Verloren im Belehrungsdschungel

Deutsche Online-Shops können derzeit kaum rechtskonform betrieben werden, da sie Kunden nicht vorschriftsmäßig über das Widerrufsrecht belehren können. Eine neue Muster-Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums soll Abhilfe schaffen.

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Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Ein transparentes und für den Verbraucher verständliches Muster einer Widerrufsbelehrung für den Internethandel schaffen: Mit diesem Ziel veröffentlichte der Gesetzgeber Anfang 2002 die "Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht" (BGB-InfoV). In deren Anlage findet sich jeweils ein Muster für eine Widerrufs- und eine Rückgabebelehrung. Wer also diese staatlich formulierte Vorgabe nutzte, wähnte sich auf der sicheren Seite und rechnete kaum damit, genau deshalb Opfer von kostspieligen Abmahnungen zu werden.

Doch bei der Analyse dieser Vorgabe fanden die Juristen schnell erhebliche Schwächen und Unklarheiten. Umstritten sind dabei der Beginn und die Dauer der Widerrufsfrist. Probleme gibt es insbesondere bei der Online-Auktionsplattform eBay. So entschied etwa das Kammergericht Berlin Ende 2006 (AZ.: 5 W 295/06; PDF), dass dort die Standardfrist von zwei Wochen nicht gelten solle. Vielmehr betrage die Frist einen Monat "ab Erhalt einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung".

eBay unterstützt seine gewerblichen Verkäufer derzeit mit einem eigenen Muster-Belehrungstext, allerdings ohne Gewähr.

Erklärt wird dies damit, dass eine Widerrufsbelehrung dem Verbraucher zwar schon vor Vertragsschluss zugänglich gewesen sei. Diese sei jedoch "keine Widerrufsbelehrung in Textform", die dem Verbraucher "mitgeteilt" werde. Die Belehrung werde dem Verbraucher dort vielmehr lediglich "zur Verfügung gestellt", was nicht ausreichend und daher rechtswidrig sei.

Dies hatte zur Folge, dass jene eBay-Händler, die die vom Gesetzgeber vorgegebene Formulierung verwendet hatten, von Mitbewerbern wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht abgemahnt werden konnten. Damit nicht genug, waren auch weitere Formulierungen der Mustervorgabe Anlass für Gerichtsverfahren.

Wie kaum anders zu erwarten, ließen sich Abmahnanwälte nicht zweimal bitten. Für sie spielte keine Rolle, dass andere Gerichte zum Teil völlig entgegengesetzt zum Berliner Kammergericht entschieden hatten. Wegen des sogenannten "fliegenden Gerichtsstandes", der bei Internet-Angelegenheiten Anwendung findet, können sich Abmahner jenes Gericht aussuchen, bei welchem sie mit höchster Wahrscheinlichkeit gewinnen.

Nachdem inzwischen selbst im E-Commerce versierte Anwälte kaum mehr in der Lage sind, einen abmahnsicheren Online-Shop zu gestalten, sieht nun endlich auch der Gesetzgeber Anlass für eine Überarbeitung seiner Vorgaben. Das Bundesjustizministerium erkannte nämlich "erhebliche Verunsicherung" bei den betroffenen Wirtschaftskreisen.

Deshalb legte das Ministerium jüngst den "Entwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung" (PDF) vor. Tatsächlich nimmt dieser Entwurf viele der Kritikpunkte der Gerichte und der juristischen Literatur auf und bietet zum Teil klare Regelungen für bisher umstrittene Punkte, etwa für die Frage nach dem Beginn der Widerrufsfrist.