Mitarbeiter-Fluktuation: Vergessen Sie die Quote, ermitteln Sie lieber das Risiko!

Viele Unternehmen lassen Personalberater für teuer Geld ihre Fluktuationsquoten ermitteln. Damit lässt sich aber kein Mitarbeiter halten. Wichtiger als eine Statistik zu erstellen, ist es, einzugreifen, wenn der Lösungsprozess der Mitarbeiter beginnt – und den vor allem zu erkennen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Während der Wirtschaftskrise hat kein Mitarbeiter seinen sicheren Arbeitsplatz aufgegeben – außer, es winkte eine tolle Karrierechance oder der Betrieb war so unerträglich, dass sogar die Arbeitslosigkeit attraktiver erschien. Da sich die Wirtschaft nun erholt und viele Unternehmen wieder einstellen wollen, steigt im eigenen Unternehmen auch das Risiko, gute Mitarbeiter und damit auch das dazugehörige Wissen zu verlieren.

Viele Firmen verlassen sich bei der Beurteilung und Behandlung dieses Problems auf die sogenannten "Fluktuationsquoten". Dabei wird anhand der Zahlen der vergangenen Jahre eine Prognose darüber erstellt, wieviele Mitarbeiter im Folgejahr das Unternehmen verlassen werden. Ganz Mutige behaupten sogar, dass sich daraus die aktuelle Stimmung und Motivationslage der Mitarbeiter berechnen lässt. Vorsichtig ausgedrückt, ist das eine sehr optimistische Einstellung oder anders ausgedrückt, ein totaler Quatsch. Denn die Fluktuationsquote berücksichtigt nur die nackten Zahlen, also z.B. den Zeitpunkt der Kündigung bzw. des Austritts.

Wenn ein Mitarbeiter heute kündigt, dann geschieht das nur selten aus einem "Affekt" heraus. In der Regel geht dem ein langer Entscheidungsprozess voran, in dem der Angestellte die positiven und negativen Seiten des Betriebs gegeneinander aufwiegt, mit seiner Familie über den geplanten Wechsel spricht, sich in anderen Unternehmen bewirbt. Hat er gekündigt, ist das der Abschluss des Prozesses. Wichtig für den Unternehmer ist aber eigentlich das, was vorher passiert ist, also nicht die Entscheidung selbst, sondern ihr Auslöser.

Sie sollten also nicht die Quote, sondern lieber das Risiko ermitteln und entsprechend gegensteuern. Denn was für Ihre Kunden gilt, trifft auch auf die Mitarbeiter zu: So wie das Halten eines Bestandskunden weitaus "billiger" ist als die Akquisition von Neukunden, so erfordert das Binden eines langjährigen, bewährten Mitarbeiters an die Firma weitaus weniger Einsatz an Unternehmensressourcen (Geld, Zeit, Personal) als die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Leute.

Also versuchen Sie, die innere Einstellung Ihrer Mitarbeiter zum Arbeitsplatz, zur Firma, zu Ihrer Person herauszufinden: Sind meine Leute mit ihrer Tätigkeit zufrieden? Identifizieren sie sich mit dem Unternehmen? Akzeptieren sie mich als Chef? Ermitteln Sie die Arbeitszufriedenheit jedes einzelnen Angestellten, indem Sie die persönliche Kommunikation pflegen. Im direkten Gespräch findet man auch Unterschwelliges heraus. Aber vergessen Sie dabei nicht die Mitarbeiter, die sich nicht trauen, offen zu reden: führen Sie deshalb regelmäßig auch anonyme Umfragen durch und richten Sie einen Kummerkasten ein!

Unzufriedene Mitarbeiter ausfindig zu machen ist äußerst wichtig, denn Unzufriedenheit kann sehr ansteckend sein. Oft schafft es ein Einzelner, in einem Team oder einer Abteilung das Betriebsklima zu vergiften und so das Abwanderungsrisiko zu erhöhen.

Haben Sie die Risiken bzw. die Risikoträger erkannt, gilt es, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das bedeutet nun nicht, dass der "Nörgler" gefeuert werden sollte – im Gegenteil. Nehmen Sie diese Menschen ernst und versuchen Sie, die von ihnen angesprochenen Probleme zu beseitigen. Auch wenn Arbeitsatmosphäre, -equipement etc. vermutlich niemals "perfekt" sein werden und es immer einen Mitarbeiter geben wird, der sich an etwas stört: Wenn Sie Ihren Mitarbeitern das Gefühl geben, sie und ihre Anliegen ernst zu nehmen, dann haben Sie eigentlich schon gewonnen. Und können sich mit dem Gedanken trösten, dass die Mitarbeiter, die trotzdem noch gehen, auch nicht geblieben wären, wenn Sie und Ihr Unternehmen der "perfekte Arbeitgeber" wären. (Marzena Sicking) / (map)
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