Schwarz-Gelb will Netzneutralität im TKG prominenter fassen
Die Koalitionsfraktionen wollen den Regierungsentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes so ändern, dass unter anderem das offene Internet, der Breitbandausbau und der Verbraucherschutz gestärkt werden.
Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP haben sich am Dienstagabend auf Änderungen am Regierungsentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) geeinigt, durch die unter anderem das offene Internet, der Breitbandausbau und der Verbraucherschutz gestärkt werden sollen. Der federführende Wirtschaftsausschuss hat ihnen mit den Stimmen der Koalition am heutigen Mittwoch zugestimmt. Die Opposition votierte geschlossen dagegen. Am Donnerstag soll die TKG-Novelle das Plenum des Bundestags passieren.
Laut dem heise online vorliegenden, rund 100 Seiten umfassenden Korrekturantrag will die Regierungskoalition etwa die Netzneutralität prominenter hervorheben. Vorgesehen ist ein Paragraf, wonach die Bundesregierung mit Zustimmung des Parlaments und des Bundesrats eine Rechtsverordnung erlassen kann, um "die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen". So soll verhindert werden, dass Dienste "willkürlich verschlechtert" werden und der Datenverkehr in den Netzen behindert oder verlangsamt wird.
Im Regierungsvorstoß war bislang allein vorgesehen, dass die Bundesnetzagentur grundsätzliche Bestimmungen zur Netzneutralität aufstellen kann. Diese Option will Schwarz-Gelb ergänzend aufrechterhalten. Demnach soll es der Regulierungsbehörde unbenommen bleiben, in einer Technischen Richtlinie Einzelheiten zu den Mindestanforderungen an die Dienstqualität in Absprache mit Brüssel festzulegen. Verstöße gegen eine mögliche Rechtsverordnung zur Netzneutralität oder gegen vollziehbare Anordnungen der Bundesnetzagentur aufgrund einer solchen Norm will die Koalition mit Bußgeldern belegen.
SPD, Linke und Grüne plädierten in eigenen Anträgen dafür, das Prinzip des offenen Internets stärker gesetzlich festzuschreiben, um dessen Innovationskraft zu erhalten. Die linke Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak sieht in der schwarz-gelben Passage zur Netzneutralität nur ein "Placebo zur Beruhigung". Wer das Thema Netzneutralität nur im Gesetz erwähne, dann aber wachsweiche Formulierungen aufschreibe, betreibe Augenwischerei.
Der nachgebesserte Entwurf sieht nun auch vor, alternative Infrastrukturen für den Breitbandausbau zu öffnen. Das vielfach verfolgte Anliegen, etwa kommunale Abwässerkanäle, Energieleitungen oder bestehende Kabelkanäle in Straßen oder an Schienen für Glasfaserstränge mitzunutzen, soll durch Schlichtungsverfahren mit den bestehenden Netzbetreibern und Infrastruktureigentümern bei der Bundesnetzagentur vereinfacht werden. Bei Straßen oder Trassen, die im Besitz des Bundes beziehungsweise der Deutschen Bahn sind, ist gar ein Anspruch auf Mitnutzung vorgesehen. Zusätzlich will die Koalition die bestehende Duldungspflicht von Grundstückseigentümern um einen sogenannten Hausstich erweitern, mit dem Glasfaserleitungen in einem Wohngebiet bis in die Keller verlegt werden. Danach darf ein Grundstück oder ein Gebäude an ein hochleistungsfähiges Telekommunikationsnetz auch gegen den Willen des Eigentümers auf Kosten des Telekommunikationsunternehmens angeschlossen werden. Der Duldungsanspruch ist dann ausgeschlossen, wenn die Maßnahmen die Eigentumsrechte unzumutbar beeinträchtigt. Netzunternehmen soll es nun erlaubt werden, während eines Bauvorhabens alle anliegenden Häuser eines Straßenzuges an Hochgeschwindigkeitsverbindungen anzuschließen und so die Ausbaukosten zu reduzieren.
Glasfaserleitungen sollen abweichend von bisherigen Richtlinien mit einer geringeren Tiefe per Microtrenching-Verfahren verlegt werden. Nicht mehr durchsetzen konnten sich Teile von CDU/CSU damit, die Wirtschaft zur Versorgung aller Haushalte mit einem schnellen Internetanschluss zu verpflichten. Ein solcher Breitband-Universaldienst könnte aber noch über den Bundesrat kommen, der der TKG-Reform zustimmen muss.
Mehr Planungssicherheit für Provider, die in Hochgeschwindigkeitsnetze investieren wollen, soll ein neuer Auskunftsanspruch bringen. Demnach müsste die Bundesnetzagentur künftig auf Antrag eines Unternehmens beim Ausbau von Netzen der nächsten Generation verbindliche Auskünfte über geplante Regulierungsmaßnahmen für bestimmte Regionen unter Berücksichtigung von EU-Vorgaben herausgeben.
Die Regelungen zum Verbraucherschutz aus dem Regierungspapier, die unter anderem kostenlose Warteschleifen bei Telefon-Hotlines in vielen Fällen vorsehen, den Anbieterwechsel vereinfachen und die Kontrollmöglichkeiten der Nutzer verbessern wollen, will Schwarz-Gelb im Einklang mit einer Forderung des Bundesrats durch eine Preisansageverpflichtung für "Call-by-Call"-Dienstleistungen ergänzen. Damit soll Missbrauch in Form kurzfristiger Tarifanhebungen "einzelner Anbieter der sprachgestützten Betreiberauswahl" verhindert werden.
Auch vor Abzocke am Handy über Bezahlfunktionen will die Koalition Verbraucher besser schützen. Nutzer sollen die in der Regel automatisch durch spezielle Abrechnungsschnittstellen durchgeführte Identifizierung ihres Mobilfunkanschlusses für zusätzlich erbrachte Leistung sperren lassen können. Die Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, die dem Teilnehmer eine Rechnung mit Entgelten für Dienste Dritter ausweisen, müssten dem Nutzer zudem auf Verlangen unverzüglich Namen und ladungsfähigen Anschriften der Gebühreneintreiber zur Verfügung stellen. Mobiltelefonierer sollen einen pauschalen Höchstbetrag an ausstehenden Entgelten pro Monat sowie eine Obergrenze für das Datenvolumen festlegen können. (anw)