Warnschuss für die Konkurrenz

Die meisten Händler kennen Abmahnungen nur aus der Empfänger-Sicht. Doch wie geht man eigentlich selbst gegen einen Wettbewerbsverstoß vor?

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Um sich eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes einzuhandeln, genügt schon ein kleiner Fehler. Kein Wunder also, dass Abmahnungen zum Alltag von Händlern gehören. Doch die meisten kennen das Thema tatsächlich nur aus der Empfänger-Sicht. Doch wie soll man sich eigentlich selbst verhalten, wenn man von einem Wettbewerber geschädigt wird? Eine Mail schreiben? Oder gleich den Anwalt einschalten? Rechtsanwalt Max-Lion Keller beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Nehmen wir einmal an, mir stößt die Werbeaussage eines Konkurrenten sauer auf, weil ich weiß, dass er den Kunden belügt. Reicht das für eine Abmahnung aus oder muss der Verstoß auch mich bzw. mein Geschäft direkt betreffen?

Keller: Richtig, der Abmahner muss hinsichtlich Angebot und Absatzmarkt in einem Konkurrenzverhältnis mit dem Gegner stehen. Konkret ist das der Fall, wenn beide Händler vergleichbare Waren an vergleichbare Kundenkreise vertreiben, also etwa bei zwei Sportartikelhändlern, die ihre Ware über das Internet an Endabnehmer verkaufen.

Rechtsanwalt Max Lion Keller

Max-Lion Keller ist Rechtsanwalt und Partner der IT-Recht Kanzlei München. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört u.a. die Beratung von Unternehmen beim Aufbau von rechtssicheren Online-Auftritten und Online-Shops, sowie juristisches Risiko- und Vertragsmanagement. Keller ist außerdem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für mehr Fairness im Internet e.V. – Fair-E-Com und Autor des "Lexikon für das IT-Recht 2009"

Sollte man im Falle eines Falles gleich die juristische Keule rausholen oder es nicht vielleicht zuerst doch einmal mit einer etwas verschärfteren E-Mail versuchen?

Keller: Diese Frage ist berechtigt, und da fangen auch schon die Probleme an. Grundsätzlich schadet es bei kleinen, versehentlichen Verstößen nicht, sich friedlich mit dem Mitbewerber zu einigen. Wer dagegen sofort mit Abmahnungen um sich wirft, kann sich auch schnell einen recht unschönen Ruf einhandeln – hierfür haben leider die Massenabmahner gesorgt. Und abgesehen davon kann man für eine vorschnelle Abmahnung auch "Retourkutschen-Abmahnungen" kassieren.

Andererseits ist es aber bei ganz offensichtlichen und absichtlichen Wettbewerbsverstößen eher zwecklos, den Konkurrenten erst noch auf seine Verstöße hinzuweisen – ihm ist ja wahrscheinlich ohnehin klar, was er da treibt. In solchen Fällen ist eine rasche Abmahnung das Mittel der Wahl, schon allein, um den unfairen Vorteil schnellstmöglich wieder auszugleichen.

Nehmen wir an, ich habe den Wettbewerber auf eine wettbewerbswidrige AGB-Klausel hingewiesen und er denkt nicht daran, sie zu ändern. Nun möchte ich ihn abmahnen. Brauche ich dafür unbedingt einen Anwalt oder kann ich eine Abmahnung – ähnlich wie die Mahnung bei einer Rechnung – einfach selbst schreiben?

Keller: Mit der Verfassung einer Abmahnung sollte ein Anwalt beauftragt werden – allein schon deshalb, weil eine Abmahnung nicht einfach nur ein böser Brief, sondern ein umfangreiches juristisches Dokument ist, das mit großer Sorgfalt erstellt werden sollte. Hinsichtlich Inhalt und Umfang eines Abmahnschreibens sind verschiedene Standards einzuhalten, ohne die die Abmahnung als solche unwirksam bzw. erfolglos wäre. Entsprechend wichtig ist es, bei einem konkreten Wettbewerbsverstoß einen Fachmann mit der Verteidigung der eigenen Rechte zu beauftragen, der dabei die entsprechende Sorgfalt walten lässt.

