Computex

Computex 2010 – Messesplitter und Bilanz

Erwartungsgemäß zogen die Computex-Veranstalter auf der Abschlusspressekonferenz eine positive Bilanz. Doch neben der offiziellen Jubelstimmung gab es auch nachdenkliche Töne bei einigen Ausstellern.

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Von
  • Georg Schnurer

Auch wenn Moses Yen, zuständig bei der Taitra für das Messe-Department, in seiner Abschlussrede noch keine genaue Besucherzahl bekanntgeben wollte, freut sich der Veranstalter über "gut 120.000" Besucher. Besonders wichtig nimmt man hier traditionell die ausländischen "Buyer": Hier reklamiert die Computex für 2010 stolz 35.017 – das sind ein paar mehr als 2009 (34.829). Die Zahl selbst nahm Mr. Yen deshalb auch nicht so wichtig, es sei viel bemerkenswerter, dass die Besucher sich 2010 länger auf der Computex aufgehalten hatten als noch 2009. Nun ja, die mit einem RFID-Tag ausgestattete Eintrittskarte könnte hier sicher interessante Bewegungsprofile liefern – schließlich wurde jeder Besucher bei jedem Hallen-Wechsel neu gescannt. In Nangan trieb man es sogar so weit, dass selbst dann noch gescannt wurde, wenn man über die interne Treppe vom unteren zum oberen Geschoss wechselte. Vor allem dem, der am übervollen Freitag häufig zwischen den Etagen oder gar den Hallen wechseln musste, konnte das schon mal den letzten Nerv rauben. Schlange stehen gehörte da schon mal zum Messealltag.

Doch zurück zur offiziellen Bilanz: in Trend des Vorjahres setzte sich auch 2010 fort: Von den "International Buyers" kamen immer mehr aus Asien. Die "Top 5 Countries" waren 2010 die USA, Japan, China, Hong Kong und Südkorea. Besucher aus (west-)europäischen Ländern findet man von Jahr zu Jahr immer weiter hinten in der Besucherstatistik. Osteuropa ist für die Computex dagegen einer der vielen Wachstumsmärkte, die es zu beackern gilt.

Für den Messeverantwortlichen bei der Taitra, Execujtive Director Moses Yen, war die diesjährige Computex stotz etwa gleichbleibender Besucherzahlen ein voller Erfolg.

Parallel zur Computex veranstaltet die Taitra traditionell sogenannte "Procurement Match-Making Meetings". Dort können hochrangige Repräsentanten umsatzstarker Firmen in ruhiger Atmosphäre auf die Suche nach dem geeigneten Lieferanten gehen – vorzugsweise natürlich einem aus Taiwan. 116 Top-Manager aus 26 Ländern haben laut Taitra an solchen Treffen teilgenommen und dabei Geschäfte in einem Volumen von über 230 Millionen US-Dollar abgeschlossen. 2009 waren es noch lediglich 100 Millionen US-Dollar, was als deutliches Zeichen dafür gesehen wird, dass die Wirtschaft langsam wieder Fahrt aufnimmt. Einen gehörigen Anteil – nämlich 38,8 Millionen Dollar – hätten daran Märkte in Ländern wie der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bulgarien, Polen, Rumänien, Russland, die Ukraine, Bangladesch, Indien, Argentinien und Chile.

Weniger zufriedene Töne hört man unterdessen von vielen Anbietern "traditioneller" PC-Produkte: Ihre Märkte schrumpfen aufgrund des schnell voranschreitenden Strukturwandels zusehends zusammen. Wenn immer mehr Menschen Notebooks und andere Mobilgeräte kaufen, wer braucht da noch Gehäuse, Netzteile, Grafikkarten, Mainboards und all die anderen klassischen PC-Komponenten? Klar, die Enthusiasten und Gamer. Das ist zwar ein recht potenter, doch eben auch ein recht überschaubarer Kundenkreis, um den sich nun immer mehr Anbieter balgen.

