Humanoide Roboter ausprobiert

c't 3003 ist zur Robotermesse "Humanoids" in Nancy gefahren und hat zweibeinige Apparate unter die Lupe genommen.

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Das Netz wimmelt nur so von Roboter-Werbevideos, regelmäßig taucht irgendein Humanoide auf, der ein neues beeindruckendes Kunstwerk gelernt hat. Berühmt ist ja zum Beispiel der Rückwärtssalto von Boston Dynamics' "Atlas". Das Problem: Unser Wissen basiert nahezu komplett auf Werbevideos der Hersteller. c't 3003 ist deshalb zur Robotermesse Humanoids in Nancy gefahren, um die zweibeinigen Apparate wirklich einmal ausprobieren zu können; unter anderem den 16.000-US-Dollar günstigen G1 von Unitree.

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier, das sind Roboter, die um die Wette laufen. Ja, wirklich, das gibt's in echt.

Ich war live dabei und zwar in Nancy, Frankreich, auf einer Roboter-Messe. Und ich erzähle euch in diesem Video, was jetzt eigentlich so der Stand der Technik ist. Also bei echten humanoiden Robotern. Also, kann man sowas schon kaufen? Können die meine Waschmaschine ausräumen? Und wenn ja, was kostet sowas denn eigentlich?

Ja, das kommt gleich alles. Aber erst mal zeige ich euch noch kurz, wie das Rennen hier ausgegangen ist. Das war nämlich wirklich, ganz ehrlich, aufregend.

Und das hier ist sogar ein Roboter aus Deutschland: DLR Toro. Der wurde aber ziemlich deutlich vom chinesischen T1 von Booster Robotics geschlagen. Der hat nur neun Sekunden fĂĽr die Strecke gebraucht.

Gut, der T1 ist natĂĽrlich auch viel kleiner und leichter. Guckt mal hier, das ist T1, wie er den Fans nach seinem Lauf zujubelt. Also, das war wirklich eine absurde Situation.

Ja, hingefallen ist er dann auch noch, aber hat sich wieder hochgerappelt, also hochrobotert. Keine Ahnung, wie man das nennt. Sieht auf jeden Fall ziemlich gut aus.

Und ja, gar nicht erst angekommen ist leider Talos von Pal Robotics. Also sowieso, diese Stürze von humanoiden Robotern... Ich habe das Gefühl, das könnte eine neue Meme-Kategorie werden. Bleibt dran!

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei...

So, was aber wirklich wichtig ist, bevor es hier richtig losgeht: In der Roboterbranche wird natürlich wie überall hart um Aufmerksamkeit gekämpft und besonders viel geschönt und besonders viel gefakt, was aber natürlich schwierig nachweisbar ist.

Also vor allem: Wann arbeiten Roboter jetzt eigentlich autonom und wann werden sie manuell von irgendwelchen Leuten im Hintergrund gesteuert?

Gab ja neulich erst eine große Diskussion bei der Präsentation von Teslas Optimus-Robotern oder auch bei Videos wie diesem hier mit dem X1 Neo. Das sieht alles nett und futuristisch aus, aber ich sage mal diplomatisch – und hoffentlich nicht justiziabel –, dass das so funktioniert wie in den ganzen PR-Videos, das glaube ich persönlich erst, wenn ich das mit eigenen Augen gesehen habe.

Und genau das ist der springende Punkt: Das meiste, was ich hier in diesem Video zeige, habe ich selbst gesehen und selbst gefilmt. Meine Aufnahmen wirken natĂĽrlich deutlich weniger beeindruckend als die Werbevideos von den Herstellern. Aber von einigen Robotern habe ich halt keine eigenen Aufnahmen.

Deshalb machen wir das jetzt so, dass wir jede Videoeinblendung, die nicht vor Ort bei der Robotermesse gedreht worden ist, mit "Fremdvideo" markieren. Ja, das finde ich irgendwie ganz transparent. Da könnt ihr euch selbst ein besseres Urteil bilden.

