Filmen im Doppelpack

Spätestens seit „Avatar“ ist 3D in aller Munde, die wichtigsten Standards sind verabschiedet und fast jeder TV-Hersteller hat erste 3D-TVs marktreif. Nur die Filme lassen noch auf sich warten. 3D-Pioniere filmen daher selbst.

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Lesezeit: 25 Min.
Von
  • Holger Scheel
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Auch wenn 3D im Kino bereits Standard ist: Hobbyfilmer mit 3D-Ambitionen gucken in die Röhre, wenn sie selbst in ordentlicher Qualität und zu erschwinglichen Preisen drehen wollen. Zu kaufen gibt es entweder Profikameras wie die AG-3DA1 von Panasonic oder die CP31 von 3D-One für 21 000 respektive 40 000 Euro – oder Geräte aus dem Anfängerbereich, die meist auf Fotos zugeschnitten sind und nur als Zusatzfunktion Videoaufnahmen bieten. Zu dieser Gerätegattung gehört die populäre Real 3D W1 von Fuji für 450 Euro. Deren Videoauflösung von 640 x 480 Bildpunkten entspricht allerdings nicht einmal Standard-Definition. Mit derselben niedrigen Auflösung arbeitet der auf der diesjährigen CES angekündigte Hochkant-Camcorder des taiwanischen Unternehmens DXG. Das Gerät soll Ende Juli in Asien auf den Markt kommen, einen deutschen Distributor hat man bislang nicht gefunden. Nur als Prototyp zeigte Aiptek auf der CeBIT seinen 3D-Camcorder i2: Er soll um 200 Euro kosten und immerhin 720p aufzeichnen. Die Bildfrequenz von 30 Hertz passt allerdings nicht so richtig ins 3D-Heimkino, der Einsatzzweck dürfte sich vorrangig auf die PC-Wiedergabe beschränken.

Was komplett fehlt, ist die Camcorder-Mittelklasse: Weder ambitionierte Amateure noch Industrie- oder Eventfilmer können derzeit eine Kamera im dort üblichen Preisbereich von 1500 bis 6000 Euro kaufen. Einige Hersteller wie 21st Century modifizieren zwar Mittelklasse-Camcorder für den 3D-Einsatz, die angebotenen Modelle sind jedoch fast ausnahmslos veraltet. Unser Selbstbau-Projekt zielt daher auf genau diesen Punkt: 3D in möglichst voller HD-Qualität zum bezahlbaren Preis.

3D-Kameras gibt es derzeit nur im Profi- (rechts: AG-3DA1 von Panasonic für 21ˇ000 Euro) und im Einsteigerbereich (unten: Real 3D W1 von Fuji für 450 Euro).

Während es bei Foto-Aufnahmen von unbewegten Objekten noch möglich ist, mit einer einzigen Kamera die beiden benötigten Perspektiven nacheinander einzufangen, muss ein 3D-Camcorder die Bilder fürs rechte und linke Auge zwingend gleichzeitig aufnehmen. Dafür werden normalerweise zwei Objektive und zwei Bildwandler benötigt, im einfachsten Fall also zwei komplette Kameras nebeneinander. Eine Ausnahme stellen Vorsätze wie der Nuview dar. Er verteilt die beiden Bilder mittels eines Shutters auf je ein Halbbild im Camcorder. Diese 3D-Interlaced-Technik hat zwei Nachteile: Die Bilder sind leicht ruckelig, denn statt 50 Bildern pro Sekunde stehen pro Auge nur noch 25 zur Verfügung. Außerdem geht in vertikaler Richtung die Hälfte der Auflösung verloren, jedes Halbbild hat ja – bei Full HD – nur 540 von 1080 Zeilen.

Ein weiterer möglicher Ansatz ist es, die beiden Bilder jeweils auf die halbe Breite zu stauchen und nebeneinander auf den Bildwandler zu projizieren. Einen entsprechenden Vorsatz haben wir jedoch nicht gefunden, einzig Canon zeigte vor Jahren einmal einen Prototyp. Zur Serienreife gelangte er nie. Auf ein ähnliches Prinzip setzt aber die Loreo 3D Lens in a Cap 9005: Dort nehmen zwei Spiegelsysteme die beiden Einzelbilder auf und bilden einen Ausschnitt nebeneinander auf dem Bildwandler ab. Das 3D-Objektiv ist unter anderem für Spiegelreflex-Kameras von Canon und Nikon erhältlich – viele neuere Modelle dieser Hersteller können auch Videos aufzeichnen.

Günstig-3D: Die Loreo 3D Lens in a Cap 9005 bringt die Bilder fürs rechte und fürs linke Auge nebeneinander auf den Bildwandler der Spiegelreflexkamera.