Neueinsteiger: Adata will neben Speichermodulen und Flash-Produkten künftig auch Netzteile verkaufen.

Das führt dann mitunter zu recht skurrilen Ergebnissen, etwa in der Form, dass Speicher- und Flash-spezialisten wie etwa Adata plötzlich Netzteile mit in ihr Portfolio aufnehmen, um sich "breiter aufzustellen". Dabei ist der Netzteilmarkt bereits jetzt heiß umkämpft: Die etablierten Hersteller überbieten sich aber glücklicherweise nicht mehr mit immer höheren Watt-Zahlen, sondern setzen vermehrt auf Energieeffizienz. "Go for Gold" lautet hier zur Freude der Umwelt das Motto: Jeder Hersteller von Rang hat zumindest eine Netzteilserie im Programm, die komplett das 80Plus-Gold-Logo schmückt. Die Logo-Kriterien schreiben vor, dass alle Netzteile einen Power Factor von mindestens 0,9 bei 50 Prozent Nennlast haben müssen. Zudem muss der Wirkungsgrad bei 20, 50 und 100 Prozent Nennlast oberhalb bestimmter Vorgaben liegen. Das 80-Plus-Logo wird in vier Stufen vergeben: einfach (20 % Last: 80 %, 50 % Last: 80 %, 100 % Last: 80 % Wirkungsgrad), Bronze (82/85/82), Silber (85/88/85) und Gold (87/90/87). Einiger Hersteller sprechen deshalb auch gern von 82Plus-, 85Plus- oder 87Plus-Netzteilen. Auf einigen Ständen kann man auch schon vermeintliche 90Plus-Netzteile bewundern, obwohl es eine hierzu korrespondierende Spezifikation noch gar nicht gibt.

Ist das die Zukunft von Arctic? Ferngesteuerte Panzer, Autos und Flugzeuge, sowie einfache Spielkonsolen will das Unternehmen künftig neben den Kühlern anbieten.

Andere Hersteller, wie beispielsweise Thermaltake, suchen ihr Heil angesichts schrumpfender Märkte dagegen eher in der Nische: Mit leistungsfähigen Kühlern, eindrucksvollen Gehäusen, Gaming-Tastaturen und –Mäusen sowie Kopfhörern. Wieder andere verlassen schon mal die angestammten Jagdgründe. So will Arctic Cooling – die sich künftig nur noch Arctic nennen – zukünftig auch Spielzeug und einfache Spielkonsolen anbieten. Auf der Computex hat man dazu den Messestand schon mal zweigeteilt: Auf der einen Seite die bewährten Kühler für CPUs und Grafikkarten, auf der anderen Seite das Spielzeug. Frei mach dem Motto: "Männer werden in der Regel nur sieben Jahre alt und danach nur noch größer" gibt’s von Arctic in Bälde ferngesteuerte Autos, Boote, Flugzeuge und natürlich auch Panzer im Mini-Format. Hinzu kommt noch eine erste Spielkonsole, die mit einer "Hüpfmatte" und ähnlichem Zubehör der Wii nachempfunden ist. Der Vertrieb soll zunächst über Webshops erfolgen, mittelfristig möchte man aber auch in die Regale der Supermärkte, Christian Godelmann, Marketing Executive des in der Schweiz und in Hong Kong ansässigen Unternehmens.

Ob Arctic da richtig liegt, wird der Markt entscheiden. Die Computex zeigte auf jeden Fall, dass man neben dem Spieltrieb auch auf andere Triebe setzen kann: Beinahe jeder größere Aussteller hatte Showgirls angeheuert, die ohne Unterlass tanzten, Prospekte verteilten oder die Besucher animierten, den Firmennamen möglichst laut und verbunden mit den üblichen Superlativen durch die Hallen zu brüllen. Wer sich so zum Affen machte, erhielt zum Lohn die üblichen Werbegeschenke: Fächer, Süßwaren und auch schon mal den einen oder anderen USB-Stick – unterm Strich ein hart erkaufter Lohn.