Was das jetzt eigentlich für eine Robotermesse war? Das war Humanoids 2024, von der IEEE organisiert, dem größten Berufsverband der Welt, in dem über 400.000 Menschen organisiert sind, die irgendwas mit Technik zu tun haben. Ja, und der Name Humanoids sagt es ja schon: Da ging es um humanoide Roboter, also Maschinen, die dem menschlichen Körper nachgebildet sind.

Und wenn ihr euch jetzt fragt: Was soll das eigentlich? Man sieht ja an Staubsaugerrobotern, dass sich Roboter einfacher auf Rollen als auf zwei Beinen fortbewegen können. Ja, das ist auf jeden Fall technisch einfacher, hat aber etliche Nachteile. Und das merkt ihr spätestens, wenn euer Staubsaugerroboter nicht über eine einfache Türschwelle kommt oder sich in so einem profanen Schnürsenkel verheddert.

Die zweibeinige Fortbewegung – in Fachkreisen übrigens als Bipedie bezeichnet – ist halt optimal für das Lebensumfeld von Menschen geeignet, weil die meisten Menschen sich ja so fortbewegen und die Menschenwelt darauf ausgelegt ist. Stichwort Treppenstufen.

Okay, Treppen kriegen nicht nur zweibeinige Roboter gut hin, habe ich auf der Messe gesehen. Aber solche Roboter kommen dann halt nicht an den KĂĽchenschrank, um mir eine Kaffeetasse da auszuholen.

Ja, und leider ist zweibeiniges Laufen extrem schwierig fĂĽr Roboter. Weshalb auch der Roboter, der so ziemlich am praxistauglichsten wirkte, nicht auf zwei Beinen unterwegs war, sondern auf einer Kugel.

Die Rede ist von den Mirokaï – also Plural, weil der eine heißt Miroki und der andere heißt Miroka – von Enchanted Tools. Das ist eine französische Firma. Die haben die einigermaßen rasante Ansage gemacht, dass sie bis 2032 100.000 Stück von den Dingern produzieren wollen. Angepeilt ist ein Preis von 30.000 Euro. Das Early-Access-Programm soll nächstes Jahr schon losgehen.

Aber die Mirokaï helfen leider noch nicht im Haushalt oder, sagen wir mal, in der Logistik, sondern die sollen es zum Beispiel in Krankenhäusern und Altenheimen so ein bisschen menscheln lassen. Ja, ja, ich check den Widerspruch. Oder halt in Flughäfen, Restaurants, Hotels so ein bisschen mit der Kundschaft interagieren und den Weg zeigen.

Das klingt alles sehr ambitioniert, aber der Gründer von Enchanted Tools hat vor langer Zeit die Roboter Pepper und Now von Aldebaran – beziehungsweise heute Softbank – mitentwickelt. Und tatsächlich sind das die Roboter, die ich persönlich schon am häufigsten in freier Wildbahn gesehen habe. Sogar die Stadtbibliothek Hannover hat einen Pepper. Also, die Mirokaï-Macher kennen sich auf jeden Fall aus mit Robotern, die direkt mit Menschen interagieren. Deshalb könnte das auch tatsächlich klappen.

Allerdings fällt mein Reality-Check erst mal durchwachsen aus, denn schon Pepper war für mich immer schon eine Enttäuschung, weil der halt nie das gemacht hat, was ich wollte. Und bei meinen Gesprächen mit den Mirokaï war das nur ein bisschen besser.

Also, manchmal haben die das verstanden, was ich gesagt habe, oder auch nicht. Und manchmal haben die auch nur beschrieben: "Wir sind hier auf einer Messe. Ich sehe zwei Leute!" und solche Sachen. Man hat auf jeden Fall deutlich gemerkt, dass die Intelligenz von den Dingern einfach aus GPT-4 besteht – also dem Sprachmodell, dem auch Chat-GPT zugrunde liegt.

Was ich aber auf jeden Fall extrem fortschrittlich finde, ist das Gesicht. Da ist nämlich ein Projektor eingebaut, der auf die Gesichtsschale so ein flüssig animiertes, comicartiges Gesicht projiziert.

Dadurch, dass das alles so Anime-mäßig wie süße Tierchen aussieht – also auch erkennbar an diesen langen Ohren, die auf der Messe übrigens permanent abgefallen sind – wird dieser berüchtigte Uncanny-Valley-Effekt unterbunden. Also diese Gruseligkeit, die immer auftritt, wenn Menschen simuliert werden. Ja, weil es ja eben kein Mensch ist.