Weil die Bilder hier nicht gestaucht werden, geht das 16:9-Format verloren – notfalls lässt sich aber im Schnitt wieder ein Breitbildformat herstellen. Von der ursprünglichen HD-Qualität bleibt jedoch nur die Hälfte über, die 3D Lens in a Cap unterstützt zudem keinerlei Automatikfunktionen. Schärfe und Belichtung muss der Filmer von Hand einstellen, dabei ist er auf den Blendenbereich F16–F22 beschränkt. Allgemein kann die Bildqualität nicht wirklich überzeugen.

Gute Bildqualität zu amateurkompatiblen Preisen bieten derzeit nur Selbstbaulösungen mit zwei identischen Camcordern. Das entstehende Format – in der Fachsprache „3D Dual Stream“ genannt, also zwei unabhängige Datenströme – stellt eine wesentliche Bedingung: Synchronisation ist Pflicht. Das Bild fürs rechte Auge muss ja immer gleichzeitig mit dem Bild für das linke Auge aufgenommen und später auch dargestellt werden. Dieser Punkt ist daher auch gleich unsere erste Anforderung auf der Suche nach 3D-tauglichen Kameras. Um zwei Kameras zu einer gleichzeitigen Aufnahme zu bewegen, eignet sich im einfachsten Fall eine Fernbedienung. Sind die Kameras baugleich, reagieren sie ungefähr gleich schnell auf den Aufnahmebefehl. Bei den meisten Geräten sitzt der Sensor jedoch auf der Frontseite – da steht der Filmer schnell mit im Bild, außerdem fällt eine gleichzeitige Kontrolle schwer.

Schöner sind kabelgebundene Fernsteuerungen, die zwei Kameras gleichzeitig ansteuern und synchronisieren können. Zum Anschluss dient die gute alte LANC-Buchse, die allerdings nicht bei allen Camcordern an Bord ist. Panasonic und JVC haben sie noch nie verbaut, Canon stattet aktuell nur seine Topmodelle damit aus. Einzig LANC-Erfinder Sony hat die Steuerbuchse nie aufgegeben, sondern sie in seinen hauseigenen AVR-Anschluss integriert. Einige Hersteller von LANC-Fernsteuerungen haben darauf bereits reagiert und bieten ihr Equipment alternativ auch mit AVR-Kabel an. Für alle anderen gibt es zum Beispiel von Manfrotto Adapter, die mechanisch das LANC-Signal herausführen. Hierzulande bieten 3d-foto-shop.de oder Vidimensio solche LANC-Controller an, sie kosten rund 180 Euro. Aufwendigere Controller mit Display („LANC Shepherd“) sind unseres Wissens nur im Ausland erhältlich.

Unser ambitionierter Bauvorschlag: Zwei HDR-CX550-Camcorder von Sony, die per LANC-Controller synchronisiert werden.

3D-Aufnahmen funktionieren erst ordentlich, wenn die Bildeinstellungen für das linke und rechte Auge übereinstimmen. Für den Bildausschnitt – also den Zoom – übernimmt das die LANC-Fernbedienung, für den Bildlook dagegen nicht: Beide Kameras sollten mit den gleichen Werten für Weißabgleich, Blende und Fokus arbeiten. Weil man sich auf die Automatik meist nicht verlassen kann, sollten möglichst viele Werte manuell einstellbar sein. Das ist gar nicht so einfach: Beim Weißabgleich sind zwar Presets für Tages- und Kunstlicht üblich, Belichtung und Fokus müssen aber immer wieder ans Motiv angepasst werden. Nach unseren Erfahrungen gelingt das zwei gleichen Kameras in puncto Belichtung recht gut, beim Fokus hilft im Notfall die Einstellung „unendlich“. Bei der Auswahl der Kamera sollte man darauf achten, dass alle vorgenommenen Einstellungen auch nach dem Ausschalten erhalten bleiben.

Die Schärfe ist übrigens noch an einer zweiten Stelle problematisch: in der Tiefe. Je größer der Bildwandler und je niedriger der Blendenwert, desto kleiner wird der Bereich, in dem das Motiv scharf abgebildet wird. Im 2D-Kino ist das explizit gewünscht, hier erzeugt die Tiefen(un)schärfe einen schönen Raumeindruck und kann wichtige Bildinhalte hervorheben. Bei 3D ist dies oft kontraproduktiv: Unser Auge versucht bereits aus den 3D-Informationen im Bild einen Raum zu errechnen; von zu viel Tiefenunschärfe bei der Aufnahme wird es verwirrt. Für 3D dürfen deshalb Hilfsmittel wie ND-Filter im Schrank bleiben, Blendenwerte um die F8.0 sind gewollt. In Stein gemeißelt sind solche Regeln übrigens nicht: 3D-Meister James Cameron hat bei seinem Hit „Avatar“ beispielsweise mit (dezenten) Tiefenunschärfen experimentiert.

