NSA-Enthüllungsjournalist Greenwald: Die Presse muss die Mächtigen zähmen

Auf seiner ersten Auslandsreise nach dem Lostreten der NSA-Affäre hat der Enthüllungsreporter Glenn Greenwald betont, dass der NSA-Untersuchungsausschuss den Überwachungsskandal ohne Befragung Edward Snowdens nicht aufklären könne.

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Der NSA-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald attestierte Deutschland, grundlegende Pressefreiheiten weltweit mit am besten zu gewährleisten

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

Der NSA-Skandal hat für Glenn Greenwald viel mit den Medien und deren Standortbestimmung zu tun. In einer Welt, in der bestimmte Regierungen über ihre Geheimdienste die gesamten Kommunikationsdaten aller Bürger sammelten, sei es schwer, die Privatsphäre der Betroffenen und die freie Presse zu bewahren, erklärte der Enthüllungsautor am Donnerstag bei der Verleihung des Journalistenpreises "Reemtsma Liberty Award" in Berlin. Medien bräuchten Insider im Gefüge der Macht von Staat und Wirtschaft, die Missstände aufdecken und mit Informationen nach außen gehen wollten. Diese könnten sich in einer Überwachungsgesellschaft aber nicht sicher fühlen, dass sie unentdeckt bleiben.

Greenwald erinnerte sich daran, nach dem ersten Treffen und dem Interview mit dem NSA-Whistleblower Edward Snowden mit seiner Kollegin, der derzeit in Berlin lebenden Dokumentarfilmerin Laura Poitras, lange Zeit über die Rolle der Medien gesprochen zu haben. Die aufgedeckten Überwachungsstrukturen seien demgegenüber fast nachrangig gewesen. "Wir wollten die Idee des Journalismus wiederbeleben", betonte der nach Rio de Janeiro ausgewanderte US-Bürger. Die Presse müsse die Mächtigen unter Kontrolle und in Schach halten, da diese ohne ein solches Gegengewicht ihre Befugnisse naturgemäß missbrauchten. Viele Medien in Großbritannien oder in den USA hätten ihre Rolle als "4. Gewalt" aber aufgegeben und seien dazu übergegangen, "der Macht zu dienen".

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Zugleich verwies der 47-Jährige auf die Maßgabe der Presse, neben dem Aufdecken von Missständen auch die eigentlichen Hinweisgeber und Quellen zu schützen. Bezogen auf Snowden habe "jedes Land" unter moralischen Gesichtspunkten die Verpflichtung, den früheren Geheimdienstmitarbeiter zu schützen und ihm Asyl zu gewähren. Der Bundesregierung obliege diese Aufgabe aber im Besonderen: Deutschland gehöre zu den größten Profiteuren der Enthüllungen, da darüber etwa auch hiesige Spitzenpolitiker von ihrer umfassenden Ausspähung erst erfahren hätten.

Vorab hatte Greenwald in mehreren Interviews in Berlin darauf gedrängt, Snowden persönlich im parlamentarischen NSA-Untersuchungsausschuss zu befragen. Dieser habe eine Menge Wissen über das Geheimdienstsystem, da er jahrelang selbst darin gearbeitet habe. Es wäre daher unverantwortlich von den staatlichen Ermittlern, nicht direkt Kontakt mit dem momentan noch temporäres Asyl in Russland genießenden Whistleblower zu suchen. Ohne Befragung von Snowden kann nach Greendwalds Einschätzung der Bundestag den NSA-Abhörskandal nach nicht vollständig aufklären. Das Untersuchungsgremium hat eine Entscheidung über eine Ladung Snowdens als Zeugen dagegen auf Betreiben der großen Koalition gerade aufgeschoben.

"Es ist das erste Mal seit zehn Monaten, dass ich Brasilien verlassen habe", erzählte Greenwald in Berlin. Die US-Regierung habe ein "bedrohliches Klima kreiert" und ihn, Snowden sowie Poitras als Kriminelle und Diebe bezeichnet. Er sei aber gerne in die Bundeshauptstadt gekommen, da sich dort einige seiner Freunde sicher fühlten. Deutschland attestierte er, grundlegende Pressefreiheiten weltweit mit am besten zu gewährleisten. Zusammen mit Poitras will Greenwald Berichten zufolge schon am Freitag nach New York weiterreisen, um dort eine journalistische Ehrung zusammen mit Vertretern des "Guardian" in Empfang zu nehmen. Die von Washington an den Tag gelegten Bedrohungstaktiken dürfen laut dem Reporter nicht dazu führen, dass er nicht mehr in sein eigenes Land zurückkehren könne. (jk)