Schlechtes Zeugnis für Finanzämter

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich? Nicht, wenn es sich um das Steuerrecht handelt. Das hat der Bundesrechnungshof jetzt in einem Gutachten bestätigt.

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Von
  • Marzena Sicking

Bürokratieabbau und die Vereinfachung der Steuergesetze wird dem Bürger schon lange versprochen, umgesetzt wurde davon bisher nichts. Wer bisher diesen Verdacht hatte, wird jetzt von offizieller Seite darin bestätigt: In einem aktuellen Gutachten hat der Bundesrechnungshof dramatische Lücken im Steuervollzug festgestellt. Das dramatische Fazit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Prof. Dr. Dieter Engels, lautet: "Die gesetzmäßige Besteuerung von Arbeitnehmern ist weiterhin nicht gewährleistet". Mit anderen Worten: Die Finanzämter sind nicht mehr in der Lage, einen Großteil der Steuererklärungen ordnungsgemäß zu prüfen.

Neu ist die Erkenntnis allerdings nicht: Bereits 2006 hatte der Bundesrechnungshof auf große Defizite beim Vollzug von Steuergesetzen hingewiesen. Stärkere IT-Unterstützung, wie beispielsweise die Einführung eines Risikomanagements hätten an der Situation aber nichts verbessert: "Wir sehen weiterhin großen Handlungsbedarf zur Verbesserung des Steuervollzugs", so Engels.

Schuld an der Misere ist laut dem aktuellen Bericht auch eine weiterhin angespannte Personalsituation in der Steuerverwaltung. Dem einzelnen Beamten bleibe weniger als die Hälfte seiner Arbeitszeit für die Prüfung der Steuererklärungen, zugleich hätten sie – je nach Struktur des Finanzamts – zwischen 972 und 2.720 Fällen pro Jahr auf dem Schreibtisch.

Noch gravierender sei aber das Problem des komplexen und sich immer schneller ändernden Steuerrechts. Viele Gesetze seien lang und schwer verständlich formuliert, von Vereinfachung keine Spur. Im Gegenteil: Die Zahl der Gesetzesänderungen habe sich seit 2006 von durchschnittlich 7,5 auf fast 10 Änderungen pro Jahr erhöht. Als Folge müssten sich Finanzbeamte und Steuerzahler mit einer Vielzahl von steuerlichen Erklärungsvordrucken beschäftigen, die teilweise sehr kompliziert seien.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes sei es den Steuerbeamten in der Praxis gar nicht mehr möglich, sich einen Überblick über die geltende Rechslage in den jeweiligen Veranlagungsjahren zu verschaffen. Und so werde bei der Bearbeitung der Steuererklärungen in erster Linie darauf geachtet, die quantitativen Ziele zu erreichen, also die Masse der eingereichten Erklärungen möglichst zügig abzuarbeiten. Die exakt zutreffende Steuerfestsetzung gerate da in den Hintergrund.

Auch der Einsatz eines Risikomanagements habe in Bezug auf den gesetzmäßigen Steuervollzug bisher nicht viel gebracht. Hierbei entscheide ein programmgesteuerter Risikofilter, ob die Steuer maschinell festgesetzt wird oder die Finanzbeamten den Fall persönlich prüfen müssen. So wie die aktuelle Software arbeite, lasse die Steuerverwaltung systematisch einige Sachverhalte ungeprüft, wenn bestimmte Wertgrenzen nicht erreicht werden. Und verstoße damit gegen ihre gesetzliche Pflicht, zumindest die Plausibilität der Steuererklärungen zu prüfen.

Der Bundesrechnungshof sieht deshalb weiterhin großen Handlungsbedarf zur Verbesserung des Steuervollzugs. Er empfiehlt die grundlegende Vereinfachung des Steuerrechts und regt für die Arbeitnehmerbesteuerung insbesondere eine Neuordnung des Werbungskostenabzugs an. Wie das Gutachten nämlich ebenfalls zeigt, werden z.B. Entfernungsangaben in einem Großteil der Fälle ungeprüft durchgewunken, obwohl sie oft viel zu hoch seien. Den Steuerzahler, der damit durchkommt, mag es freuen, doch mit einem gesetzeskonformen und gerechten Vollzug der Steuergesetze hat das leider nichts zu tun.

(masi)