Kameras haben herstellungsbedingt immer leichte Abweichungen, sei es im Weißabgleich oder auch im Bildwinkel. Minimale Fertigungstoleranzen beim Einbau des Objektivs oder des Sensors können bereits zu großen Problemen führen. Sind beispielsweise die Aufnahmewinkel der Kameras nicht identisch, kann das schon zu einem deutlichen Höhenversatz führen, und der wiederum sorgt für fiese Kopfschmerzen. Das Perfide an einem solchen Höhenversatz ist, dass man ihn bei der 3D-Wiedergabe oft gar nicht bewusst wahrnimmt. Das Gehirn versucht, den physiologisch unmöglichen Bildeindruck so gut wie möglich auszugleichen. So sieht man zwar ein 3D-Bild – fühlt sich aber bereits nach wenigen Minuten unwohl. Dasselbe gilt übrigens für Helligkeits-, Farb- oder Bildausschnittsunterschiede.

Um also möglichst identische Camcorder-Paarungen zu finden, liegt es nahe, mehrere Geräte zu vergleichen. Findige 3D-Filmer schließen sich dafür zusammen: Bei zehn Geräten ist die Chance groß, dass sich fünf halbwegs passende Pärchen ergeben. Das Risiko auf der letzten möglicherweise nicht passenden Kombination sitzenzubleiben, muss allerdings jeder selbst tragen. Ein Anlaufpunkt für solche Paarungsaktionen ist beispielsweise das Stereoforum (www.stereoforum.org ).

Eine weitere Anforderung stellt das 3D-Filmen an die Kameras: ein Sucher. Viele aktuelle Camcorder haben für die Bildkontrolle lediglich ein Display – für einen 3D-Aufbau reicht das nicht. Weil beide Camcorder nebeneinander sitzen, lässt sich bei einem das Display nicht ausklappen – der Kameraabstand würde sonst zu groß. Bei der Aufnahme fehlt also die Rückmeldung, ob der Bildausschnitt gleich ist, die Aufzeichnung klappt oder der Akku reicht. Noch weniger geeignet sind Kameras, die auch bei der Bedienung ganz auf den (Touchscreen-)Bildschirm setzen: Damit lässt sich der eine Camcorder faktisch nicht mehr verwenden, denn für jede Veränderung des Weißabgleichs oder des Schärfepunkts müsste die Kamera abgebaut werden.

Zumindest in der Theorie können zwei Kameras mit Sucher ein weiteres Problem lösen: die Kontrolle der 3D-Aufnahme direkt beim Dreh. „Echte“ 3D-Bildschirme, die aus zwei Videosignalen eine räumliche Darstellung berechnen, sind ziemlich teuer und vor allem nicht mobil. Sind die Kameras jedoch im Augenabstand des Filmers montiert, kann bereits die Kombination der beiden Sucherbilder für die 3D-Kontrolle reichen. Eine Alternative wären sogenannte Head-Mounted-Displays oder zu Deutsch: Videobrillen. Viele passende Geräte gibt es jedoch nicht auf dem Markt, eine Möglichkeit wäre die Vuzix VR920 mit zwei Videoeingängen. Bei Fernsteuerungen mit AVR-Schnittstelle müssen die nötigen Videoanschlüsse allerdings extra herausgeführt werden. Bei älteren Camcordern, die einen Digitalvideostrom per USB oder Firewire ausgeben, kann man auch ein Notebook als Sichtgerät verwenden: Die Windows-Software Stereoscopic Multiplexer kann zwei Live-Videosignale stereoskopisch an den Stereoscopic Player weitergeben; der sie dann wiederum für Anaglyphen-Brillen oder auch – bei kompatiblen Notebooks – für Shutterbrillen aufbereitet. Bei aktuellen, dateibasierten AVCHD-Camcordern funktioniert der Multiplexer leider nicht – dafür konnten wir ihn zum Betrieb mit zwei einfachen USB-Kameras überreden. Damit kann man zwar vermutlich keinen Avatar-Nachfolger drehen, aber zum Herumexperimentieren reichts allemal.

Die dritte Anforderung hat weniger mit Technik zu tun, sondern betrifft eher unsere Anatomie: Am natürlichsten wirken 3D-Bilder, wenn die Optiken etwa im selben Abstand zueinander sitzen wie unsere Augen. Bei den meisten Menschen sind das Werte zwischen 60 und 65 Millimetern, die damit auch gleichzeitig das Maximum für die Gehäusebreite der Kamera sind. Geräte wie Sonys neue HDR-AX2000 oder Canons beliebte XH A1 sind schlichtweg zu groß für 3D – es sei denn, man benutzt teure und aufwendige Konstruktionen mit halbdurchlässigen Spiegeln.