Aber jetzt zu den Robotern, die auch richtig arbeiten können, also zumindest theoretisch. Und bevor wir zu den Robotern kommen, schaut euch mal diese Broschüren an, die an den Ständen rumlagen: "General Purpose Humanoid Robot, 16.000 Dollar."

Und dann hier so Tabellen mit Spezifikationen. Also, guckt man sich nur das an, denkt man tatsächlich: Ja klar, das ist ein Produkt, das es zu kaufen gibt. Ganz normal, so wie ein Auto oder so.

Aber in Wahrheit ist das alles noch in einer, sagen wir mal, Findungsphase. Es gibt so Testprojekte mit humanoiden Robotern, zum Beispiel bei Amazon mit Digit von Agility Robotics und bei BMW mit Figur von Figur AI, beides US-amerikanische Firmen.

Dann gibt es ja auch noch Optimus von Tesla und natĂĽrlich den runderneuerten Atlas von Boston Dynamics. Aber leider war keiner der vier in Nancy zu sehen und auch auf keiner anderen Messe, auf der ich bislang war. Also muss ich mich da auf PR-Videos verlassen.

Es gibt auch noch keine abschließenden Erkenntnisse, ob diese Roboter auch nach diesen Testphasen noch weiter zum Einsatz kommen oder ob man dann doch merkt: So weit ist die Technik doch noch nicht. Ja, also in einer ähnlichen Kategorie wie die drei genannten will auf jeden Fall Unitree aus China mitmischen. Und das ist auf jeden Fall mal wirklich ein Hersteller zum Anfassen.

Also die machen dieses typische, US-Tech-Branchen-typische Super-Geheimhaltungsding nicht mit. Ja, die hatten ihren G1 mitgebracht. Der lief da rum, und ich hatte das Geld gerade nicht dabei. Aber sie sagen auf jeden Fall, dass man den schon kaufen kann. Der ist auch tatsächlich in einigen Shops schon gelistet, und zwar für einen vergleichsweise extrem niedrigen Preis, nämlich 16.000 US-Dollar.

Unitree sagte mir in Nancy, dass da dann allerdings keine Software dabei wäre. Das heißt, man muss das Teil offenbar dann per Fernbedienung steuern.

Was halt auch generell das Ding war auf der Robotermesse: AuĂźer den MirokaĂŻ habe ich da keinen einzigen Roboter gesehen, der autonom unterwegs war, sondern immer lief jemand mit einem Game-Controller hinterher.

Das gilt übrigens auch für diesen herzallerliebsten Star-Wars-Roboter, der da rumlief. Den gibt es auch in Disneyland zu sehen. Und interessanterweise wurde der tatsächlich von Disney Research in Zürich entwickelt. Ha, den hätte ich gern.

Na ja, jetzt noch mal zurück zu Unitree. Also der G1, mit dem konnte ich tatsächlich rumspielen, und ich habe auch ausprobiert, den so ein bisschen zu schubsen. Und tatsächlich wirkt das Teil sehr standfest. Allerdings ist er auch nur 1,30 Meter hoch, also so groß wie Grundschulkinder ungefähr. Der Nachfolger H1, der ist schon 1,80 groß, soll aber auch 90.000 US-Dollar kosten. Der war auch am Stand, wurde aber leider nie in Aktion gezeigt.

Und das war leider häufiger so, zum Beispiel auch bei den Robotern von Fourier. Da gab es zwar auch so Broschüren, die wirken, als seien das fertige Produkte, aber auch nach mehrfachen Nachfragen durfte ich keinen dieser Roboter laufend sehen.

Die einzige Demonstration bestand hier raus [Hand bewegt sich]. Ja, tatsächlich mehr nicht.

Aber Hände sind auf jeden Fall so ziemlich das Statussymbol humanoider Roboter. Es gibt nämlich viele, die haben da nur so funktionslose Attrappen dran. Man kann das ganz gut sehen bei dem Open-Source-Roboter Reachy 2 von Pollen Robotics aus Frankreich.

