"Scheiß-Internet"-Preis für PR-Kampagne "Kunst hat Recht"
In Wien wurde der "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten" vergeben. Bekommen hat ihn eine PR-Agentur, die Stimmung für Abgaben auf Speichermedien machen will.
Im Auftrag österreichischer Verwertungsgesellschaften versucht die Wiener PR-Agentur The Skills Group seit über einem Jahr, Stimmung für Abgaben auf Speichermedien ("Festplattenabgabe") zu machen. Die Kampagne läuft unter dem Namen "Kunst hat Recht" und soll den Eindruck einer Grassroots-Initiative erwecken. Für ihren unfreiwillig komischen Einsatz hat die Kampagne nun beim Satirepreis wolo12 abgeräumt: Sowohl der Preis der Jury als auch jener des Publikums wurden "Kunst hat Recht" und dessen Sprecher Gerhard Ruiss zugedacht.
Der Negativ-Award heißt mit vollem Namen "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten" und wird seit 2009 jährlich von Monochrom für "völlig unqualifizierte Statements gegen das Informationszeitalter in Wort und Tat" vergeben. Die "Auszeichnung" geht zurück auf den damaligen ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz, der 2009 über das "Scheiß-Internet" hergezogen war, in dem sich "die Jungen verkrümeln". Fernsehen sei das Leitmedium und es sei ihm egal, ob junge Menschen zusehen würden. Erste Preisträger waren 2009 die Wiener Grünen, die in dem gleichen Jahr auch mit dem Big Brother Award bedacht wurden.
Nach 2010 und 2011 wurde Mittwochabend im Wiener Musa die Verleihung des vierten Wolo gefeiert, traditionsgemäß mit Overhead-Projektor und -Folien. Zeremonienmeister Johannes Grenzfurthner musste erfahren, dass in Overheadfolien nicht per Zweifingergeste hineingezoomt werden kann. Akteure der österreichischen Netz- und Kulturszene traten ans Rednerpult, um wolo-preisverdächtige Personen oder Unternehmen vorzuschlagen.
Genannt wurden etwa Amazon für die Behandlung von Leiharbeitern, der deutsche Christdemokrat Ansgar Heveling für seine Schmähung der Netzgemeinde oder die französische EU-Abgeordnete Marielle Gallo (Fraktion der Europäischen Volkspartei). Sie hatte Demonstrationen gegen ACTA als "milde Form des Terrorismus" abgekanzelt.
Überzeugen konnte die von Nicole Kolisch verlesene Rede, die hervorhob, dass es sich bei "Kunst hat Recht" selbst um ein postmodern-ironisches Satireprojekt handeln müsse. Ein Projekt, das sich als Künstler-Initiative ausgebe, aber von den Verwertungsgesellschaften unterstützt werde, das die Gratis-Kultur bekämpfe, aber Künstler für sich gratis arbeiten lasse und deren Werke dann "Youtube und damit Google, dem bekämpften Erzfeind aller Urheberrechte, in den Rachen wirft", könne nicht ernst gemeint sein. Weiterer Beweis für die Satirequalität der Kampagne sei die Drohung, den Nationalfeiertag zu bestreiken, sowie die Klage von Bildhauern über herbe Einnahmenverluste durch Internet-Downloads.
Das schockierte Publikum musste erfahren, dass "Kunst-hat-Recht"-Sprecher Ruiss "tief drinnen ein hochmoderner Verfechter der Remix-Kultur" ist – seine jüngsten drei Bücher bestünden aus Nachdichtungen. Er fordert neben der Einführung einer Festplattenabgabe auch Zugriff auf die Vorratsdatenspeicherung, um Urheberrechtsverletzungen verfolgen zu können. MC Grenzfurthner wiederum forderte Ruiss dazu auf, offenzulegen, ob und wer für seinen Einsatz bei "Kunst hat Recht" bezahle. (anw)