Offensive gegen Softwarepatent-Richtlinie

Initiativen aus dem Mittelstand und der Open-Source-Szene wollen die Notbremse ziehen, während auch aus der SPD scharfe Kritik an der Haltung der Bundesregierung kommt.

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Das Lager der Softwarepatentgegner sieht noch eine Chance, die umstrittene Version der Richtlinie des Rates der Europäischen Union über die Patentierbarkeit "computer-implementierter" Erfindungen in letzter Minute zu stoppen. So hat die Europäische Konföderation der Vereinigungen kleiner und mittlerer Unternehmen (CEA-PME) gemeinsam mit dem Open-Source-Konsortium Objectweb und dem Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) einen dringenden Appell gestartet, in dem die Verbände die irische Ratspräsidentschaft zur Rücknahme der Direktive auffordern.

Europas Regierungen seien dabei, eine unbegrenzte Patentierbarkeit und Patentdurchsetzbarkeit von "computer-implementierten" Algorithmen und Geschäftsmethoden abzusegnen, warnt der Aufruf. Die eigentlich Mitte Mai schon erzielte knappe Einigung im Rat über die Richtlinie sei durch täuschende Formulierungen und "fragliche diplomatische Manöver" in der entscheidenden Sitzung erzielt worden. Zudem verwerfe das Ministergremium ohne Erläuterung und "ohne demokratische Legitimation" die "wohl überlegten Entscheidungen des Europaparlaments". Die Abgeordneten hatten reinen Softwarepatenten im September eine klare Absage erteilt.

Der zur Debatte stehende Richtlinientext (PDF) legt es nach Ansicht der Unterzeichner bewusst darauf an, die Minister über seine wahren Auswirkungen in die Irre zu führen. So würden nur Scheinbedingungen angeführt, unter denen Programme nicht patentiert werden dürften. Der Appell erwähnt zudem Hinweise, wonach es Zweifel an einer Mehrheitsentscheidung im Rat gebe. Diese hatte jüngst vor allem die polnische Delegation genährt. Mehrere Regierungen seien von ihren Verhandlungsführern aus den Reihen nationaler Patentämter falsch repräsentiert worden. Selbst die Anweisungen ihrer Vorgesetzten seien teilweise gebrochen worden.

Konkret sollen die Iren die Richtlinie von der Agenda des nächsten Treffens des Rates nehmen, in dem erst ihre endgültige Absegnung ansteht. Die Softwarepatentgegner bitten die nationalen Regierungen und Parlamentarier zudem, dass sie das Papier "aus den Händen der Patentbürokratie" nehmen mögen. Nur die demokratisch gewählten Abgeordneten könnten letztlich vertrauensvolle Vertreter in die entsprechenden Arbeitsgruppen des Rates entsenden. Generell sollte der Ministerrat in diesem Sinne reformiert werden, "um ähnliche Katastrophen künftig zu verhindern".

Hierzulande muss sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) derweil scharfe Kritik auch aus den eigenen Reihen gefallen lassen. Jörg Tauss, Sprecher für Bildung, Forschung und Medien der SPD-Bundestagsfraktion, hat seiner Kollegin, die vergangene Woche ihre Entscheidung für Softwarepatente im Chat von heise online verteidigte, am heutigen Mittwoch einen geharnischten offenen Brief geschrieben. Die Fachpresse kommentiere den Zickzack-Kurs der Ministerin zu Recht "überwiegend negativ", konstatiert Tauss, der auch den Appell der Mittelstandsvereinigungen unterzeichnet hat. Bis heute sei das "Mediendurcheinander zwischen unterstellter Ablehnung, angekündigter Enthaltung oder gar tatsächlicher Zustimmung" der Bundesregierung im Rat nicht gänzlich gelichtet.

Tauss empfindet es als bedauerlich, "dass in dieser innovationspolitisch so wichtigen Frage die SPD-geführte Bundesregierung eine derart desolate Figur abgibt, und das vollkommen ohne Not". Die Sachkompetenz der SPD auf den Feldern Informationstechnik, Software-Engineering und Innovationspolitik könnte nachhaltig Schaden nehmen. Es sei unerklärbar, warum die rot-grüne Koalition zu den Verhandlungen über den Richtlinienentwurf des Rates nicht gehört und nicht einmal über deren Stand informiert worden sei. Die FDP sucht nun die Unstimmigkeiten zwischen der Koalition und der Regierung zu nutzen: Sie fordert Legislative und Exekutive dazu auf, Farbe bei Softwarepatenten zu bekennen, und möchte den Kurs des Justizministeriums in Brüssel missbilligt wissen. (Stefan Krempl) / (anw)