Putins Trolle posten angeblich in Zwölf-Stunden-Schichten
Schon länger scheint es ein offenes Geheimnis, dass prorussische Ansichten systematisch in sozialen Medien gepostet werden. Nun sollen neue Belege dafür aufgetaucht sein.
Bezahlte russische Internetnutzer mischen sich für ihren Staatslenker meinungsmachend in Online-Diskussionen ein – dieser Verdacht besteht schon länger. Nun gibt es angeblich neue Belege, die ihn stützen, nachdem die Süddeutsche Zeitung voriges Jahr im Juni damit an die Öffentlichkeit gegangen war.
So berichten nun "Globalvoicesonline.org", ein internationales Blogger- und Bürgerjournalisten-Netzwerk, und die von den USA finanzierte Auslandsrundfunkanstalt "Radio Free Europe/Radio Liberty" über "Trolle", die der Kreml beauftragt habe. Sie zitieren dabei die russischen Zeitungen "Moi Rajon" und "Nowaja Gaseta", denen nach eigenen Angaben neben dem veröffentlichten Interview mit einer ehemaligen Mitarbeiterin auch Dokumente aus dem Unternehmen vorliegen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete darüber.
Diesmal ist die Rede von 400 und nicht wie zuvor von 600 Mitarbeitern, die in St. Petersburg für eine "Agentur zur Analyse des Internets" arbeiteten. Diese werde von einer Holdinggesellschaft finanziert, die Yevgeny Prigozhin gehören soll, Restaurantbesitzer und guter Freund Wladimir Putins.
40.000 Rubel Trolllohn
Die straff hierarchisch organisierten Angestellten betrieben diverse Accounts in sozialen Medien wie LiveJournal, Twitter und woanders. Sie arbeiteten in Zwölf-Stunden-Schichten für monatlich 40.000 Rubel, umgerechnet gut 600 Euro. Sie äußerten sich nicht nur im Sinne des Kremls in politischen Diskussionen, sondern auch in Foren, die sich um andere Themen kümmern. Dafür gebe es Richtlinien zu bestimmten Stichwörtern wie "EU", "Ukraine", "USA" und zur russischen Opposition und auch zur Länge der Beiträge – zudem oft vorgefertigte Antworten. Diese Vorgaben hätten die Angestellten der Agentur strikt einzuhalten.
Eine typische vorgetäuschte Person heiße zum Beispiel "Natalya Drozdova" mit Accounts auf LiveJournal, Twitter, Facebook, Google+ und VK. Viele ihrer Posts seien nicht weiter auffallend, zum Beispiel dazu, dass Facebook ein Gefühlsemoticon gestrichen habe oder zu Parodien des Films "Fifty Shades of Grey". Auf der anderen Seite äußere sich "Drozdova" auch meinungsstark zum iranischen Atomprogramm oder zur Ermordung des Oppositionellen Boris Nemzov. Dazu würde verbreitet, hinter der Tat steckten ukrainische Oligarchen, um sie der russischen Regierung anzuhängen, oder der Mord sei von Nemzovs Anhängern als Provokation begangen worden, um die Oppositionsproteste zu unterstützen. (anw)