Zu beachten sind je nach Modell auch die seitlichen Anschlüsse und Bedienelemente: Liegt die Aufnahmetaste oder der AVR/LANC-Anschluss ungünstig an der breitesten Stelle der Kamera, wird die kleinste mögliche Stereobreite zwangsläufig größer.

Unser preisgünstiger Bauvorschlag: Zwei Zx1-Kameras von Kodak – die Aufnahme wird per Infrarot-Fernbedienung gestartet.

Aktuell erfüllen nur wenige Kameras unsere Kriterien HD-Qualität, Remote-Anschluss, Sucher, maximal 7 Zentimeter Gehäusebreite und Fixiermöglichkeit von Weißabgleich und Fokus. Bei Canons Topserie HF-S scheitert es an der Gehäusebreite: Unter 7,5 Zentimetern gibt es kein Modell. Die kleinere HF-M und HF-R besitzen dagegen keinen Sucher und scheiden deshalb aus. JVC und Panasonic bieten wie erwähnt keinen Remote-Anschluss, bleibt nur noch Sony: Die Festplatten-Cam HDR-XR500 liegt mit 7,1 Zentimetern gerade eben über der Maximalbreite, bietet dafür jedoch vergleichsweise viele externe Bedienmöglichkeiten. Der HDR-CX505/520 fehlt dagegen der Sucher, am besten passt daher das neue Topmodell mit Flash-Aufzeichnung: Die HDR-CX550 (1200 Euro) besteht alle Kriterien für einen sinnvollen 3D-Aufbau. Einzig die Ausführung des Suchers ist nicht ganz perfekt, er ist nur wenig ausziehbar und nicht klappbar. Damit sitzt die Nase immer recht nahe an der Kamera.

Wer nicht so viel ausgeben will, kann erst einmal mit unserem Low-Budget-Bauvorschlag experimentieren: Zwei Zx1-Minicamcorder von Kodak (je 60 Euro) erfüllen durchaus ihren Zweck. Die Aufnahme lässt sich synchron mit der als Zubehör erhältlichen Infrarot-Fernbedienung starten, die Kameras sind so schmal, dass man auf eine Stereobreite von nur 5,5 Zentimetern kommt – für Makroaufnahmen reicht das zwar nicht, dennoch ist man beim Filmen so recht flexibel. Anders als bei anderen Minikameras gibt es zudem kein störendes Ausklapp-Display. Manuell einstellen lässt sich hier allerdings nichts, weshalb man sich darauf verlassen muss, dass die Automatiken des Kamerapärchens einigermaßen ähnlich agieren. Der Gleichlauf war bei unseren Testgeräten recht ordentlich: Bei einer per Fernbedienung gestarteten fünfminütigen Testaufnahme liefen die Bilder nicht merklich auseinander. Allerdings reagierten die Kameras nicht genau gleichzeitig auf das Startsignal der Fernbedienung – die Differenz von einem Frame ließ sich aber leicht im Schnittprogramm beheben.

Bezeichnung
Bezeichnung Preis
Ambitionierte Variante
2 Camcorder Sony HDR-CX550 2 x 1200 €
Stereoschiene 10 €
Videoneiger Manfrotto 501HDV 150 €
Dreibeinstativ Manfrotto 547B 220 €
LANC-Controller 180 €
= 2960 €
Preisgünstige Variante
2 Camcorder Kodak Zx1 2 x 60 €
passende Fernbedienung 18 €
Stereoschiene 10 €
einfaches Dreibeinstativ mit Neiger und Libelle 30 €
= 178 €

Unsere Augen schauen nicht immer in dieselbe Richtung: Kommt man einem Objekt näher, beginnt man automatisch leicht zu schielen. Diese biologische Eigenheit führt zu heißen Diskussionen unter 3D-Enthusiasten: Müssen die Kameras parallel (plan) montiert werden oder sollen sie ebenfalls leicht schielen? Und wenn ja, muss sich der Winkel mit dem Abstand zum Motiv ändern? Und gehört nicht auch die Brennweite der Kamera mit in diese Rechnung?

Mit 3D-Schienen (links) kann man lediglich die Stereobasis einstellen – andere Korrekturmöglichkeiten wie im Profi-Bereich (rechts ein Modell von 3D Experience [3]) gibt es hier nicht.

