Reise mit X: Elektromotorrad Zero DSR/X​ im Test

Der US-amerikanische Hersteller Zero verkauft eine schicke elektrische Reiseenduro, die sich in vielen Eckdaten eng an Verbrenner schmiegt. ​

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Zero DSR/X

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Nach der Energica Experia ist die Zero DSR/X die zweite große Reiseenduro mit Elektroantrieb. Zero hat sie nach ihrer Enduro-Reihe "DSR" benannt, die Plattform ist jedoch die der SR-Reihe, in der es bereits das Naked SR/F und den Sporttourer SR/S gibt. Obwohl grundsätzlich bekannt, hat Zero einige wichtige Änderungen vorgenommen, von denen man einige nicht gleich oder gar nicht sehen kann. Der Motor etwa ist umkonstruiert auf mehr Wicklungen und eine geringere Nenndrehzahl bei höherem Drehmoment (von 190 auf 225 Nm). Das reduziert Verluste und Geräuschemissionen und ermöglicht ein weniger radikales Übersetzungsverhältnis vom vorderen zum hinteren Pulley des Zahnriemenantriebs.

Der ist 5 mm breiter und 2,5 Mal so zugfest wie bei den SR-Modellen, er sollte also bei Gelände-Verschmutzungen weniger schnell reißen/abspringen. Zusätzlich hält ein Riemenschutz Steine vom Pulley fern. Für dauerhafte Offroad-Einsätze verkauft Zero wie bei den anderen Geländemodellen einen Umbausatz auf Kette, der beim Militär und bei Forstwirten recht beliebt ist. Für den hauptsächlichen Straßenbetrieb ist der Zahnriemen die wesentlich bessere Wahl. Zuletzt hat Zero den Energiegehalt auf 17,3 kWh brutto erhöht, wovon üblicherweise 15,2 kWh netto genutzt werden können.

Wenn man nicht um die Änderungen weiß: fast genau wie die Antriebe von SR/F und SR/S. Das ist ein Kompliment, denn diese Antriebe machen unheimlich Spaß, mit möglichen Beschleunigungen wie ein Superbike, jetzt in einer Reiseenduro. Die Unterschiede in Nenndrehzahl, Leistung und Drehmoment münden in sehr ähnlichen Drehmomenten am Rad. Es bleibt Zeros Besonderheit, dass dir das Motorrad alles gibt, was da ist. Es glättet die Technik nicht aus, wie es etwa Harley Livewire tut. Bedeutet: Wenn die Batterie voll ist, geht (im Modus "Sport") die Post ab wie bei kaum einem anderen Motorrad. Bedeutet aber auch: Schon in der Gegend 60 Prozent SoC wird der Leistungsabfall spürbar und bei 30 Prozent lässt die Leistung stark nach. Dass das nicht stärker auffällt, liegt hauptsächlich daran, dass die Zero richtig hernehmen sehr schnell sehr führerscheinverneinend wird.

Als die X zu mir kam, standen 137 km auf dem Reichweitenschätzeisen. Das ist Zeros Reichweitenangabe für die Autobahn. Wenn die Vortester Landstraße fuhren, haben sie also nicht getrödelt, dachte ich mir. Als ich fuhr, wählte ich in etwa das Tempo und die Strecken, die ich in etwa auch mit meiner kleinen Duke fahre, also kleine bis kleinste Sträßchen und einen Schnitt von um die 60 km/h. Die Duke verbraucht dabei rund 4,5 l auf 100 km. Wer damit nichts anfangen kann: Ein 60er-Schnitt ist auf kleinsten Sträßchen zügig-spaßig, aber nichts, mit dem man auf YouTube angeben könnte. Hier blüht das Konzept auf, wie so viele Tallrounder aus allen Produktionsjahren.

Angenehme Erinnerungen an Triumphs Tiger Sport 1050 wurden wach. Ich hielt öfter für Fotos, ich genoss die ganz langsamen Passagen, wenn das Windgeräusch am Helm aufhört und das darunterliegende Vogelgezwitscher freilegt wie eine Welle, die Muscheln am Spülsaum zurücklässt. Die Ergonomie passt im Stehen selbst Großen um die 2 Meter erstaunlich gut, die Rasten liegen tief, leider ist die normale Seriensitzbank viel zu niedrig selbst für mich mit normalen 180 cm. Wie BMW bietet Zero alternativ eine hohe Sitzbank an, die konnte die Presseabteilung bedauerlicherweise aufgrund eines Logistikproblems nicht schicken. Wir werden sie bei Gelegenheit nachtesten. Die zum Sitzen angenehm tiefen Rasten kommen mit dem Problem, dass sie vergleichsweise früh aufsetzen. Denken Sie eher an die (alte) Honda Transalp als an eine aktuelle BMW GS.

Die feine Antriebssteuerung passt besonders gut im langsamen Taumelbereich. Anders als bei echten, leichten Enduros wie der Zero[ ]FX oder der KTM Freeride E fällt das Fehlen des Kreiselstabilisators Hubkolbenmotor jedoch auf, wenn die Räder kaum noch drehen und damit nicht mehr stabilisieren. Das flexibel zu positionierende Körpergewicht des Fahrers hat einfach nicht mehr die Dominanz wie bei den leichten Springern. Man muss das Gewicht von 247 kg perfekt positionieren, da es sich an keinem Kreisel mehr abstützen kann, wenn die Räder sich kaum noch drehen. Wie die meisten schweren Reiseenduros fährt sich also auch die Zero am einfachsten mit ein bisschen Schwung durch kniffligere Passagen. Die Hauptsache sind jedoch kleine Landstraßen, und hier funktioniert die X sehr gut und macht Spaß wie andere Eisenschweine ihrer Gewichtsklasse. Mit Einstellungen per App, Bosch MSC, etwas unglücklich zu bedienendem Tempomaten und feiner Traktionskontrolle muss sie sich auch technisch nicht vor den Platzhirschen verstecken.

Zero DSR/X (12 Bilder)

Zum Design gehören eigentlich noch serienmäßige Handprotektoren. Die hat jedoch der Vortester versehentlich vernichtet.
(Bild: Clemens Gleich​)

Nach 68 km standen noch 48 Prozent auf der Batterieanzeige. Die Maschine meinte es also ernst mit ihren 137 km, und vielleicht war der Vorfahrer gar nicht besonders schnell gefahren. Bei der Messung kam ich auf 10,8 kWh/100 km (brutto), also in etwa den Durchschnitts-Wert der SR/S. Die ist zwar schnittiger, ich fuhr sie allerdings auch deutlich schneller. Ich würde sagen: 130 bis 160 km sind realistisch bei Fahren mit Freude bei entsprechend kleinen Sträßchen und deren niedrigem Schnitt, 15-80-Prozent-Ladeetappen liegen dann im Bereich 100 km oder weniger. Wer Gas gibt und Gepäck im Wind montiert, wird in die Richtung ein Prozent pro Kilometer tendieren. Man kann für weite Trips über den normalen Akkuhub hinaus wirklich voll laden (Anzeige steht dann auf "110 Prozent"), was die Situation minimal verbessert. Ich habe mit Zero-Fahrern gesprochen, die mir versichern, dass sie "immer über 200 km" kommen, hier stehen wir also vor dem altbekannten Umstand, dass Energieverbrauch weit aufschert.