Online-Inhalte: EU-Ratsspitze will Geoblocking europaweit festschreiben

Geht es nach der niederländischen Ratspräsidentschaft, müssten Inhalteanbieter genau prüfen, in welchem EU-Land ein Nutzer seinen Wohnsitz hat und wie die Rechtslage dort ist, bevor sie Content in einem anderen Mitgliedsstaat freigeben.

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(Bild: dpa, Philipp Brandstädter)

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Die von der EU-Kommission geplante "grenzüberschreitende Portabilität" von Inhaltsdiensten im Internet im digitalen Binnenmarkt soll klaren Grenzen unterliegen. Dafür plädiert zumindest der niederländische Vorsitz des EU-Rats in einem Änderungsvorschlag zum Verordnungsentwurf der Kommission, den das Online-Magazin Politico veröffentlicht hat. Inhalteanbieter dürften demnach bestehende Praktiken zum Geoblocking nur unter sehr engen Voraussetzungen aufgeben.

Die Niederländer legen dem Papier nach größten Wert darauf, dass ein EU-Bürger beim temporären Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat beim Abruf von Online-Diensten wie Streaming nur genau dieselben Nutzerrechte erhält wie im Land seinen Wohnsitzes. Ein Este dürfte online abgerufene Inhalte dann etwa auch bei einem Besuch in Frankreich auf CD brennen, ein Franzose in Estland aber nicht, bringt Politico ein Beispiel.

Zugleich sollen Content-Provider den Staat des hauptsächlichen Wohnorts mit "effektiven Mitteln" überprüfen. Dabei könnten sie zum einen auf "freiwillige Industriestandards" oder vergleichbare Praktiken setzen, heißt es in dem Papier. Bestehen solche Regeln aber nicht, müssten Inhalteanbieter eine ganze Palette an acht Ersatzmaßnahmen treffen.

Teil der langen Aufgabenliste ist etwa die Pflicht, einen Ausweis oder ein anderes gültiges Dokument zu verlangen, aus dem die Stammadresse des Kunden hervorgeht. Rechnungs- und Postanschrift müssten zusätzlich genauso herangezogen werden wie "Bankdetails wie Kontonummer" oder Kredit- beziehungsweise EC-Karten. Ferner soll auf den "Ort der Installation einer Set-Top-Box oder eines ähnlichen Geräts" zu achten sein, über die der Nutzer normalerweise auf den Dienst zugreift.

Ein Inhalteanbieter mĂĽsste vor einer Freigabe im Ausland zudem eruieren, ob der zu BegĂĽnstigende in seinem Heimatland Rundfunk- oder vergleichbare LizenzgebĂĽhren zahlt und ob ein Vertrag mit einem Zugangsprovider zum Internet besteht. Nicht zuletzt soll die IP-Adresse "periodisch" geprĂĽft werden, um den Mitgliedsstaat auszumachen, in dem der Kunde ĂĽblicherweise ins Netz geht und Filme, Sportsendungen, Musik, Spiele oder E-Books konsumiert.

Die ganze Palette an Überwachungsmitteln wollen die Niederländer gegebenenfalls sowohl bei gekauften als auch bei gratis am Wohnortsitz verfügbaren Inhalten aktiviert wissen, offenbar um eine missbräuliche Inanspruchnahme beispielsweise von ARD und ZDF in einem anderen EU-Land zu verhindern. Zusätzliche Abspielmöglichkeiten müssten zudem nur eingeräumt werden, wenn der Reisende "regelmäßig" an seinen Stammsitz zurückkehrt.

Eine breite Allianz von Bürgerrechtsorganisationen, Verbänden der Internet- und Digitalbranche, Verbraucherschützern und Bibliotheken hat die Kommission derweil in einem offenen Brief aufgefordert, eine "ambitionierte" Copyright-Reform zu verfolgen. Die geplanten neuen Urheberrechtsregeln müssten "fit sein für die digitale Welt und fundamentale Prinzipien wie Haftungsprivilegien sowie Rechte der Bürger auf Kommunikationsfreiheit und Zugang zum Wissen aufrechterhalten und stärken".

Die Unterzeichner sind besonders besorgt, dass diese Ziele ernsthaft in Gefahr geraten könnten, wenn die Verantwortungsregeln der Online-Vermittler angezogen würden. Sollten die Rechte, Inhalte öffentlich zu kommunizieren und verfügbar zu machen, in einer Weise eingeschränkt werden, wie dies "gewisse Rechteinhaber" wünschten, würde dies das Internet in seiner jetzigen Form zerstören. Alltägliche Aktivitäten der Nutzer etwa beim Posten oder Verlinken gerieten in eine rechtliche Grauzone, warnen die Schreiber, zu denen unter anderem der Bitkom, die Initiative European Digital Rights (EDRi), EuroIspa oder Mozilla gehören. (mho)