Die ultimative Antwort haben wir auch nicht. Wir wissen nur: Bevor man den Schielwinkel ausgerechnet und eingestellt hat, ist das zu filmende Motiv meist weggelaufen – plan montierte Kameras dürften daher für Amateure schlichtweg die pragmatischere Lösung sein, nur bei absoluten Nahaufnahmen scheint uns das Schielen sinnvoll. Das sehen auch die meisten Hersteller so: Fuji und Aiptek setzen bei der Finepix Real 3D W1 und der i2 auf zwei plan nebeneinander liegende Optiken, erst bei den Profi-Kameras ist der Winkel einstellbar. Die gilt auch bei den sogenannten Stereo-Schienen: Professionellere Varianten in der Preisklasse von 6000 Euro können die Stereobasis samt Schielwinkel mechanisch sauber anpassen. Einsteigerplatten zum Beispiel von Foto Brenner sind dagegen meist umgebaute Zubehörschienen. Damit lässt sich zwar der Abstand je nach Modell von 6 bis 17 Zentimeter verändern (17 Zentimeter oder mehr für Landschaftsaufnahmen), eine Höhenkontrolle oder Parallaxeneinstellung erlauben sie aber nicht.

Schon leichte Fertigungstoleranzen führen zu unterschiedlichen Aufnahmewinkeln der Kameras. Ein kleiner Papierstreifen sorgt für gerade Bilder.

Für unseren Aufbau haben wir uns für eine Stereo-Schiene aus dem Mikrofon-Bereich entschieden. Eine zweite Schiene direkt dahinter dient zur zusätzlichen Stabilität und zum Kontern. Umgebaute Zubehörschienen aus dem Fotohandel werden zwar für den Stereo-Einsatz beworben, doch bereits rein mechanisch sind sie aufgrund ihrer geringen Verwindungssteife dafür weniger geeignet. Perfekt wäre eine noch größere Schiene – wer einen Dreher kennt, kann ja dort einmal nachfragen.

Alles zusammen gehört auf ein stabiles Stativ, denn dieses muss ja das Gewicht von zwei Kameras samt Zubehör tragen. Wir wählten den vergleichsweise großen 501HDV-Videoneiger samt 547-Beinen von Manfrotto. Prinzipiell funktioniert natürlich auch jeder andere Neiger, der Kameras mit etwa zwei Kilogramm Gewicht aufnehmen kann. Für Landschaftsaufnahmen sollte er jedoch wie unser Manfrotto-Kopf über eine Libelle verfügen – die zeigt, ob alles in Waage ist. In der Hand tragen sich die beiden montierten Geräte übrigens schlecht, eventuell könnte hier ein Griff zum Unterschrauben am Neiger helfen.

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Tipps fürs Filmen in 3D

Alles anders: Beim Filmen in 3D muss man umdenken. Hier ein paar grundlegende Tipps:

  • Nicht im Telebereich filmen! Je weiter gezoomt wird, desto größer ist die Chance, dass der Bildausschnitt nicht mehr stimmt. Abgesehen davon nimmt der 3D-Effekt ab.
  • Die variable Schiene nutzen! Wer auf opulente Landschaftsaufnahmen steht, wird beim korrekten Augenabstand von rund 6,5 Zentimetern enttäuscht, damit wirken Totalen recht unspektakulär. Je nach Schiene sind bis zu 17 Zentimeter möglich, und die dürfen in diesem Fall auch genutzt werden. Nicht vergessen: Nach jedem Verschieben müssen die Kameras vertikal justiert werden. Per Sucher beide Kameras zu kontrollieren geht bei so großen Abständen allerdings nicht mehr.
  • Tonakzent bei der Aufnahme! Es muss ja nicht gleich die klassische Filmklappe sein, ein kurzes Zungenschnalzen reicht völlig. Damit ist man auf der sicheren Seite, wenn bei der Kamerasynchronisation doch einmal etwas schief laufen sollte.
  • Nicht ausschalten! Nach dem Ausschalten setzen die meisten Kameras ihre Einstellungen auf Automatik zurück. Der Standby-Modus tut es zum Stromsparen genauso, danach wachen die meisten Kameras wieder auf – mit den alten Einstellungen.
  • Stativ verwenden! Ein 3D-Film ist für die Zuschauer grundsätzlich anstrengender als konventionelle Flach-Videos. Wenn dazu noch Bildwackler kommen, sind die Zuschauer schnell überfordert. Ein Stativ schont Nerven und Handgelenke.
  • Ton in Surround! Zu echtem 3D gehört natürlich auch ein Ton mit Rauminformationen. Viele Kameras können bereits in Surround aufnehmen, diese Möglichkeit sollte man hier auch nutzen. Für den Filmer hinter der Kamera heißt das natürlich: Mund halten …
  • Keine schnellen Schnitte! 3D-Szenen werden nicht so schnell vom Gehirn erfasst wie konventionelles 2D. Daher gilt: längere Einstellungen verwenden.