Eines der Messe-Highlights ist ohne Frage das Thema 3D: Wo man hinsieht, finden sich 3D-Displays, All-in-One-PCs mit 3D-Unterstützung, 3D-Notebooks und natürlich auch 3D-Bilderrahmen. Letztere erlauben bei einigen Modellen auch die Betrachtung ohne Brille. Der 3D-Effekt ist dann allerdings nur sehr schwach ausgeprägt und obendrein extrem winkelabhängig. Der 3D-Bilderrahmen ist also mehr ein Gimmick als ein ernstzunehmendes Produkt.

Kann 2D- und 3D-Videos aufnehmen, der Camcorder i2 von Aiptek.

Sinnvoller sind da schon die von einigen Herstellern angebotenen 3D-Videokameras. Ein recht überzeugendes Modell zum günstigen Preis zeigte hier Aiptek: Der 3D-Camcorder i2 zeichnet ein Stereobild in 720p-Format (H.264 codiert) und mit 30 Bildern pro Sekunde auf. Das Videomaterial landet auf einer SDHC-Karte (max. 32 GByte) und kann mit der mitgelieferten Software in die üblichen 3D-Formate gewandelt werden. Der Camcorder besitzt ein Fixed-Focus-Objektiv mit zweifach-Zoom und ein 2,4-Zoll-Display mit 3D-Unterstützung. Neben Aufnahmen im 3D-Modus sind auch solche in gewohnter 2D-Manier möglich. Der Camcorder soll etwa 195 Dollar kosten und bereits im Juli in den Handel kommen.

AVerLifw HD Theater - HDTV-Empfänger mit Streaming-Funktion und 1080p-Ausgabe.

Angesichts der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung der Unterhaltungswelt auch im privaten Umfeld stürzen sich immer mehr Hersteller auf dieses Segment. So viele Streaming-Clients wie dieses Jahr gab es auf der Computex noch nie zu sehen. Leider bot die Mehrzahl der Aussteller eher langweiligen Einheitsbrei an, der sich allenfalls noch durch mehr oder weniger elegante Gehäuse – oder eben einen besonders niedrigen Preis unterschied. Besseres musste man mit der Lupe suchen. Doch es gab sie, die herausstechenden Produkte, etwa bei AverMedia in Form des AVerLife ExtremeVision, einem HD-TV-Empfänger, der auch als Aufzeichnungsgerät und Streaming-Client dienen kann und Bilder im 1080p-Format liefert.

Zum digitalen Heim gehört natürlich auch ein passender Datenspeicher. Hier bietet sich ein NAS-System an. Bei den großen Anbietern gab es auf dieser Computex aber kaum neue Geräte zu sehen. Verbesserungen spielten sich vor allem in der Software ab. Angesichts der vielen rund um die CeBIT vorgestellten neuen NAS-Systeme ist das aber eine durchaus wünschenswerte Entwicklung.

Ein weiterer Trend zeichnete sich auch auf dieser Computex ab: Mehr und mehr Hersteller entdecken den Bereich der Sicherheitstechnik für sich: Vor allem bei den IP-Kameras gab es jede Menge Neuheiten. Echte Highlights konnten wir allerdings nicht entdecken, dafür aber einen klaren Trend zu immer preiswerteren Einstiegslösungen auch für den Privatanwender. Einfache IP-Kameras für die Innenraumüberwachung gibt es schon ab umgerechnet 100 Euro, Outdoor-taugliche Modelle mit H.264-Unterstützung bietet etwa Air Life für einen EVP von knapp 200 Euro an (OD-325HD). Schwenkbare IP-Kameras gibt es bereits ab 400 Euro (OD-600HD). Teurer wird es freilich, wenn man die IP-Kamera etwa mit seinem NAS-System verknüpfen will. Hier muss man in der Regel pro Kamera eine Lizenz erwerben, was schnell ins Geld geht. (gs)