Vernetzter Kinderroboter Moxie AI nutzlos, weil Firma pleite ist

Moxie AI sollte Kindern mit sozialen Schwierigkeiten helfen. Unerwartet geht der vernetzte Roboter offline; das könnte die Kinder traumatisieren.

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Kind sitzt vor einem Couchtisch, auf dem ein Moxie AI steht

(Bild: Embodied)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Embodied, Inc. ist zahlungsunfähig und sperrt zu. Damit wird Moxie AI, der vernetzte Kinder-Roboter der Firma, nutzlos. Das Gerät sollte insbesondere Kinder "mit speziellen sozialen und emotionalen Bedürfnissen" in ihrer Entwicklung fördern. Doch ohne Clouddienste wird der etwa 35 cm große, akkubetriebene Roboter schon in wenigen Tagen zur schweren, leblosen Puppe.

Laut Embodied hat sich ein prospektiver Geldgeber kurzfristig zurückgezogen, weshalb die Betriebsschließung unvermeidlich sei. Geld zurück für den 800 US-Dollar teuren Moxie AI gibt es dementsprechend nicht, außer vielleicht für Kunden, die in den letzten 30 Tagen bestellt haben. Über die Homepages Embodieds und Moxie AIs konnte heise online keine Informationen über das bevorstehende Dienstende auffinden, der Online-Shop zeigt Moxie AI lediglich als ausverkauft an. Vertrieben wurde der Kinderroboter nur in den USA.

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Es gibt allerdings eine einschlägige FAQ-Webpage, deren Link Embodied offenbar direkt bestehenden Kunden gegeben hat. Dort verspricht Embodied, die über die Kinder online gespeicherten Daten zu löschen, sollte sich nicht doch noch jemand finden, der den Abodienst weiter betreibt. Moxie AI nutzte ein Large Language Model, das unter anderem flüssige und natürliche Kommunikation ermöglichen sollte. Sein Langzeitgedächtnis versetzte den Roboter in der Lage, sich Personen, Orte und Dinge zu merken und in Gesprächen wieder aufzugreifen. Dadurch sollte Moxie AI besser dauerhafte Beziehungen zu Menschen aufbauen.

Was Moxie AI besonders machte, war seine gekrümmte Gesichtsplatte. Auf ihr wurden Pixar-ähnliche Augen und ein Mund angezeigt und passend zur Sprache animiert. Ein Lautsprecher, vier Mikrofone und eine 2-Megapixel-Kamera im drehbaren Kopf waren eingebaut. Moxie AI erkannte damit nicht nur unterschiedliche Personen an Gesicht und Sprache, sondern auch deren emotionalen Zustand. Entsprechend stellte sich der Roboter individuell auf das jeweilige Kind ein. Auch Aufforderungen zu körperlicher Bewegung gehörten zum Programm.

Ein gerade fertig zusammengebauter Moxie AI

(Bild: Embodied)

Moxie AI wurde zwar nicht als Medizinprodukt, aber durchaus als Hilfestellung für Kinder mit speziellen Bedürfnissen vermarktet. "Kinder mit Diagnosen wie Autismus, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität, Angststörung etc." könnten von Interaktion mit Moxie profitieren, heißt es auf der Moxie-Webseite. "In unseren klinischen Studien hat sich Moxie für Kinder als hilfreich dabei erwiesen, Freundschaften zu schließen, Kommunikation zu verbessern, Emotionen zu regulieren und sich besser zu konzentrieren."

Diese Stärken erweisen sich jetzt als Bumerang. "Die Roboter werden zu Bezugspersonen, insbesondere von Menschen mit Kontaktschwierigkeiten wie etwa autistischen Kindern", erläutert die Wiener Psychologin Dr. Marion Kern. "Der Ausfall des maschinellen Gefährten kann für die betroffenen Personen zu einem ernsthaften Problem werden." An den Folgen leiden natürlich auch die Eltern. "Gerade autistische Kinder sehen in den Robotern Freunde, sie sind oft das einzige Fenster zur Welt, das zugelassen wird. Wenn dieses plötzlich wegfällt, stehen die Eltern vor der unlösbar scheinenden Frage, wie sie es dem Kind erklären und wie sie weiter vorgehen sollen."

Die FAQ Embodieds erwähnen einen Brief mit Hilfestellungen für Eltern, den heise online aber nicht einsehen konnte. Das Problem ist laut Kern schwierig: "Jede Art von Veränderung und Gewohnheitsbruch stellt für autistische Menschen einen enormen Stressfaktor dar, der sich häufig in einer Verschlimmerung der Symptomatik bis hin zu noch weiterem sozialen Rückzug auswirkt. Deswegen wird der Tausch gegen einen anderen Roboter nicht zielführend sein."

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"Oft haben sich in Krisensituationen Tiere als Zugang zu Kindern bewährt, ihnen bringen sie Vertrauen entgegen. Kontakt zu Tieren ist erwiesenermaßen stressreduzierend", schildert Kern, "Psychologische Begleitung in diesem Umstellungsprozess ist, sofern verfügbar, eine gute Hilfestellung. Auf jeden Fall wird es sehr viel Geduld, Verständnis und Empathie brauchen." Und Geld, sind Tiere und Psychologen ja nicht gratis. Manche Familien haben das Gerät auf Ratenzahlung gekauft und müssen diesen Kredit wahrscheinlich voll auszahlen, auch wenn Moxie AI nur noch Elektronikschrott ist.

Die Wiener Psychologin zweifelt, dass Roboter für Kinder der Weisheit letzter Schluss sind, "zumal gerade Kinder sich dann als Erwachsene noch schwerer tun werden, sich in der sozialen Welt zurechtzufinden. Auf menschliche Kontakte sollte nicht verzichtet werden, auch wenn diese bei Autisten oberflächlich und nicht wichtig scheinen; sie sind ganz wesentlich für die Entwicklung und auch die spätere Orientierung in der Gesellschaft."

(ds)