Auch Verbraucher müssen mitdenken

Verbraucher dürfen sich nicht auf übertriebene Werbeaussagen verlassen, sondern müssen selbst überprüfen, ob die Versprechen laut Kaufvertrag auch eingehalten werden, urteilte das AG München.

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Von
  • Marzena Sicking

Das Amtsgericht München hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil (vom 3.2.11, Az.: 261 C 25225/10) klargestellt, dass auch Verbraucher beim Abschluss eines Kaufvertrages gewisse Sorgfaltspflichten zu beachten haben.

So müsse der mündige Bürger bzw. Verbraucher eben damit rechnen, dass die hochtrabenden Versprechen aus einem Werbeprospekt sich nicht 1:1 in einem Kaufvertrag wiederfinden, sondern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen konkretisiert und eventuell auch abgeschwächt werden. Auch wenn diese mühsam zu lesen sind, ist deren Lektüre dem Verbraucher zumutbar, so das Gericht.

Geklagt hatte eine Frau, die Anfang 2009 mit einer Versicherung einen Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. In dem Prospekt, den sie vor Abschluss des Vertrages bekam, wurde unter anderem eine "attraktive Beitragsrückerstattung" versprochen. Wörtlich hieß es hier: "Leistungsfreiheit bedeutet bares Geld für Sie. Sie erhalten drei Monatsbeiträge bereits nach dem ersten leistungsfreien Jahr."

In den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertrages selbst wurde allerdings auch vereinbart, dass die Beitragsrückerstattung vom Versicherer jedes Jahr neu festgelegt wird. Das Unternehmen entschied also immer wieder neu, welche Tarife (und damit auch welche Kunden) an der Rückerstattung teilnehmen und in welcher Höhe sie überhaupt mit Rückzahlungen rechnen können. Auch die Verwendung von Beträgen aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zur Beitragssenkung, Abwendung und Milderung von Beitragserhöhungen wurde laut den AGB jährlich vom Versicherer neu festgelegt.

Die Versicherte hatte 2009 nun keine Leistungen der Versicherung in Anspruch genommen und erwartete einen entsprechenden Geldfluss. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als ihr mitgeteilt wurde, dass sie darauf gar keinen Anspruch habe. Begründet wurde die Streichung der Rückerstattung mit der Finanzkrise. Das wollte die Versicherungsnehmerin nicht hinnehmen und klagte.

Vor Gericht berief sie sich auf die Aussagen im Werbeprospekt und darauf, dass sie sich nur aufgrund der hier getätigten Zusagen überhaupt zu einem Vertragsabschluss hatte motivieren lassen. Die zuständige Richterin wies die Klage der Verbraucherin trotzdem ab.

Die AGB des Anbieters seien eindeutig, auch habe die Klägerin als verständige Verbraucherin damit rechnen müssen, dass in den allgemeinen Geschäftsbedingungen Aussagen aus einem Werbeprospekt konkretisiert und auch abgeschwächt werden. Auch seien ihr die Vertragsbedingungen vorgelegt worden und keinesfalls versteckt worden oder überraschend bekannt geworden. Mit anderen Worten: Wer den Vertrag nicht liest, ist selber schuld.

Wie die Richterin weiter ausführte, hätte der Verbraucherin klar sein müssen, dass sich die Leistungen nicht nach einem Werbeprospekt richten, sondern nach den Bedingungen des Vertrages. Auch sei auch im Prospekt darauf hingewiesen worden, dass Grundlage für den Versicherungsschutz die allgemeinen Geschäftsbedingungen seien – also eben nicht die Werbung.

Es sei einem Vertragspartner zuzumuten, dass er sich den Vertrag genau durchliest und sich so über die Details informiert. Daran ändere auch der Umfang des Vertragswerkes und die Tatsache nichts, dass solche Schriftstücke mitunter mühselig zu lesen sind. Aus dem Werbeprospekt ergebe sich ebenfalls kein Anspruch. Dieser sei kein bindendes Vertragsangebot, sondern diene nur der Anbahnung eines solchen.

Auch wenn es sich hier um ein eher unternehmerfreundliches Urteil handelt, liegt dem Gesetzgeber der Verbraucherschutz in der EU weiterhin sehr am Herzen. Grundsätzlich wird dabei allerdings von einem mündigen Bürger ausgegangen, der sich über seine Rechte und Pflichten informiert. Doch Sittenwidrigkeit oder Verstöße gegen Verbraucherschutzregelungen akzeptiert der Gesetzgeber trotzdem nicht. Und der Wettbewerb auch nicht. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)