Der Befreier der Schlüssel -- zum 60. Geburtstag von Whitfield Diffie

Was einst nur James Bond & Co. beschäftige, wurde dank der Ideen des Krypto-Revolutionärs Whitfield Diffie über Kryptographie mit öffentlichem Schlüssel (Public Key Cryptography) zur Technologie für jedermann.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ralf Bülow

"We stand today on the brink of a revolution in cryptography." So beginnt ein Aufsatz, der Ende 1976 in einer amerikanischen Fachzeitschrift erschien und in der Tat die Kunst der Geheimschriften von Grund auf umwälzte. Verfasser waren Martin Hellman, damals Assistenzprofessor für Elektrotechnik an der Stanford University, und sein Student Whitfield Diffie, dem das geschilderte neue Chiffrierverfahren eingefallen war: die Kryptographie mit öffentlichem Schlüssel.

Bailey Whitfield Diffie wurde vor sechzig Jahren, am 5. Juni 1944, in Washington geboren und wuchs in New York auf, wo sein Vater am City College spanische Geschichte lehrte. Als Student des MIT und ab 1969 in Stanford widmete sich Diffie vor allem der Künstlichen Intelligenz. Doch bereits als Schüler hatte ihn die Kryptographie fasziniert, und das Interesse wurde zur Manie durch die Lektüre des Geheimschrift-Klassikers "The Codebreakers" von David Kahn. Mit seinem geliebten Datsun 510 klapperte er Bibliotheken, Archive und Krypto-Veteranen im ganzen Land ab und wurde zum Spezialisten auf einem Feld, das die US-Spionagedienste eifersüchtig kontrollierten, allen voran die mysteriöse NSA. Vermutlich wäre Diffie ewiger Student geblieben, wäre er nicht in den frühen Siebzigern auf Martin Hellman gestoßen, der gleichfalls eingefleischter Kryptologie-Fan war. Der Kooperation des Informatik-Studenten mit dem ein Jahr jüngeren Ingenieurwissenschaftler entsprang dann das Konzept der Public Key Cryptography; die entscheidende Idee des doppelten Chiffrierschlüssels soll Diffie während seines Hausmeister-Jobs im Anwesen von KI-Professor John McCarthy gekommen sein.

Natürlich entstand die Idee nicht im luftleeren Raum; sowohl die Grundfrage, wie man verborgene Informationen ohne vorherigen Schlüsseltausch überträgt, als auch die dahinter stehende Mathematik der Einwegfunktionen wurden schon vor Whitfield Diffies Geistesblitz erörtert. Sein Verdienst war, zusammen mit Martin Hellman eine Technik zu formulieren, die den Grundstein für eine umfassende Theorie der sicheren digitalen Kommunikation legte. Diese besaß dabei den Vorteil, nicht dem Zugriff der Geheimdienst zu unterliegen, sondern in aller Öffentlichkeit weiterentwickelt zu werden, sei es in akademischen Konferenzen, Cypherpunk-Newsgroups oder dickbauchigen Romanen. Abkürzungen wie RSA oder PGP würden ohne "Diffie-Hellman" nicht existieren.

Nach seinem Geniestreich in Stanford ging Diffie später zu Northern Telecom; 1991 wechselte er zu Sun Microsystems, wo er tun darf, was er will. Über seinen Bachelor-Grad kam der letzte Hippie der Computerindustrie, dessen Bart- und Haartracht entfernt an einen Westernhelden erinnern, nie hinaus -- der Doktorgrad kam ehrenhalber von der ETH Zürich. Doch man muss nicht promovieren, um ein Revolutionär zu sein: Happy Birthday, Dr. Diffie! (Ralf Bülow) / (jk)