Relativ wichtig ist die Anpassung der Kameras: Leichte Toleranzen in der Fertigung sowie bei der Montage auf der Videoschiene können den 3D-Effekt schnell stören. Am einfachsten erscheint uns der Zusammenbau, wenn beide Kameras beim Festschrauben der Stereoschiene nebeneinander auf ihrem Objektiv stehen. Danach ist Feintuning angesagt: Beide Kameras werden per HDMI am gleichen Bildschirm angeschlossen und mit gleichen Einstellungen beurteilt. Für den wichtigen vertikalen Bildausschnitt dient am besten ein Gitter oder zumindest eine Linie. Auf unserer einfachen Stereo-Schiene sind kleine Korrekturen nur mit kleinen Stofffetzen oder dazwischen geklemmten Papierschnitzeln möglich. Wir hatten mit unseren Kameras Glück: Ein 10-Cent-Stück auf der zweiten Schiene hob die Kameras ziemlich genau in die richtige Höhe.

Für einfache Korrekturarbeiten reicht die kostenlose Windows-Software StereoMovie Maker.

Sind die Aufnahmen im Kasten, geht es weiter mit der Bearbeitung. Einfache Aufgaben wie die manuelle Synchronisierung der beiden Ansichten oder die Korrektur von leichten Höhenfehlern lassen sich im kostenlosen, aber sehr spröde zu bedienenden StereoMovie Maker lösen. Sobald man es mit mehr als einer Handvoll Szenen zu tun hat, sollte man tunlichst zu einem echten Schnittprogramm greifen. Diese werben zwar seit Jahren mit „3D-Funktionen“ – gemeint ist damit aber meist etwas anderes: Effekte und Titel können virtuell in drei Ebenen platziert werden. Mit Stereoskopie, also echten getrennten Informationen für beide Augen, hat das nichts zu tun. Für 3D-Filme benötigt man dagegen die Möglichkeit, zwei Dateien gleichzeitig zu importieren, zu bearbeiten und wieder auszugeben. Eine Vorschau des 3D-Effekts sowie eine Ausgabe in verschiedenen 3D-Formaten wären natürlich das Tüpfelchen auf dem i.

Im Prinzip lässt sich jedes Schnittprogramm, das zwei gekoppelte Videospuren gleichzeitig bearbeiten kann, für 3D verwenden. Das Problem ist aber nicht die Bearbeitung, sondern der Export: Ausgabeformate wie Side-by-Side und Top-and-Bottom lassen sich nur fummelig als Videotrick zusammenbasteln. Dual-Stream ist oft noch umständlicher: Wenn das Schnittprogramm Spuren nicht einzeln deaktivieren kann, muss man erst eine Spur löschen, den Film ausgeben, das Projekt wieder einladen, die andere Spur löschen und wieder ausgeben.

Komfortable 3D-Bearbeitung ohne zusätzliche Plug-ins unterstützen nur die Profi-Programme Media Composer von Avid (2250 Euro) sowie After Effects von Adobe (1300 Euro). Auch das auf dem FXFactory-Framework basierende Final-Cut-Plug-in 3D Toolbox von Tim Dashwood ist mit 350 US-Dollar kein wirkliches Schnäppchen.

Vielversprechend sieht das Premiere- und After-Effects-Plug-in LumaChroma-3D aus. Testen konnten wir das vom Künstler und Programmierer gl.tter auf seiner Website vorgestellte Plug-in jedoch nicht – es steht noch nicht zum Download beziehungsweise Kauf bereit, schrieb uns der Entwickler.

Auf dem Mac erweitert Tim Dashwoods 3D-Toolbox das Schnittprogramm Final Cut um 3D-Schnitt.

Überzeugt hat uns das kostenlose Plug-in Make 3D von Medtron. Es erweitert die Schnittsoftware Sony Vegas um eine Reihe von 3D-Funktionen und kennt auch HD-Formate. Nach der Installation ist Make 3D unter „Tools/Extensions“ zu finden; dort sollten drei zusätzliche Menüpunkte auftauchen. Der Einfachheit halber empfiehlt Medtron, diese zusätzlich entweder in die Toolbar oder als Tastaturkommando aufzunehmen. Bei Vegas geht das über die Menüpunkte „Customize Toolbar“ oder „Customize Keyboard“. Als weitere Vorbereitung sollte ein Verzeichnis für die 3D-Daten erstellt werden; zur besseren Performance legt man es auf eine eigene Videofestplatte. In diesem Verzeichnis werden zwei Unterordner angelegt, „LEFT“ und „RIGHT“. Hier hinein gehören vor dem Schnitt die originalen *.mts-Dateien unserer beiden Kameras. Wichtig: Mit der originalen AVCHD-Struktur kann Make3D nichts anfangen, nur die Clips aus dem „STREAM“-Ordner der Kameras dürfen kopiert werden. Wer keine .mts-Dateien verwendet, sondern zum Beispiel .m2t, kann den zu suchenden Dateityp in der Zeile „Video ext.“ der Make-3D-Oberfläche ändern.