Der wird in der Standard-Variante fĂĽr 24.000 Euro nur mit einem Arm plus Hand ausgeliefert. Will man einen zweiten haben, kostet das noch mal 12.000 Euro. Reachy 2 kann man unter anderem live ĂĽber ein VR-Headset fernsteuern. Man sieht dann das, was der Roboter sieht, also das Kamerabild der Kopfkamera. Und als ich dann so rumgeguckt habe, habe ich auch mich da stehen sehen mit dem VR-Headset auf dem Kopf. Also, ich sage euch: Das war ein extrem seltsames GefĂĽhl. Stichwort Out-of-Body-Experience.

Am gruseligsten fand ich, als ich mit dem Xylophon gespielt habe und ich den echten Ton des Xylophons auch gehört habe, aber halt drei Meter entfernt. Sehr, sehr, sehr interessante Erfahrung.

Und auch schön, dass da am Pollen-Messe-Stand alle diese gestreiften Hemden anhatten – also sowohl Roboter als auch Menschen.

Und noch mehr wie in einem Science-Fiction-Film habe ich mich dann später beim Mittagessen gefühlt. Ich saß da so und dachte: Was ist das da hinter mir für ein komisches Geräusch?

Ja, und da war das dann der Booster T1, der Prospekte verteilte. Der soll 34.000 US-Dollar kosten.

Und statt von Autonomie und kĂĽnstlicher Intelligenz spricht der Hersteller vorbildlicherweise nur von Developer Friendly und davon, dass man den T1 mit einem optionalen NVIDIA AGX Orin Modul koppeln kann und darauf dann zum Beispiel ein LLM laufen lassen.

Ja, oder halt doch lieber mit einem Game-Controller manuell fernsteuern.

Der T1 von Booster Robotics, genau das war der vom Anfang, der das Rennen gewonnen hat. Also der von allen zweibeinigen Robotern auf der Messe am schnellsten den Parcours abgelaufen ist.

Also fĂĽr so eine Newcomer-Firma auf jeden Fall sehr beeindruckend.

Also, ich glaube, ihr habt das inzwischen gemerkt: Es ist echt schwierig, in dieser Branche technischen Fortschritt von heiĂźer Luft zu unterscheiden.

Sind wir jetzt kurz vor der Roboter-Revolution? Oder sind das eigentlich so was wie ferngesteuerte Autos mit etwas komplizierterer Fortbewegungsart – also was es schon seit Jahrzehnten gibt?

Was ich auf jeden Fall von der Humanoids 2024 in Nancy mitgenommen habe: Während so echte, große, humanoide Roboter viele Jahre lang nur zu Forschungszwecken entwickelt und gebaut wurden – vom DLR in Deutschland, von der IIT in Italien – materialisieren sich jetzt ganz langsam humanoide Roboter als Produkte.

Also Geräte, die man kaufen kann. Und natürlich werden die vorerst nur von Firmen und Einrichtungen gekauft, die damit experimentieren und ja auch forschen wollen.

Aber es sind auf jeden Fall nicht mehr millionenteure Einzelanfertigungen, sondern eben Produkte.

Und die größte Überraschung war für mich der Preis von 16.000 Euro für den Unitree G1, also einen richtigen Menschenroboter.

Das ist halt nur so viel, wie acht voll ausgestattete iPhones kosten. Ich bin deshalb vorsichtig optimistisch, dass ich es noch erleben könnte, dass bei mir zu Hause ein humanoider Roboter einzieht, der mir die Wäsche macht, der vielleicht für mich die Zwiebeln schneidet und mich im Schach schlägt.

Also wie gesagt: vorsichtig optimistisch.

Und was ich auf der Humanoids in Nancy auf jeden Fall ganz deutlich gemerkt habe: Wie toll ich eigentlich Roboter finde, also auf so einer nicht-rationalen, emotionalen Ebene.

Ich weiĂź natĂĽrlich nicht, wie sich humanoide Roboter irgendwann ganz konkret auf die Menschheit auswirken. Vielleicht ist das auch eine ganz schlechte Idee.

Aber halt rein emotional: Bin ich da irgendwie komisch oder so? Bin ich da der Einzige? Oder geht euch das auch so?

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c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)