App Store Awards 2024: 17 Preisträger und ein Wink mit dem Zaunpfahl

Die Auswahl der Preisträger der diesjährigen App Store Awards von Apple trägt auch eine politische Aussage in sich, analysiert Malte Kirchner.

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Wenn Wout van Halderen die Wahl hätte zwischen einem Pokal und einer guten Kundenbewertung, würde er die zufriedene Bewertung vorziehen: Denn die besage, dass eine App wirklich gut ist, betont er. Den diesjährigen App Store Award von Apple für Balatro+ lehnt der Kommunikationsdirektor der Firma Playstack aus Großbritannien, der für den kamerascheuen Developer zum Interview vor die Webcam trat, natürlich trotzdem nicht ab. Und ziemlich sicher bedingt das eine auch das andere: Ohne zufriedene Nutzer gäbe es von Apple wohl auch keine Trophäe.

Eine Analyse von Malte Kirchner
Eine Analyse von Malte Kirchner

Malte Kirchner ist seit 2022 Redakteur bei heise online. Neben der Technik selbst beschäftigt ihn die Frage, wie diese die Gesellschaft verändert. Sein besonderes Augenmerk gilt Neuigkeiten aus dem Hause Apple. Daneben befasst er sich mit Entwicklung und Podcasten.

Zweimal im Jahr kürt Apple die besten Apps: Im Sommer, auf der Entwicklerkonferenz WWDC, wird traditionell der Apple Design Award vergeben, ein Preis, der eher die Schönheit der Programmierung und den Gebrauch neuer Programmierwerkzeuge bewundert, die Apple bereitstellt . Der App Store Award im Dezember ist hingegen der Jahrespreis – eine redaktionelle Entscheidung Apples, welche von den im Jahresverlauf von der App-Store-Redaktion schon hervorgehobenen Apps am meisten herausstechen.

Die Poker-Kartenspiel-App Balatro+, die van Halderen als Kommunikationschef vermarktet, hat den begehrten blauen Klotz im App-Store-Logo-Design dieses Jahr erhalten. Insgesamt vergab Apple 17 Preise, unterteilt nach Apps und Spielen und verteilt auf die verschiedenen Hardware-Kategorien, die Apple im Angebot hat. Nominiert waren insgesamt 45 Apps und Spiele. Zudem wurden noch Auszeichnungen fĂĽr Apps vergeben, denen Apple einen besonderen kulturellen Einfluss zuschreibt.

Eine solche App mit Einfluss ist DailyArt aus Polen. Die Kunsthistorikerin Zuzanna Stanska beschäftigt nach eigenen Angaben inzwischen ein Team aus sieben Mitarbeitern, die täglich ein Kunstwerk und seine Geschichte auf die Displays der treuen Fans zaubern. Auch als Begleiter auf Städtereisen werde die App gerne genutzt. 800.000 User zähle die App weltweit, sie existiert in 23 Sprachen, wobei die Community tatkräftig unterstütze, und bedient mehrere Plattformen Apples: neben iPhone und iPad auch Mac und Apple Watch. Finanziert wird das Ganze durch Abos. Jetzt, nach zwölf Jahren im App Store und vielen Erfolgen, ist sie auch noch preisgekrönt.

So lange mussten Sebastiaan de With und Ben Sandofsky mit ihrer iPhone-App Kino nicht warten. Nur wenige Monate genügten, um mit der Videokamera-App einen App Store Award abzuräumen. Alte Hasen sind sie trotzdem: Die Foto-App Halide ist weithin bekannt und Kino ist sozusagen der Ableger für das Videografieren. “For filmmaking, not for filmmakers” – zum Filmemachen, nicht für Filmemacher –, wie de With im Gespräch mit heise online sagt. Die Idee, Colorgrading zur Sofortbildfunktion zu machen, und Kinolook auf Automatik-Basis anzubieten, hat offenbar nicht nur bei Nutzern verfangen, sondern auch bei Apple - und das, obwohl Apple just dieses Jahr eine eigene Profi-Kamera-App namens Final Cut Camera lancierte.

Natürlich sind die App Store Awards am Ende vor allem eine Marketingaktion Apples – die Auswahlkriterien sind intransparent und es wird nicht mal der Versuch unternommen, eine unabhängige Jury zu bestellen. Dennoch steckt besonders in diesem Jahr, das von Scharmützeln mit der EU-Kommission um die Regulierung des App Stores geprägt war, mehr drin als nur Werbung. In der Auswahl der Preisträger ist auch ein Wink mit dem Zaunpfahl zu entdecken, dass Apple seinen App Store als Ort des Pluralismus versteht. Ein Ort, wo auch Apps gewinnen können, die Apples eigenen Ideen und Ansichten widersprechen.

Da gewinnt etwa der Softwareriese Adobe für seine Software Lightroom eine der Trophäen, obwohl Apple gerade mit Photomator einen Mitbewerber aufgekauft hat und wahrscheinlich eigene Pläne verfolgt, die in eine ähnliche Richtung führen könnten. Obendrein wurde bei Lightroom ausgerechnet der Gebrauch von Künstlicher Intelligenz hervorgehoben, wo Apple sich doch bei der eigenen bildgenerativen KI im Moment noch so sehr beschränkt und dafür Kritik kassiert. Gleichzeitig kommen aber auch Apps wie Kino aufs Siegertreppchen, deren Entwickler KI gleich ganz eine Absage erteilen: So gebe es keine Existenzkrise, was ein echtes Foto oder Video ist, sagt Sebastian de With in Anspielung auf die Diskussionen. Man könnte es auch als kleinen Seitenhieb auf Apple verstehen, wo doch gerade der KI-Bildradierer in iOS 18.1 Einzug gehalten hat und den Echtheitsbegriff aufgenommener Fotos ein Stück weit verwässert.

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Im Vergleich zu den juristischen Zickigkeiten gegenüber der EU erscheint der App Store Award als der elegantere und klügere Weg für Apple, sich in ein positiveres Licht zu rücken. Wie jedes Jahr gewinnen die prämierten Developer zweifellos an weiterer Aufmerksamkeit, wovon der iPhone-Hersteller wiederum durch mehr App- und Abo-Provisionen profitiert. Aber Apple selbst gewinnt diesmal vor allem auch durch diese bunte Zusammenstellung an Developern und durch die Widersprüche zu eigenen Produkten. Diese könnten helfen, dem in letzter Zeit aus politischen Kreisen oft gehörten Vorwurf entgegenzuwirken, dass das US-Unternehmen angeblich alles seinen eigenen Interessen unterordne.

Apps

  • iPhone-App des Jahres: Kino von Lux Optics Inc.
  • iPad-App des Jahres: Moises von Moises Systems Inc.
  • Apple Watch-App des Jahres: Lumy von Raja V.
  • Apple TV-App des Jahres: F1 TV von Formula One Digital Media Limited.

Spiele

  • iPhone-Spiel des Jahres: AFK Journey von Farlight Games.
  • Apple Arcade Spiel des Jahres: Balatro+ von Playstack Ltd.

Preis fĂĽr kulturellen Einfluss:

  • Oko von AYES BV: Navigations-App fĂĽr blinde und sehbehinderte Menschen
  • EF Hello von Signum International AG: KI-unterstĂĽtzte Sprachlern-App
  • NYT Games von The New York Times Company: Rätsel und Spiele der New York Times
  • The Wreck von The Pixel Hunt: Eine 3D-Erzählung ĂĽber anspruchsvolle Lebensphase

(mki)