Im nächsten Schritt werden Links- und Rechts-Daten zur Überprüfung kreiert („Create L R Data“). Dazu extrahiert Make 3D mit Hilfe von Vegas für jede Datei ein Vorschaubild. Von der wild blinkenden Timeline sollte man sich dabei nicht nervös machen lassen – es werden lediglich die Bilder erzeugt. Auch die mindere Qualität der Vorschau ist zweitrangig, sie dient nur der Übersicht. Sind alle Vorschaubilder angelegt, zeigt Make 3D sie über die Funktion „Verify Pairs“ an. Sollte beispielsweise ein Camcorder einmal nicht losgelaufen sein, würde das hier sofort auffallen.

Das Problem in diesem Fall: Die Nummerierung stimmt nicht mehr. Dann kopiert Make 3D alle erkannten und zusammengehörigen Clips nach Aufruf von „Renumber Clips“ in ein Arbeitsverzeichnis und nummeriert sie neu durch. Auch für ein weiteres Problem von Aufnahmen mit zwei Camcordern hat Make 3D eine Lösung: Gelegentlich kommt es dazu, dass die Kameras unterschiedlich schnell auf den Auslösebefehl reagieren. Dazu bietet die Software an, nach einem Click zu suchen, den man vor Ort zum Beispiel mit einer Klappe aufgenommen hat. Wer sich sicher ist, dass alle Clips stimmen, wählt stattdessen „Sync align bypass“.

Das kostenlose Plug-in Make 3D macht das Sony-Schnittprogramm Vegas fit für 3D. Der Screenshot zeigt den Ausgabedialog.

Damit sind alle Vorbereitungen abgeschlossen und eine 3D-Timeline kann mit „Create New 3D Timeline“ erzeugt werden. Welche Clips in die Timeline kommen, entscheidet ein einfacher Mausklick im Auswahlfenster links. Wer mag, kann hierbei schon auf die richtige Reihenfolge achten und muss später in der Timeline nicht mehr umsortieren. Auch das 3D-Ausgabeformat wird an dieser Stelle festgelegt. Für beste Qualität wäre eigentlich die Dual-Stream-Ausgabe wünschenswert. Doch damit ist die Vorschau recht problematisch, denn Vegas addiert im voreingestellten Maskierungsmodus zwei übereinanderliegende Clips in der Helligkeit. Einfacher ist es, zunächst mit klassischem Side-by-Side 2:1 zu arbeiten, also mit gestauchten, nebeneinanderliegenden Clips.

Für die Schnittvorschau in 3D eignet sich die Cinemizer-Videobrille an einer passenden Videokarte mit Composite-Ausgang.

Auch an einer zweiten Stelle kann es sinnvoll sein, zumindest beim Schnitt auf die volle Qualität zu verzichten: Vegas muss zum Abspielen der 3D-Clips gleichzeitig zwei Full-HD-AVCHD-Dateien dekodieren und jeweils nach Side-by-Side skalieren. Dabei gehen auch schnelle Rechner in die Knie. Wer vorher seine Dateien in HDV (1440 x 1080, MPEG-2) umrechnet, kann deutlich entspannter schneiden.

Side-by-Side löst nebenbei auch das Problem der 3D-Vorschau im Schnitt. Schließlich möchte man ja gerne die Tiefenwirkung so früh wie möglich kontrollieren können. Vegas kann dazu einige Video-Karten ansteuern, unter anderem von AJA oder Decklink. Sie verfügen über analoge Ausgänge im FBAS-Format, an die beispielsweise die Cinemizer-Videobrille von Zeiss passt. Dann sinkt zwar durch die Skalierung auf SD die Auflösung, der 3D-Effekt ist jedoch perfekt. Andere denkbare PC-Lösungen wie Nvidias 3D-Vision-Shutterbrille konnten wir unter Vegas nicht zu einer 3D-Darstellung überreden.

Was sich recht schnell als Stiefkind der 3D-Bearbeitung herausstellt, sind alle Veränderungen, die über einen Hartschnitt hinausgehen. Da wären zum Beispiel die Titel: Obwohl heutzutage jede 50 Euro-Software mit 3D-Titeln wirbt, erzeugen sie allesamt keine echten Rauminformationen – schräg gestellte Schatten oder verschieden große Umrisse mögen auf 2D-Bildschirmen eine Raumillusion bieten, auf stereoskopischen Displays aber keineswegs. Eine weitere Einschränkung: Überblendungen wirken mit 3D-Dateien unnatürlich, weil die helleren Bildteile immer früher zu sehen sind als die dunklen. Für eine echte 3D-Überblendung müssten aber alle Rauminformationen gleichzeitig sichtbar sein.

