Viel Kritik im Bundesrat an europäischer Fluggastdaten-Auswertung

Ausschüsse der Länderkammer hegen "erhebliche Bedenken" gegen den Vorstoß der EU-Kommission zur Sammlung von Flugpassagierdaten. Die Notwendigkeit des Systems sei nicht erwiesen. Die Kommission schließt eine Ausweitung des Überwachungsvorhabens nicht aus.

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Ausschüsse des Bundesrats haben "erhebliche Bedenken" gegen den neuen Vorstoß der EU-Kommission zur Sammlung und Auswertung von Flugpassagierdaten angemeldet. Die Länderkammer teile zwar das mit dem Richtlinienentwurf verfolgte Anliegen, geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität fortzuentwickeln, heißt es in den Empfehlungen (PDF-Datei) der Fachgremien. Sie bilden die Grundlage für eine Stellungnahme, über die die Länderchefs Ende kommender Woche abstimmen sollen. Der Vorschlag zu den Passenger Name Records (PNR) stelle aber kein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Wahrung der Freiheitsrechte und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit her. So blieben etwa noch Fragen bei der nötigen Sicherung eines "Höchstmaßes an Datenschutz" offen.

Die Länderkammer protestierte bereits 2008 gegen den ersten Anlauf für ein europäisches System zur Analyse der PNR. Besonders kritisch sieht nun der Europa-Ausschuss die Initiative aus Brüssel. Ihm zufolge ist die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des anvisierten Systems nach wie vor nicht erwiesen. Der Vorschlag setze in mehrerer Hinsicht falsche Akzente. So stelle eine PNR-Speicherung ohne Anlass einen "besonders schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung" und auf Achtung des Privatlebens dar, meinen die Europa-Politiker im Einklang mit den Rechts- und Verkehrsexperten des Bundesrats.

Fluglinien seien bereits verpflichtet, Passagierdaten wie Namen, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, Geschlecht sowie biometrische Daten in Form der Advanced Passenger Information (API) zu übermitteln, heißt es weiter. Belastbare Aussagen zum konkreten Mehrwert von PNR gegenüber diesem Instrument enthalte weder der Richtlinienentwurf noch die zugehörige Folgenabschätzung. Normalerweise umfassen PNR insgesamt 19 Datenkategorien, zu denen neben Name, E-Mail-Adresse, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern etwa auch Essenswünsche gehören.

Der EU- und der Rechtsausschuss halten ferner die vorgesehene Speicherung der Fluggastdaten für über fünf Jahre für zu lang. Die Tatsache, dass die Informationen nach einem Monat ohne Elemente aufbewahrt werden sollen, die eine sofortige Identifizierung des Reisenden erlauben, bezeichnen sie als "nur scheinbare Anonymisierung". Schließlich wolle die Kommission weiterhin einen Zugriff auf die vollständigen PNR unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. Dies setze voraus, dass der Personenbezug jederzeit wieder herstellbar sei. Ferner würden die Kriterien, die zur Bewertung der Daten herangezogen werden sollen, nicht ausreichende definiert. So bestünde für die Betroffenen keine Rechtssicherheit. Insgesamt sei auch die "Gesamtbelastung der Bürger" mit verdachtsunabhängigen Datensammlungen wachsam im Auge zu behalten.

Für "zu offen" halten Europa- und Innenpolitiker der Länder die Vorgaben zur Weitergabe von PNR an Drittstaaten. Eine strenge Zweckbindung sei darin nicht zu erkennen. Im Falle eines solchen Transfers sollten die Betroffenen auch darüber unterrichtet werden. Weitere Kritikpunkte betreffen die potenziellen Kosten für die Luftverkehrsgesellschaften, die durch die im Raum stehende "dezentrale Struktur" des Systems erhöht würden. Allein der Innenausschuss plädiert dafür, dass der Bundesrat das Anliegen begrüßen soll, auf EU-Ebene ein einheitliches Verfahren zur Erhebung und Verarbeitung der Flugdaten herbeizuführen.

Die Kommission schließt unterdessen eine Ausweitung des Überwachungsvorhabens nicht aus. Auf Anfrage des fraktionslosen EU-Abgeordneten Martin Ehrenhauer zeigte sich die Brüsseler Regierungseinrichtung unentschlossen, "welche Position sie in der Zukunft im Hinblick auf die Erhebung von Fahrgastdaten für Bahnreisen und deren Verwendung durch die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten einnehmen wird". Zuvor hatte Großbritannien im EU-Rat darauf gedrängt, auch Bahn- und Schiffsreisende in das System einzubeziehen. Die Initiative NoPNR.org sieht damit den Beweis erbracht, dass Brüssel eine "Total-Überwachung aller Reisebewegungen der Bürger" anstrebe. (jk)