Tauschgeschäfte in den Teppichetagen
Noch nie gab es in den ersten drei Monaten eines Jahres so viele Managementwechsel in der deutschen IT-Branche wie in diesem Jahr. Zumindest die gefühlte Häufigkeit liegt auf einem neuen Rekordhoch.
- Damian Sicking
Lieber Peter Herrendorf, Geschäftsführer der Personalberatung Ray & Berndtson,
in einem Zeitungsartikel forderte der BWL-Professor Christian Scholz von der Universität des Saarlandes unlängst: "Das 21. Jahrhundert braucht einen neuen Typ von Manager." (Süddeutsche Zeitung vom 31. 12. 2008, S. 22). Immer mehr Unternehmen auch aus der IT-Branche schließen sich der Meinung des Gelehrten an, allerdings in einem anderen Sinne als von Scholz gemeint. Sie ersetzen ihre Leute an der Spitze immer schneller und häufiger durch neue Kräfte, weil die alten nicht mehr können, sollen oder wollen. Es ist wirklich erstaunlich, welche Personalbewegungen in der IT-Branche in Deutschland allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2009 bereits stattfanden. Hier mal eine Auflistung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
- Nachdem Doris Albiez als neue Channel-Chefin zu IBM ging, folgte ihr wenige Wochen der ehemalige HP-Manager Stephan Wippermann nach. Wippermann übernimmt das Partnergeschäft von Big Blue auf europäischer Ebene.
- Komplettumbau an der Spitze des Value-Added-Distributors Magirus in Stuttgart. Nach dem bereits zum Jahresbeginn DACH-Geschäftsführer Erik Walter sein Büro räumte, gingen wenig später auch die Vorstandsmitglieder Axel Feldhoff und Claus Niedworok von Bord.
- Auch beim Magirus-Konkurrenten DNS in Fürstenfeldbruck herrschte eifriges Stühlerücken. Erst gab Deutschland-Chef William Geens seinen Hausschlüssel ab, kurze Zeit später packten auch die Vorstände Manfred Moullion und Kurt Schöffer ihre Koffer.
- Nach vier Jahren auf dem Chefsessel beim Hardware-Hersteller Transtec scheidet Ertu Uysal aus dem Unternehmen aus.
- Sechs Jahre war er Geschäftführer beim Distributor api, jetzt wechselt Torsten Belverato in gleicher Position zum Konkurrenten b.com.
- Job-Rotation bei FSC: Der bisherige Deutschland-Chef Hans-Dieter Wysuwa übernimmt das Channel-Geschäft in Europa und übergibt die Deutschland-Flagge an seinen Kollegen Bernd Wagner.
- Der ehemalige FSC-Manager Sven Rathjen wird neuer Zentraleuropachef von Western Digital und damit Nachfolger von Peter Edinger, der kurz zuvor von Bord gegangen war.
- Skurrile Achterbahnfahrt in der Führungsetage beim Braunschweiger Distributor Devil: Nachdem die beiden Vorstände Axel Grotjahn und Torsten Matthies auf Drängen der niederländischen Muttergesellschaft Nedfield/Tulip von ihren Ämtern zurücktraten, übernahmen sie nur eine Woche später wieder das Kommando.
- Der langjährige Deutschland-Chef von Acer, Oliver Ahrens, packt die Koffer und zieht nach China, wo er neuer Landeschef für Acer wird.
- Überraschung aus München und Osnabrück: Nachdem Broadliner Tech Data im vergangenen Jahr seinen TK-Ableger Brightstar wegen Erfolglosigkeit in Deutschland wieder vom Markt nahm, startet er jetzt einen zweiten Versuch mit prominentem Vorkämpfer: Axel Grellhorst, ehemaliger Vorstandschef des TK-Distributor NT plus, übernimmt den Auftrag, das Deutschland-Geschäft von Brightstar aufzubauen.
- Navi-Hersteller TomTom muss sich derzeit mit Microsoft und dem schlechten Absatz herumschlagen. Stefan Kuehn, langjähriger Vice President Central & Eastern Europe, hat das Unternehmen verlassen. Sein Job wurde von Nuno Campos übernommen. Er sitzt bei TomTom in München und berichtet an den ebenfalls neuen Commercial Director EMEA, Diederik Nederlof.
- Marc Fischer, Deutschland-Chef von Lenovo, geht nach sechs Jahren von Bord. Die Chinesen strukturieren um, der Job von Fischer wurde überflüssig. Fischer war 2003 von HP zum chinesischen PC-Hersteller gestoßen.
Soweit die aus Channel-Sicht prominentesten Managementwechsel in der IT-Branche in Deutschland allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres. Und die Liste ist ganz gewiss nicht vollständig. Eine ganze Reihe dieser Personalwechsel war nicht geplant. Und wir werden in den kommenden Wochen und Monaten weitere erleben. Oft sind sie direkte Folge der Krise. Bereits im Januar dieses Jahres sagten Sie, lieber Herr Herrendorf, in einem Zeitungsartikel: "Nicht jeder Manager ist zu jeder Zeit der richtige. Es wird in nächster Zeit sicher vermehrt zu personellen Veränderungen an den Konzernspitzen kommen, die nicht geplant waren."
Genau das ist inzwischen eingetreten. Ob es unter den neuen Managern immer besser läuft, muss sich erst noch erweisen.
Beste Grüße
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