu mehr Beteiligung
Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags hat den Sachverständigen-Vorschlag begrüßt, zusammen mit den Entwicklern von Adhocracy ein Beteiligungswerkzeug einzurichten. Die Initiatoren zeigten sich dennoch enttäuscht.
Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags hat den Vorschlag begrüßt, zusammen mit den Entwicklern von Adhocracy ein Werkzeug zur stärkeren Bürgerbeteiligung einzurichten. Einen konkreten Umsetzungsbeschluss hat das Gremium in einer Sondersitzung am Montag aber nicht gefasst. Vielmehr steht am Ende die Kompromissformel, dass die Kommission das geplante Werkzeug neben den bestehenden Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen ihrer Webseite nutzen wolle und dieses Ansinnen vom Enquete-Sekretariat zu unterstützen sei. Parallel hat das Gremium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um "verbindliche Verfahren und Prozesse" für die Online-Beteiligung zu definieren.
Die Kommissionsmitglieder Markus Beckedahl, Constanze Kurz, Alvar Freude, Nicole Simon und Padeluun hatten zuvor beantragt, einen klaren Auftrag zur Installation von Adhocracy zu erteilen. Die "Liquid Democracy"-Plattform wollten die Sachverständigen mit Unterstützung aus der Open-Source-Gemeinschaft kurzfristig und kostenfrei auf die Beine stellen. Der Chaos Computer Club (CCC) hatte zusätzlich angeboten, die Implementierung zu übernehmen oder die Kosten dafür zu tragen. Einzelne Formulierungen des Antrags waren zuletzt aber auch unter seinen Initiatoren umstritten. Padeluun entwickelte daher den mehrheitlich befürworteten Kompromissansatz, während der ursprüngliche Vorschlag gar nicht mehr zur Abstimmung kam.
Während der Sitzung gab es den ein oder anderen hitzigen Schlagabtausch. Der CDU-Abgeordnete Jens Köppen begründete seine Unterstützung für die Änderung mit dem Hinweis, dass die Kommission nicht einfach "jemand außerhalb des Bundestags" mit der Implementierung des Systems beauftragen könne. Der Antrag dürfe aus Neutralitätsgründen angesichts vieler vorhandener Plattformen zur Online-Beteiligung nicht ein "offizielles Werkzeug" ausweisen. Die Beschlussvorlage decke sich aber eigentlich mit dem ursprünglichen Anliegen.
Auch der FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin erklärte, dass er es "gut fände, wenn es Adhocracy wird", warnte aber vor einer zu schnellen Entscheidung. "Wir wollen nicht ein Tool des Tools wegen einsetzen", meinte der Liberale. Ende Januar hatte der Ältestenrat den Einsatz von Adhocracy aus Kostengründen gestoppt. Auch die Sachverständige Simon liebäugelte mit dem Änderungsantrag, um zu verhindern, dass die Plattform im Nachhinein doch wieder "einkassiert" werde. Zugleich monierte Simon, dass es nach wie vor keine klare Strategie zur Veröffentlichung von Papieren des Gremiums gebe.
Die CCC-Mitglieder Kurz und Beckedahl zeigten sich nach der Abstimmung enttäuscht über deren Ausgang. "Selten wurde so deutlich, dass nach außen gern lauthals betont wird, dass die Bürger zu beteiligen sind. Aber praktisch wird gemauert und aktives Mitmachen hintertrieben", beklagte die Hackerin. Der beschlossene Wege diene "nur der Verzögerung". Netzpolitik-Blogger Beckedahl sprach gegenüber heise online von einer "verpassten Chance" der Enquete, ihren ursprünglichen Anspruch auf weitreichende Beteiligung Realität werden zu lassen". Der eingebrachte Kompromiss habe den zunächst gemachten Vorschlag "so verwässert", dass eine offizielle Bürger-Partizipation weiterhin unverbindlich sei. (vbr)