Der Senior-Chef als Problemfall

70.000 bis 80.000 Firmen jährlich müssen einen Generationswechsel an der Spitze verkraften. Die meisten Probleme verursacht dabei das Ego des Senior-Chefs.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Offenbar ist der Wunsch, ein echter Unternehmer zu sein oder zu werden, heutzutage nicht mehr besonders ausgeprägt. 70.000 bis 80.000 Firmen suchen jährlich einen Nachfolger für Ihren Senior-Chef. Laut "Handelsblatt" hat derzeit die Hälfte der 50- bis 59-jährigen Unternehmer noch keine Entscheidung über ihre Nachfolge getroffen. Dabei sollte man frühzeitig mit der Suche nach einem Nachfolger beginnen, denn diese ist komplex und sehr zeitintensiv. Ein Punkt, der von den meisten Betroffenen unterschätzt wird.

Und so ist die Übergabe dann doch häufig eine Hauruck-Aktion, weil der 85-jährige Senior bis zum letzten Moment dachte, dass er das Unternehmen noch locker ein paar Jahre selbst leiten kann. Dass der alte Chef aus gesundheitlichen Gründen abtreten muss, ist nur in den seltensten Fällen eine echte Überraschung. Meistens ist es aber kein Unfall oder eine akute Erkrankung, die den Firmeninhaber vom Chefsessel reißt, sondern der langsam nagende Zahn der Zeit. Es ist die Eitelkeit dieser Männer (Frauen sitzen um hohen Alter nur in Ausnahmefällen noch auf dem Chefsessel), die die frühzeitige Suche nach einem geeigneten Nachfolger verhindert.

Und auch wenn der Senior-Chef irgendwann doch einsieht, dass er die Führung abgeben muss und man einen Nachfolger sucht, wird das Ego nicht kleiner. Im Gegenteil. "Studien belegen, dass bereits innerhalb der ersten fünf Jahre mehr als 5000 der Übergaben scheitern. Aber nicht etwa am Betriebsrat, den Finanziers, dem Aufsichtsrat oder der Familie – sämtliche Fäden laufen beim Senior-Unternehmer zusammen. Alle Initiativen zur Nachfolgeregelung scheitern fast immer an seiner Psyche. Er will und kann sich nicht wirklich von seinem Unternehmen trennen. Nachgewiesenermaßen schnappt genau an dieser Stelle die Psychofalle zu", erklärt Uwe Kern, Mitinhaber der Schmuck, Kern & Partner Unternehmernachfolge Beratung, die wohl täglich mit dem Problem konfrontiert wird.

Vermeintlich sachliche Gründe und Kritik werden vorgeschoben, um die tatsächliche Übergabe doch noch zu verhindern. Man könnte darüber schmunzeln, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre: Rund vier Millionen Arbeitsplätze hängen in den nächsten Jahren davon ab, wie gut die Firmenlenker loslassen können und in wessen Hände sie ihre Firma letztendlich geben.

Ob sich Unternehmerkinder für die Nachfolge in der elterlichen Firma begeistern lassen, ist überwiegend eine Frage des Erziehungsstils. In einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin "Impulse" (Ausgabe 7/2011) erklärt Dr. Christina Erdmann, Erziehungswissenschaftlerin der Uni Witten/Herdecke: "Wenn Unternehmerkinder erleben, dass die eigenen Eltern vom Unternehmen aufgefressen werden, entwickeln sie schnell das Gefühl: Warum soll ich mir das antun?" Deshalb wirke der Beruf des Unternehmers auf die Kinder oft abschreckend.

Die Erziehungswissenschaftlerin rät allen Unternehmer-Eltern deshalb, ihre Kinder nicht zu Nachfolgern zu erziehen. Dadurch seien die Eltern der Gefahr ausgesetzt, das Kind ständig auf Nachfolgefähigkeit zu prüfen. In den Familien, in denen ein eher gelassener Erziehungsstil vorherrsche, sei die Bereitschaft der Kinder zur Nachfolge viel stärker ausgeprägt als in Familien, in denen die Nachfolge auf dem Reißbrett geplant wird, so Erdmann.

Wer einen Nachfolger außerhalb der eigenen Familie sucht, der kann sich dabei von externen Beratern unterstützen lassen oder auf eine der Unternehmensbörsen setzen, die es inzwischen gibt. Bundesweite und branchenübergreifende Angebote aus dem Mittelstand findet man beispielsweise auf der Deutschen Unternehmensbörse oder der "nexxt-change"-Unternehmensbörse, die unter anderem vom DIHK und dem Bundeswirtschaftsministerium getragen wird. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)