Mit NewSpace zur neuen NASA

Nach dem Ende des Space Shuttles ist die US-Weltraumbehörde stark an den Produkten privater Weltraumfirmen interessiert - von automatisierten Landesystemen bis hin zu aufblasbaren Modulen für die ISS.

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Von
  • Jeff Foust

Nach dem Ende des Space Shuttles ist die US-Raumfahrtbehörde stark an den Produkten privater Weltraumfirmen interessiert – von automatisierten Landesystemen bis hin zu aufblasbaren Modulen für die ISS.

Seit vielen Jahren kritisiert die junge amerikanische Weltraumindustrie, kollektiv auch "NewSpace" genannt, die US-Raumfahrtbehörde NASA. Sie sei zu bürokratisch und im geschäftlichen Verkehr nur umständlich zu handhaben, hieß es gerne. Die NASA wiederum investierte einen Großteil ihres Budgets bei traditionellen Luft- und Raumfahrtriesen wie Boeing oder Lockheed Martin – und nicht bei den Start-ups.

Das könnte sich nun ändern, nachdem die US-Regierung eine Strategieänderung bei ihrem Weltraumprogramm beschlossen hat. NewSpace, so scheint es, darf Morgenluft wittern und sich über baldige bessere Deals mit der NASA freuen.

Ein Beispiel dafür ist die Tatsache, dass die NASA mittlerweile wieder viel Wert auf die Entwicklung neuer Technologie legt. Bei einem Workshop mit der Industrie, der nun im texanischen Galveston stattfand, stellten NASA-Manager einen Teil ihrer neuen Strategie vor. Zu den angesprochenen Projekten gehörten unter anderem automatisierte Landesysteme für Robotermissionen auf Mond, Mars und Asteroiden, aber auch neue Module für die Internationale Raumstation ISS.

Masten Space Systems und XCOR Aerospace gehören zu den ersten NewSpace-Unternehmen, die die neuen Chancen beim Schopfe packen wollen. Die Firmen aus dem kalifornischen Mojave wollen ein gemeinsames Angebot für das Landesystem-Vorhaben abgeben. Masten gewann bereits 2009 bei der "Northrop Grumman Lunar Lander Challenge" eine Million Dollar von der NASA – es wird das eigentliche Weltraumvehikel bauen. XCOR wird wiederum für die notwendigen Antriebe auf Basis von Methan und flüssigem Sauerstoff sorgen – und dabei auf eine bereits in Zusammenarbeit mit der NASA entwickelte Technik zurückgreifen.

"Unser strategischer Kunde gab uns ein starkes Signal, dass eine Kombination aus dem Masten-Raumfahrzeug und unserem Antrieb eine interessante Konstellation wäre", sagt XCOR-Präsident Jeff Greason. Die NASA löse damit ein für sie wichtiges Problem. XCOR und Masten kennen sich gut – sie sitzen praktisch Tür an Tür.

Das neue Projekt soll in Ergänzung zu anderen kommerziellen Lösungen entwickelt werden, die beide Firmen gerade vorantreiben – und diese nicht etwa ersetzen. So arbeitet XCOR an Lynx, einem suborbitalen Flugzeug, dessen Prototyp bereits Mitte 2011 abheben soll. Masten hat ein ähnliches Projekt in petto – mit eigenem Antrieb: Schon nächstes Jahr soll Xogdor entwickelt werden, ein System, das Ladungen (allerdings keine Menschen) in Höhen oberhalb 100 Kilometern transportieren kann, wie Firmengründer Dave Masten sagt.

Das Interesse der NASA an neuen ISS-Modulen will wiederum ein weiteres NewSpace-Unternehmen für sich nutzen: Bigelow Aerospace aus Las Vegas. Die Firma hat bereits erfolgreich zwei Prototypen gebaut und gestartet und arbeitet derzeit an größeren Modulen. Ironischerweise stammt die Lizenz für die dabei verwendete Aufblastechnik von der NASA selbst – die hatte sie im Rahmen eines Konzeptvorhabens namens TransHab vor mehr als einem Jahrzehnt aber aufgegeben.

Mike Gold, Bigelow-Statthalter in Washington, kann bereits über erste Diskussionen mit der Raumfahrtbehörde berichten. Dabei soll es um das Konzept für das sogenannte Bigelow Aerospace Module gehen, ein kleines, aufblasbares Modul, das sich in die ISS integrieren ließe. Es sei vergleichbar mit "Genesis", einem schrankgroßen Prototyp, den die Firma bereits getestet hat. Was die Entwicklung eines größeren Moduls anbetrifft, gibt sich Gold allerdings skeptischer: "Ich bin mir nicht sicher, ob man ein aufblasbares System dieser Dimension sicher an die ISS anbringen könnte." Selbst bei einem kleineren Modul müssten zunächst Standardprobleme wie Materialermüdung oder eine potenzielle Ausgasung gelöst werden.

Bigelow ist aber auch an anderen NASA-Vorhaben interessiert, darunter ein Projekt, das zahlreiche NewSpace-Firmen beschäftigen könnte: Die Weltraumbehörde will in den nächsten Jahren sechs Milliarden Dollar für die Entwicklung kommerzieller Systeme ausgeben, mit denen Astronauten in eine niedrige Erdumlaufbahn gebracht werden können. Eines der beteiligten Unternehmen, SpaceX, entwickelt bereits Rakete samt Raumfahrzeug - und hat auch schon erste Erfolge vorzuweisen. Solche Projekte könnten nicht nur der NASA beim Zugang zur ISS helfen, sondern auch Firmen wie Bigelow beim Einsatz ihrer Technik helfen.

Einige Experten bezweifeln allerdings, dass NewSpace-Unternehmen die technische Expertise besitzen, kommerzielle bemannte Missionen sicher durchzuführen. Zu den Skeptikern gehört Scott Pace, ein ehemaliger NASA-Beamter, der heute das Space Policy Institute an der George Washington University leitet. "Einige denken, wir wären bereits so weit, die bemannte Raumfahrt mit kommerzieller Technik zu starten, doch daran glaube ich nicht."

Bigelow-Mann Gold sieht das naturgemäß anders. Die NewSpace-Branche sei bereit, in die Fußstapfen etablierter Luft- und Raumfahrtriesen zu treten. Kommerzielle Technik sei nicht weniger sicher als die der Regierung. "Wir interessieren uns sogar stärker für Sicherheit", glaubt er. Schließlich reiche ein einziger Unfall, um die ganze aufstrebende Branche zu zerstören. (bsc)