In puncto Export gibt es ebenfalls noch einige Einschränkungen. So lassen sich selbstgemachte Videos bislang nicht im MVC-Format ausgeben, wie es beispielsweise auf 3D-Blu-rays (Ausgabe per HDMI 1.4) genutzt wird. Als Übergangslösung empfiehlt es sich, die eigenen 3D-Filme in Side-by-Side oder Top-Bottom auszugeben – die bislang von uns getesteten 3D-Fernseher erkennen diese Formate zwar nicht automatisch, unterstützen sie aber nach manueller Umstellung.

Zusätzlich sollte man eine Dual-Stream-Variante mit voller Auflösung abspeichern – eine Software, mit der man diese ins MVC-Format konvertieren kann, kommt bestimmt. Anders als 3D-TVs können Software-Player wie Peter Wimmers Stereoscopic Player – auf diesem Programm basiert auch Nvidias 3D Vision Video Player – Dual-Stream-Videos abspielen. Zur Not lassen sich die Aufnahmen auf konventionellen Monitoren mit Anaglyph-Pappbrillen begutachten. Um Welten besser sind aber echte 3D-Monitore [1] , und deren Preise sinken ebenfalls.

Wer 3D-Filme drehen will, muss viel beachten – und auch vieles vergessen, was er beim 2D-Filmen gelernt hat. Echte Pionierarbeit also: Nicht nur die Zusammenstellung des Kamerapaars ist trickreich, sondern auch das Filmen selbst – steht beispielsweise das Stativ nur minimal schräg, kann man gleich noch mal von vorne anfangen. Noch mehr Hindernisse gilt es in der Bearbeitung zu überwinden, zumindest bis die Hersteller echte 3D-Funktionen in ihre Schnittprogramme integrieren.

Dass das Ganze nicht so einfach ist, kann man bei einigen sogenannten professionellen 3D-Filmen im Kino erleben: Offensichtliche Fehler bei Aufnahme oder Bearbeitung sorgen oft genug für Knoten im Hirn. Dass es noch keine festen Regeln für 3D-Filme gibt, macht es dafür aber auch umso spannender. Schließlich kann man es ja selbst besser machen – und sich so an der Suche nach einer neuen Bildsprache beteiligen. Wenn Ihnen unsere Anregungen geholfen haben, ein eigenes 3D-Video zu produzieren, freuen wir uns über eine E-Mail an jkj@ct.de .

[1] Stefan Porteck, Tiefenwirkung, 120-Hz-Monitore für 3D-Anzeige mit Shutterbrille, c’t 7/10, S. 120

[2] Jan-Keno Janssen, Ganz alt, aber neu, Digitaltechnik lässt 3D boomen, c’t 15/09, S. 80

[3] 3D-Schienen zur Korrektur im Profibereich siehe z.B. das Beispiel von 3D Experience

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3D-Ausgabeformate

Die vielen 3D-Formate können leicht für Verwirrung sorgen. Hier ein kleiner Überblick:

Anaglyph: Überlagerung von farbig eingefärbten Bildern fürs linke und fürs rechte Auge. Am bekanntesten sind Farb-Anaglyphen wie Rot-Cyan, die auch Make3D erzeugt. Ordentlicher 3D-Eindruck, aber unbefriedigende Farbdarstellung.

Dual-Stream: Separate Videoströme fürs linke und rechte Auge. Umständlich, aber qualitativ hochwertig.

Side-by-Side: Das Bild fürs rechte und linke Auge liegen hier nebeneinander. Um konventionelle 2D-Infrastruktur verwenden zu können, werden beide Bilder in ein Frame gequetscht. Dabei geht die Hälfte der Auflösung verloren. Bei HD sind es also statt 1920 x 1080 nur 960 x 1080 Pixel pro Auge. Theoretisch ist auch ein Side-by-Side-Video ohne Auflösungsverlust möglich – also beispielsweise mit 3840 x 1080 Pixeln –, dieses kann dann aber von konventionellen Playern nicht mehr abgespielt werden.

Top-Bottom/Over-Under: Dasselbe wie Side-by-Side, nur übereinander.

HDMI 1.4 („Mega-Frame“): Wie Top-Bottom, aber nicht gestaucht und mit Leerraum: Die Bilder fürs linke und fürs rechte Auge sind in voller Auflösung übereinander platziert, getrennt von einem Leerbereich von 30 (bei 720p) oder 45 Zeilen (bei 1080p).

Field Sequential Interlaced: Verteilt die beiden Fassungen auf jeweils ein Halbbild. Wie beim Kamera-Vorsatz von Nuview geht dabei vertikale Auflösung verloren.

(jkj)