Internetrechtler fordert "Open Data"-Gesetz
Der Passauer Jurist Dirk Heckmann sieht eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Veröffentlichung von Verwaltungsdaten. Die Behörden hätten im vernetzten Zeitalter eine "Bringschuld", Informationen abrufbar zu halten.
Der Passauer Jurist Dirk Heckmann sieht eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Veröffentlichung von Verwaltungsdaten. Die Behörden hätten im vernetzten Zeitalter eine "Bringschuld", Informationen auf Abruf "proaktiv" zur Verfügung zu stellen, erklärte der Staats- und Internetrechtler am Donnerstag auf der 8. Internationalen Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Berlin.
Aus dem Grundgesetz sei unmittelbar ein "Open Data"-Prinzip abzuleiten, führte Heckmann diese These unter Berufung auf jüngste Studienarbeiten an seinem Lehrstuhl aus. Sonst werde das "Untermaßverbot" verletzt, wonach der Staat ein Mindestmaß einer gebotenen Leistung nicht unterschreiten dürfe. Bislang sei der Bürger darauf angewiesen, einen Antrag auf Akteneinsicht etwa auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes zu stellen. Es sei den Behörden nicht zumutbar gewesen, von sich aus quasi "auf jeden Bürger zuzugehen". Dies habe sich aber mit dem Internet und seinen Möglichkeiten gewandelt.
In dem Gesetzgebungsverfahren muss Heckmann zufolge vorab aber abgewogen werden, welche Informationsarten generell ohne große Risiken etwa für den Datenschutz publik gemacht werden dürften. Dabei sei im Blick zu behalten, dass offene Daten des Staates im Sinne von Big Data mit anderen Beständen zusammengeführt und etwa zur Profilbildung genutzt werden könnten. Insgesamt könne der Staat durch eine größere Offenheit aber "sehr viel Legitimation und Akzeptanz erlangen". Dies sei aktuell besonders wichtig, da die Bürger durch die NSA-Affäre massiv Vertrauen verloren hätten.
"Ohne klare Regelung macht keiner was", rief auch Markus Beckedahl von der Digitalen Gesellschaft den Gesetzgeber zum Handeln auf. Bisher habe die Bundesregierung noch keine schlüssige "Open Data"-Strategie entwickelt. Für den Blogger gehört die Informationsfreiheit daher ins Grundgesetz, was eine Mehrheit im Bundestag bislang anders sieht. Dass der Staat derzeit vor allem mit Geodaten noch Geld verdiene und solche Schätze nicht verschenken könne, klingt für Beckedahl "eher wie eine Ausrede".
Nigel Shadbolt, Vorsitzender des britischen Open Data Institute, verwies auf den großen Wert, den freigegebene Verwaltungsdaten für Wirtschaft und Gesellschaft hätten. Damit lasse sich etwa die Innovation fördern und das Wachstum steigern. Auch Medien profitierten davon in ihrer Berichterstattung. Offene Daten würden aber auch an sich besser, da sie leichter zu überprüfen und zu korrigieren seien. Ihre Durchschlagskraft entwickelten sie insbesondere in Verknüpfung mit offenen Standards, da sie damit leichter maschinenlesbar zu halten seien und keine "merkwürdigen Nutzungsbeschränkungen" aufwiesen.
Der Professor für Künstliche Intelligenz hält es für nötig, die Nachfrageseite für Open Data durch das Aufzeigen von Einsparpotenzialen zu stimulieren und einen Kulturwandel in der Verwaltung herbeizuführen. Viele "Wächter der Daten" etwa im Statistikbereich seien stolz auf ihre Sammlungen und teilten diese gern mit der Allgemeinheit. Es gebe aber auch ganze Ebenen von Beamten, die ein Öffnen der informationellen Schatztruhen für bedrohlich hielten. Insgesamt käme es einer Revolution gleich, wenn viele grundlegende, von Behörden und Firmen erhobene Daten ins Netz gestellt würden. (mho)