US-Justizministerium unterdrückt Polizeiakten über IMSI-Catcher

Eine Polizeibehörde in Florida sollte Auskunft über die Überwachungsgeräte erteile. Um das zu verhindern, beschlagnahmten US Marshals kurzerhand die Unterlagen. Das gab es wohl noch nie.

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US-Behörden nutzen offenbar laufend IMSI-Catcher für Überwachungszwecke. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union) will Näheres wissen und beantragte Akteneinsicht nach Informationsfreiheitsgesetzen mehrerer Staaten. So auch bei der Polizei der Stadt Sarasota, Florida, die daraufhin einen Termin zur Aktenneinsicht anbot. Doch plötzlich beschlagnahmten Bundesbeamte die Akten, berichtet die ACLU. So werde die Stadtpolizei daran gehindert, die gesetzlich vorgesehene Auskunft zu erteilen.

Der Hersteller Harris Corp. aus Florida hat seine IMSI-Catcher nach dem Stingray (Stechrochen) benannt. Sogar der Katalog ist geheim.

(Bild: Angell Williams CC-BY-SA 2.0 )

IMSI-Catcher gaukeln vor, eine besonders signalkräftige Mobilfunk-Sendeanlage zu sein. Auf diese Weise "fängt" das Gerät alle Handys des jeweiligen Netzes im Empfangsbereich ein. Je nach Lage und Einsatzdauer können das auch hunderttausende Handys sein. In der Folge lassen sich eingeschaltete Geräte orten, Verbindungen abhören und Übertragungen manipulieren. Laut ACLU ist für den Einsatz eines IMSI-Catchers ein Durchsuchungsbefehl erforderlich. Polizisten sehen das oft anders.

Für einen Durchsuchungsbefehl muss die Wahrscheinlichkeit (probable cause) bestehen, einschlägige Beweise zu ergattern. Manche Ermittler holen sich lieber eine Erlaubnis für eine Fangschaltung. Diese Genehmigung ist eigentlich für die Ermittlung der Nummer eines Anrufers vorgesehen und ist viel leichter zu bekommen. Auf eine solche Fangschaltungs-Erlaubnis beruft sich beispielsweise die Polizei von Sarasota , wenn sie die viel mächtigeren IMSI-Catcher nutzt.

NDA verhindert Antrag auf Durchsuchungsbefehl

Die Polizei der Hauptstadt Floridas, Tallahassee, verzichtete selbst auf eine Erlaubnis für Fangschaltungen. Sie hatte von einem Hersteller mehrere IMSI-Catcher geliehen und setzte sie hunderte Male ein. Spezielle richterliche Genehmigungen wurden nie beantragt. Der Hersteller des IMSI-Catchers habe nicht gewollt, dass der Einsatz seiner Geräte bekannt werde, rechtfertigten sich die Gesetzeshüter später.

Auch die Durchsuchung einer Wohnung, in der ein als gestohlen gemeldetes Handy geortet worden war, erfolgte im Jahr 2008 ohne Durchsuchungsbefehl. Die Polizei wollte dem Richter nämlich nicht sagen, wie sie das Handy gefunden hatte – eben wegen des Schweigeversprechens (NDA) gegenüber dem Lieferanten.

Im Strafgerichtsverfahren, welches schließlich der Hausdurchsuchung folgte (State of Florida v. Thomas), wurde die Öffentlichkeit von bestimmten Zeugenvernehmungen ausgeschlossen. Die IMSI-Catcher sollten weiterhin geheim bleiben. Erst die Richter der Berufungsinstanz (Thomas v. State, No. 1D11–6156, District Court of Appeal of Florida, First District) lüfteten das Geheimnis.

Tricks wie in Polizeikomödie

Daraufhin wollte die ACLU Klarheit schaffen und übermittelte knapp 30 lokalen Police Departments und Sheriffs in Florida Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz des US-Staates. Darunter war auch die Polizei der Stadt Sarasota. Sie bestätigte den Einsatz von IMSI-Catchern, Rechtsgrundlage soll die Erlaubnis für Fangschaltungen sein. Die Polizei beraumte einen Termin zur Akteneinsicht an und sagte ihn kurzfristig wieder ab.

Denn es gab keine Akten mehr zu sehen: US Marshals, bewaffnete Beamte des Bundesjustizministeriums, hatten die Unterlagen der lokalen Polizei kurzfristig beschlagnahmt. Ihr juristischer Trick könnte dem Drehbuch einer Polizeikomödie entstammen: Sie ernannten den zuständigen Polizisten zum Deputy Marshal, erklärten seine Unterlagen zu Akten des US Marshal Service und nahmen sie mit. Die Behörde sagt zu laufenden Verfahren nichts.

Die ACLU hält diese Urkundenenfernung für illegal. Denn laut dem Informationsfreiheitsgesetz Floridas dürfen beantragte Akten 30 Tage lang nicht weggebracht werden. Das soll Antragstellern ermöglichen, ein Gericht anzurufen, falls die Einsicht verweigert wird. Die Bürgerrechtsorganisation hat nun Eilanträge gestellt: Das Gericht soll die Rückführung der Akten auftragen und weitere Verbringungen untersagen.

Auch Gerichtsakten fehlen

Schon zuvor hatte die ACLU versucht, beim zuständigen Gericht in Sarasota die Erlaubnis für Fangschaltungen einzusehen. Vergeblich, denn beim Gericht gab es dazu weder eine Akte, noch eine Kopie der Genehmigung, ja nicht einmal eine Aktennummer (Docket). Laut ACLU verstößt das gegen Verfahrensvorschriften und den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung.

Bei Gericht in Tallahassee hatte die Bürgerrechtsorganisation mehr Erfolg: Sie konnte diese Woche erreichen, dass die seit Jahren unter Verschluss gehaltenen Zeugenaussagen aus dem Verfahren State v. Thomas geöffnet wurden. Nun kann man etwa die Aussage des Polizeibeamten Christopher Corbitt aus vom 23. August 2010 nachlesen. Nach eigener Angabe hat Corbitt von Frühling 2007 bis August 2010 über 200 Mal IMSI-Catcher eingesetzt. Tallahassee hatte damals etwa 180.000 Einwohner.

Außerdem wird deutlich, dass sich die Polizei bei genauen Handy-Ortungen sputen muss: Dafür befiehlt der IMSI-Catcher nämlich dem jeweiligen Mobiltelefon, mit voller Stärke zu senden. Das erleichtert zwar die Ortung, leert aber auch den Akku des Ziel-Handys.

PDF: Berufungsgericht lüftet Geheimnis über IMSI-Catcher in Thomas v State

PDF: Diese Woche konnte die ACLU die Zeugenaussage Inspector Corbitts freilegen.

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  • Wie IMSI-Catcher in Deutschland unauffällig legalisiert wurden

(ds)