Medienrat warnt vor "virtuellem WettrĂĽsten"
In dem seit dem 1.
In dem seit dem 1. August geltenden Informations- und Kommunikationsgesetz sind Online-Dienste nur für von ihnen erstellte Serviceleistungen verantwortlich, nicht aber für fremde Inhalte im weltweiten Internet, zu dem sie nur den Zugang vermitteln. Erlangen sie jedoch Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten, so müssen sie diese löschen, soweit dies „technisch zumutbar" ist. Links auf ausländische Inhalte, die nicht deutschem Recht entsprechen, können auch strafbar werden.
Der Medienrat befürchtet, daß dies „als Generalklausel für ein polizeiliches Vorgehen gegen Provider" mißverstanden werden kann. Um „Strafverfolger davon abzuhalten, Unsinn zu machen", so Medienrat-Mitglied Ingo Ruhmann, gab der Medienrat eine Modellstudie namens „WebBlock" in Auftrag. Sie sollte untersuchen, ob es eine unter heutigen Umständen praktikable Methode gibt, Internet-Aderessen gezielt zu sperren. Aufgrund der heute veröffentlichten Studien und Analysen über die Möglichkeiten und Risiken von Sperrungsmethoden kommt der Internet-Medienrat zum dem Ergebnis, daß sich Sperrungen in vielfacher Hinsicht negativ auswirken werden und warnt vor einem „virtuellen Wettrüsten" zwischen Sperrungsgegnern und -befürwortern.
Aus juristischer Sicht konnten Gutachter und Medienratsmitglieder mehrere kritische Punkte anführen. Es sei rechtswidrig, von Internet-Service-Providern die Mitwirkung an „technisch zweifelhaften Maßnahmen" zu verlangen. Ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage könne dies zu Schadensersatzansprüchen führen. Des weiteren gefährde die Diskussion um Sperrungsverpflichtungen von Providern den Wirtschaftsstandort Deutschland, da mit den Sperrungen unverhältnismäßig in die Rechte Dritter, nämlich der Provider, eingegriffen werde. Diese könnten, um den Unannehmlichkeiten im Inland zu entgehen leicht ihre Unternehmen ins Ausland verlagern.
Auch aus technischer Sicht ergeben sich zahlreiche Unwägbarkeiten. Es wird befürchtet, daß Eingriffe wie „WebBlock" „signifikante", wenn nicht gar „existenzgefährdende" Auswirkungen auf die Funktions - und Leistungsfähigkeit des gesamten Internet haben können. Zudem könnte die Eigenart des Internet als einer Plattform für „besonders kreative Entwickler" zum Mißerfolg einer Sperraktion führen. Ein „virtuelles Wettrüsten" von Gegnern und Befürwortern wäre daher die Folge. Der Mißbrauch des Internet, so der Medienrat, muß „auf einem anderen Wege als durch technische Eingriffe in die Integrität des Netzes" gelöst werden. „Die Verlierer eines derartigen Wettrüstens sind nicht die Täter, sondern allein die deutsche Wirtschaft", warnt der Medienrat und fordert Politik, Strafverfolgungsbehörden und Jugendschützer zu einer Deeskalation der Diskussion auf.
Christiane Schulzki-Haddouti (fr)