Reporter ohne Grenzen sieht Verschlechterung der Pressefreiheit in Europa

"Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzen sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel", warnte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard zur Vorlage der Rangliste der Pressefreiheit 2010.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 172 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Lage der Medienfreiheit hat sich nach Ansicht der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) in Europa weiter verschlechtert. Der bereits in der Rangliste 2009 festgestellte Abwärtstrend einiger süd- und südosteuropäischer Staaten habe sich in der nun vorgelegten Rangliste der Pressefreiheit 2010 fortgesetzt, heißt es in einer Mitteilung. In der Rangliste vergleicht ROG die Situation der Pressefreiheit in 178 Staaten und Regionen. Einbezogen wurden Verstöße im Zeitraum von September 2009 bis August 2010.

(Bild: Reporter ohne Grenzen)

ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard warnte: "Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzen sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen."

Deutschland hat sich gegenüber 2009 von Platz 18 auf 17 vorbewegt. Wie in anderen EU-Staaten hat ROG hier Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der Zugang zu Behördeninformationen bleibe ebenfalls unzureichend. Ein weiterer Kritikpunkt war das Strafverfahren gegen zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-Affäre.

Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten befinden sich unter den 20 führenden Ländern der aktuellen Rangliste. Innerhalb der EU gehe die Schere aber stark auseinander. Zwölf EU-Länder lägen zwischen dem 30. und 70. Rang. Am stärksten gefallen sei Griechenland, und zwar von Platz 35 im Vorjahr auf nunmehr Platz 70. Ausschlaggebend waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und Drohungen gegen Journalisten. In Frankreich und Italien gebe es Probleme wie die Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten.

Durch Klagen gegen Journalisten sowie Festnahmen und Verurteilungen von Medienmitarbeitern zu Gefängnisstrafen geriet die Türkei aus der Sicht von ROG in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland. Dort wiederum gehörten ROG Zensur, Gewalt und Repressionen nach wie vor zum Alltag vieler kritischer Journalisten.

Die repressivsten Staaten sind laut der Rangliste Eritrea, Nordkorea, Turkmenistan und Burma. Dort würden unabhängige Medienschaffende verfolgt, Nachrichten und Informationen aus den Ländern fehlten seit mehreren Jahren. Besonders in Ruanda und im Sudan habe sich die Situation verschärft. In Ruanda fielen zusätzliche Zensurmaßnahmen und Schließungen von Medien vor der Präsidentschaftswahl im August 2010 sowie die Ermordung eines Journalisten ins Gewicht. Im Sudan hat die Regierung ihre Überwachung der Printmedien deutlich verstärkt, mehrere Journalisten wurden verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.

ROG legt nach eigenen Angaben (PDF-Datei) 43 Kriterien für die Bewertung der Lage der Pressefreiheit zugrunde. Dazu zählen direkte Angriffe gegen Journalisten sowie Zensurmaßnahmen. Die Kriterien erhebt die Organisation in einem Fragebogen (PDF-Datei), die sie an Partnerorganisationen und Korrespondenten in den Ländern schickt. (anw)