Mars-Mission ohne RĂĽckflugticket: Harsche Kritik an Mars One
Das Projekt Mars One hatte weltweite Aufmerksamkeit erhalten, als berichtet wurde, mehr als 200.000 Menschen hätten sich für ein One-Way-Ticket zum Mars beworben. Dabei waren es gerade einmal wenige Tausend. Die Kritik an den Plänen wächst.
Eine australische Journalistin hat schwere Vorwürfe gegen die Organisatoren von Mars One erhoben und das gesamte Projekt als "hoffnungslos fehlerhaft" kritisiert. In einem Blogeintrag fasst Elmo Keep die Einschätzung von Joseph Roche zusammen, einem der 100 sogenannten Finalisten, der selbst beim Guardian einen Bericht geschrieben hat. Dort erklärt er, dass er es inzwischen für unwahrscheinlich halte, jemals auf dem Mars zu landen. Die Macher von Mars One haben bereits reagiert und lassen angeblich andere Finalisten zu einigen Kritikpunkten Stellung beziehen.
One-Way-Ticket zum Mars
Die niederländische Stiftung Mars One will nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2024 die ersten Siedler auf den roten Planeten schicken, auf dem die Temperaturen zwischen etwa minus 125 und plus 35 Grad Celsius schwanken und gewaltige Stürme mit Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h toben. Ein Rückflug ist nicht vorgesehen, denn der Start eines Raumschiffs vom Mars wäre technisch zu aufwendig und zu teuer, erläutert die Stiftung. Aus wissenschaftlicher Perspektive waren die Pläne bereits von Doktoranden am MIT für zu gefährlich erklärt worden. Beim derzeitigen Stand der Technik würde der erste Kolonist nach 68 Tagen sterben, bevor auch alle Kollegen erstickten, hatten sie berechnet.
In ihrem Text kritisiert Keep nun gleich zu Beginn, dass wiederholt berichtet wird, Mars One habe Bewerbungen von 200.000 Menschen für einen Flug zum Mars ohne Rückflugticket erhalten. Dabei hätten so viele Menschen gerade einmal den Auswahlprozess auf dem dazu eingerichteten Portal begonnen. Im Laufe der erforderlichen Schritte seien aber so viele abgesprungen, dass – nach der Entrichtung einer Gebühr von bis zu 73 US-Dollar – gerade einmal knapp 2800 übrig geblieben seien. Dem widerspricht Mars One auch gar nicht. Die Stiftung habe immer gesagt, mehr als 200.000 Personen hätten den "Bewerbungsprozess begonnen". Für die Medienberichte sei sie nicht verantwortlich.
Mars One (9 Bilder)
(Bild: Mars One)
Gamification im Auswahlprozess
Weiterhin weist Keep darauf hin, dass die 100 Finalisten gebeten wurden, 75 Prozent der Einnahmen aus Interviews mit Bezug zu Mars One an das Projekt zu überweisen. Für ein Unterfangen, das Milliarden verschlingen soll, sei dieser kleinliche Hinweis sehr seltsam, habe Roche ihr erklärt. Außerdem habe er bemerkt, dass die Finalisten offenbar nach Umfang ihrer (finanziellen) Unterstützung des Projekts Punkte zugewiesen bekommen und zu Top-Kandidaten erklärt wurden – unabhängig von ihrer sonstigen Qualifizierung. In der Erwiderung von Mars One werden die Punkte jedoch als Teil der Gamification bezeichnet, die "Spaß und Engagement" fördern sollten. "Top-Kandidaten" gebe es nicht und die Bitte um einen Teil der Einnahmen sei außerdem genau das, eine Bitte und nicht mehr.
Ihr gegenüber habe Roche den sogenannten Auswahlprozess als völlig unzureichend beschrieben. So habe er noch immer keinen Vertreter von Mars One persönlich getroffen: "Alle Informationen, die sie über mich haben, ist ein schlechtes Video, das ich gemacht habe, ein ausgefülltes Bewerbungsformular mit zumeist Ein-Wort-Antworten und ein 10-minütiges Skype-Interview." Darin sei es vor allem um Literatur über den Mars gegangen. Dabei seien alle Astronauten, die er kennengelernt habe, Menschen, die "Supermenschen so nahe kommen wie möglich". Die seien nicht in einem derartigen Verfahren zu finden. Mars One kontert, dass Kolonisten gesucht würden, keine Piloten. Und der Auswahlprozess sei noch gar nicht abgeschlossen.
Unklare Finanzierung
Auch an der geplanten Finanzierung des Projekts machen die Kritiker grundsätzliche Probleme aus. So sei zwar von Kosten in Milliardenhöhe die Rede, aber noch unklar, wo das Geld herkommen solle. Ein Vertrag mit der Produktionsfirma Endemol sei geplatzt und Geld durch Fernsehrechte fließe ja auch erst, wenn das Projekt kurz vor dem Start stehe. Bis dahin seien aber schon immense Kosten angefallen. Dabei schätzen Kritiker die Kosten ohnehin teilweise deutlich höher ein als von Mars One veranschlagt. Dort wird auf eine – ungenannte – Investmentfirma verwiesen, die den ersten Teil finanziere. Fernsehübertragungen brächten dann später Geld.
Wie es mit dem Projekt nun weitergeht, ist weiter unklar. Laut Missionsplan soll noch in diesem Jahr das Training der Mars-Kolonisten beginnen. Die dafür nötigen Anlagen scheint es aber noch gar nicht zu geben. Dabei ändern offenbar bereits Menschen ihr Leben für das große Ziel Mars: Bereits im November hatte Keep vom australischen Finalisten Josh berichtet. Für das Projekt hat er demnach schon vor seiner Auswahl als Finalist sein altes Leben aufgegeben, sich von seiner Freundin getrennt und ist von England zurück in seine Heimat gezogen. Trotz der absehbaren Schwächen des Projekts hatte er die Hoffnung damals noch nicht aufgegeben. Joseph Roche wiederum, der noch im November einen TED-Talk gehalten hat, schreibt nun, dass er seit Jahresende 2014 keine Vorträge mehr halte, um für das Projekt zu werben. Er fürchte, dass Mars One der Begeisterung für die bemannte Raumfahrt schade.
[Update: 19:03.2015 – 10:40 Uhr] Im Einstiegsbild wurde ursprünglich nahegelegt, dass es den geplanten Mars-Außenposten zeige. Jedoch handelt es sich um eine Darstellung der geplanten Trainingsanlage. Das wurde berichtigt. (mho)