Welche Punkte muss eine Abmahnung beinhalten?

Keller: Neben den üblichen Geschäftsdaten müssen das Wettbewerbsverhältnis, der konkrete Verstoß und die verletzte Norm aufgezeigt werden. Darüber hinaus muss die Abmahnung die Drohung mit weiteren rechtlichen Schritten, eine Übersicht über die entstandenen Kosten und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beinhalten.

Muss eine Abmahnung zwingend unbedingt eine Unterlassungserklärung beinhalten?

Keller: Nicht zwingend, allerdings ist üblich, dass der Abmahner dem Abgemahnten eine Unterlassungserklärung vorformuliert.

Was ist, wenn der Händler bereit ist, den Fehler zu korrigieren, aber die Unterlassungserklärung nicht unterschreiben will. Kann ich ihn dazu zwingen?

Keller: Ja, in dem Fall ist es möglich, den Unterlassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen.

Was passiert, wenn der Wettbewerber gegen die Unterlassungserklärung verstößt?

Keller: In diesem Fall liegt eine Art Vertragsverstoß vor – die in der Unterlassungserklärung festgelegte Strafzahlung wird fällig und kann vom Abmahnenden direkt geltend gemacht werden. Das zieht zwar unter Umständen auch erneute juristische Streitereien nach sich, der Abgemahnte befindet sich dann aber in der Regel in der Defensive.

Mit welchen Kosten muss ich als Abmahnender rechnen?

Keller: Im Idealfall mit gar keinen Kosten, denn bei einer berechtigten Abmahnung werden die Kosten dem Gegner auferlegt. Übrigens: Auch wer sich nicht sicher ist, ob ein Konkurrent einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß begangen hat, sollte man einen Juristen befragen. Wenn am Ende wirklich kein Grund für eine Abmahnung vorliegt, wird in der Regel nur eine (in der Regel überschaubare) Erstberatungsgebühr fällig; dafür können im Rahmen dieser Beratung manchmal wertvolle Alternativen aufgezeigt werden. Und letztlich erkauft der Beratene sich so eine gewisse Sicherheit.

Händler sind keine Juristen und das Wettbewerbsrecht ist kompliziert. Wenn ich meinem Wettbewerber eine reinwürgen will, dann brauche ich seine AGB nur von einem guten Juristen durchwühlen zu lassen und werde sicher etwas finden, was abmahnfähig ist – oder?

Keller: Jein. Einerseits ist es möglich, dass der Wettbewerber sich mit juristischen Schutzpaketen vor einer Abmahnung abgesichert hat – in diesem Fall wird der beauftragte Anwalt nicht unbedingt fündig, bzw. den folgenden Rechtsstreit erledigt der Anbieter des Schutzpaketes für den Abgemahnten. Nicht selten bleibt der Abmahnende dann auf seinen Kosten sitzen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass eine mutwillige Abmahnung oftmals zu den bereits erwähnten Retourkutschen führt, das heißt, der Abgemahnte lässt seinerseits die Webpräsenz des Abmahnenden durchsuchen und revanchiert sich eben mit einer eigenen Abmahnung. Übrigens existiert ein ganz aktuelles Urteil des Landgerichts Hamburg, nach dem die "sachfremde" Abmahnung auch Schadensersatzpflichten für den Abmahner nach sich ziehen kann. Die Wahl dieses Mittels sollte sich daher auf echte, böswillige Wettbewerbsverstöße beschränken – in diesem Fall darf aber auch keinesfalls davor zurückgeschreckt werden.

In welchen Fällen sollte ich dann tatsächlich einen Wettbewerber abmahnen lassen?

Keller: Immer dann, wenn ein Konkurrent erkennbar vorsätzlich versucht, sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Wichtige Fälle wären hier: Irreführende Werbung, böswillige vergleichende Werbung, unlauteres "Abschöpfen" von Kundschaft oder auch gegnerische Verstöße gegen eigene Marken- bzw. Urheberrechte. In solchen Fällen ist eine Abmahnung ein hervorragendes Mittel, um den Gegner ohne langwierigen Rechtsstreit zur Ordnung zu rufen und weitere Verstöße zu verhindern. (masi)