Mission "GOCE" beendet: Satellit verglĂĽht nach erfolgreicher Erdschwerefeld-Vermessung

Der Satellit hat mehr als vier Jahre lang das Schwerefeld der Erde vermessen und ein weltweites Höhenprofil in zuvor unerreichter Genauigkeit geliefert. Jetzt endet seine Mission; einzelne Teile könnten die Erde erreichen.

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Der Satellit "GOCE" hat mit Messungen des Schwerefelds erstmals ein weltweites zentimetergenaues Höhenprofil der Erde geliefert. Damit können etwa unterschiedliche Höhenangaben von Bergen vereinheitlicht und Probleme bei Bauvorhaben besser gelöst werden. Die Daten dokumentieren auch den Anstieg des Meeresspiegels und Strömungsveränderungen, die für Klimamodelle maßgeblich sind. Die gut vierjährige Mission des Satelliten endet voraussichtlich diese Woche. Ende Oktober oder Anfang November wird er beim Eintritt in die Atmosphäre weitgehend verglühen, wie die Europäische Raumfahrtbehörde Esa als Betreiber des Satelliten erklärte.

Die Erde ist eine Kartoffel.

(Bild: Esa)

Das genaue Datum ist unklar. "Das hängt sehr stark von der Sonnenaktivität und der Dichte der Atmosphäre ab", sagt Roland Pail von der Technische Universität München, wo die wissenschaftliche Auswertung der "GOCE"-Daten koordiniert wird. "Wenn die Sonne aktiver ist, verdichtet sich die Atmosphäre, der Satellit wird stärker gebremst – und würde somit früher verglühen."

Zuletzt wurde die Flugbahn von ohnehin niedrigen 255 Kilometern über der Erde auf 225 verringert. "Damit ist er der am niedrigsten fliegende Satellit, den es je gab." Der weitere Flug ist nur bedingt kontrollierbar. Der fünf Meter lange und 1,2 Tonnen schwere Satellit wird beim Herabstürzen in mehrere Teile zerbrechen. Der Großteil wird verglühen, einige Teile werden aber die Erde erreichen. "Es werden voraussichtlich mehrere kiloschwere Teile auf der Erde einschlagen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das über Wasserflächen geschieht", sagt Pail. Ein Unglück sei extrem unwahrscheinlich.

Dutzende Satelliten endeten bereits ähnlich. Unfälle wurden bisher nicht bekannt. Dabei gibt es auch militärische Satelliten nicht-europäischer Länder, die mit Nukleartechnik betrieben werden – ob und wann sie zur Erde stürzten, wird nicht öffentlich.

"GOCE", von manchen wegen seiner roten Lackierung, seiner auch in Formel-1-Wagen verbauten Karbonteile und seiner pfeilartigen Form "Ferrari des Alls" genannt, sollte ursprünglich nur eineinhalb Jahre in der Umlaufbahn kreisen. Doch wegen geringer Sonnenaktivität reichte der Treibstoff mehr als doppelt so lang. "Niemand hat damit gerechnet, dass er so lange fliegt", sagt Pail.

In immer gleicher Höhe über der Erde ermittelte der Satellit die unterschiedliche Erdanziehung mit feinen Beschleunigungsmessern, die kleinste Veränderungen der Gravitationsbeschleunigung aufspüren. Das Ergebnis: Die Erde ist nur annähernd eine Kugel. In zehntausendfacher Übersteigerung sieht sie aus wie eine Kartoffel: Die unterschiedliche Stärke des Schwerefeldes bewirkt auf den Ozeanen Wölbungen und Eindellungen. Der Meeresspiegel bietet damit keineswegs einen einheitlichen Höhen-Nullpunkt. Die Länder orientieren sich an lokalen Meereshöhenmessungen an Küsten und haben daher keinen gemeinsamen Nullpunkt. Die Franzosen beziehen sich auf den Pegel in Marseille, die Engländer auf jenen in Newlyn und die Deutschen auf Amsterdam.

Die US-Mission "GRACE" hatte bereits ähnliche Ergebnisse erbracht. Die Genauigkeit von "GOCE" ist aber weit größer. Sie übertrifft laut Pail bisherige Messungen um den Faktor vier bis fünf. Mitte nächsten Jahres wollen die Wissenschaftler die letzte Auswertung vorlegen. Die Höhengenauigkeit soll dann bei zwei Zentimetern liegen. Das kann etwa eine Rolle spielen, wenn ein Tunnelbau von zwei Seiten begonnen wird. (anw)