Drei Fragen und Antworten: Technischer Wandel – von der K-9- zur Thunderbird-App

Die Umstellung von K-9 Mail zu Thunderbird hat zwei Jahre in Anspruch genommen, doch das Team hat eine gute Balance dafür gefunden, meint Philipp Kewisch.

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Roboter mit Sprechblase

(Bild: iX)

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Im Juni 2022 hat MZLA, eine Tochtergesellschaft von Mozilla, begonnen, Thunderbird für Android auf der Basis von K-9 Mail aufzubauen – auf einer App also, die es schon gab. Die Anwenderinnen und Anwender hatten erwartet, dass der Umbau deshalb schnell vonstattengehen würde.

Philipp Kewisch
Portrait Philipp Kewisch

(Bild: 

Philipp Kewisch

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Philipp Kewisch leitet die mobile Entwicklung bei der MZLA Technologies Corporation, einem Tochterunternehmen der Mozilla Foundation und der treibenden Kraft hinter Thunderbird. Mit umfassender Erfahrung in Softwareentwicklung, Produktmanagement und strategischer Arbeit im Bereich Open-Source-Communities prägt Philipp die Vision und Umsetzung mobiler Lösungen für Thunderbird. Neben Philipp umfasst das Mobile-Team cketti, den langjährigen Maintainer von K-9 Mail, und Wolf-Martell Montwé, der fundierte Expertise in der Entwicklung für Android und iOS einbringt.

Aber es hat zwei Jahre gedauert, bis die neue Thunderbird-App im Oktober 2024 in einer ersten Fassung fertig geworden ist. Wir haben Philipp Kewisch vom Thunderbird-Team gefragt, wo die Hindernisse lagen und wie es mit der App weitergeht.

Es hat etwas länger gedauert als angekündigt, die K-9- in eine Thunderbird-App umzubauen. Wo lagen die Herausforderungen?

Wir waren uns schnell einig, dass Thunderbird für Android nicht einfach K-9 Mail mit anderen Farben sein soll. Da Thunderbird Desktop und K-9 Mail unterschiedliche Entwicklungen und Formfaktoren haben, war eine Herausforderung, die richtigen Features herauszusuchen. Die Entwicklung neuer Features in einem Open-Source-Projekt klingt auf den ersten Blick attraktiv: eine offene Gemeinschaft, talentierte Entwickler und ein gemeinsames Ziel. Doch in der Praxis gibt es oft erhebliche Herausforderungen. Die Zeit der Freiwilligen ist häufig begrenzt, sodass sie zum Teil pragmatische, aber suboptimale Lösungen bevorzugen.

Dank einer stetig wachsenden Spendengemeinschaft unterstützen nun zwei Vollzeitentwickler und ein Manager Thunderbird für Android. Auch andere Teams bei MZLA sind beteiligt, zum Beispiel für Design, Community und Support. So findet sich mehr Zeit für grundlegende Architekturentscheidungen, die das Projekt auf eine stabilere Basis stellen. Im Vergleich zu kommerziellen E-Mail-Apps ist unser Team jedoch immer noch sehr klein, sodass wir ohne die Unterstützung unserer Community nur schwer vorankommen würden. Wir sind sehr dankbar für diese Unterstützung und hoffen, auch in 2025 weitere Interessierte gewinnen zu können.

Unser ursprüngliches Versprechen war, Thunderbird für Android noch 2023 zu veröffentlichen. Zum Ende des Jahres waren allerdings noch so viele gewünschte Punkte offen, dass wir uns lieber etwas mehr Zeit gelassen haben. Schließlich bestand keine Dringlichkeit. Jede Änderung, die wir bei Thunderbird für Android gemacht haben, kam dann auch K-9 zu Gute. Erst 2024 waren wir uns sicher, dass Thunderbird für Android das Licht des Play Stores erblicken und flügge werden soll – auch wenn wir dafür Einschnitte bei den geplanten Features machen mussten.

Insgesamt glauben wir, eine gute Balance gefunden zu haben. Mit der neu gestalteten Kontoeinrichtung müssen Nutzer nicht mehr überlegen, wie der IMAP Hostname des E-Mail-Anbieters heißt, denn Kontoeinstellungen lassen sich von Thunderbird Desktop mit einem QR-Code zügig importieren. Auch ein direkter Import aus K-9 ist mit ein paar Mal tippen möglich. Ein paar spitze Ecken gibt es sicherlich noch, aber nun haben wir eine gute Basis, auf der wir auf Feedback reagieren und Verbesserungen schneller ausliefern können.

Was waren denn die technischen Herausforderungen?

Insbesondere war es wichtig, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dies ist im schnelllebigen Android-Ökosystem mit Zusatzarbeit verbunden, gerade bei einer nun über sechzehn Jahre alten Codebasis. Wir haben dieses Jahr viel Zeit damit verbracht, die Anforderungen an Android 14 umzusetzen und Kompatibilität mit den Designvorgaben von Material 3 zu erreichen. Einige Features, wie IMAP IDLE, mussten wir neu entwickeln, da der alte Ansatz mit der Plattform nicht mehr kompatibel war. Wir nutzen nun Jetpack Compose und bewegen uns langsam, aber sicher von XML Views weg. Um die organisch entwickelte enge Koppelung abzulösen, verwenden wir außerdem für neue Entwicklungen Feature Modules. All diese Änderungen machen das Entwickeln neuer Features deutlich einfacher.

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Was sind Eure Pläne für die nächsten Versionen?

Zunächst einmal möchten wir konkret auf die wichtigsten Kritikpunkte am Release eingehen, die wir von unseren Nutzerinnen und Nutzern erhalten haben. Zum Beispiel brauchen die Erkennungsmerkmale der Konten in der Seitenleiste mehr Möglichkeiten zur Individualisierung. Auch möchten wir Nutzer besser informieren, wenn es Probleme beim Mailabruf gibt, damit nicht der Eindruck entsteht, die E-Mails würden nicht ankommen. Kurzfristig steht auch wieder das Abarbeiten einiger Anforderungen von Google an, die wir umsetzen müssen.

Für den weiteren Verlauf arbeiten wir unter dem Motto "Fiddle less with your phone" und möchten das Lesen und Organisieren von E-Mails vereinfachen und ein paar Ideen für eine höhere Produktivität umsetzen.

Bei Thunderbird MZLA entwickeln wir zusätzliche Dienstleistungen wie den Team-Terminplaner Thunderbird Appointment, um neben Spenden weitere Einnahmequellen zu schaffen. So machen wir den Einsatz von Vollzeitentwicklern in einem Open-Source-Projekt finanzierbar und können nebenbei den Nutzern das Leben erleichtern. Einige dieser Dienstleistungen möchten wir daher in Thunderbird für Android integrieren.

Auch das Zusammenspiel mit Thunderbird Desktop möchten wir weiter ausbauen, um den Übergang zwischen Geräten nahtlos zu gestalten. Ein Großteil dieser Änderungen werden auch K-9 Mail zu Gute kommen. Wir möchten beide Apps weiterhin gleichzeitig herausgeben und bauen sie auf der gleichen Codebasis auf. So sollte es nicht verwundern, wenn beide ein ähnliches Aussehen behalten. Einige Funktionen machen jedoch nur im Thunderbird-Kontext Sinn, zum Beispiel Appointment oder der Import von Desktop.

Nebenbei bemerkt, möchten wir 2025 unser Angebot auch auf iOS erweitern und werden voraussichtlich dafür eine Stelle schaffen. Zwar wird es nächstes Jahr möglicherweise noch kein fertiges Produkt geben, aber schon mal eins zum Testen und Mitwirken.

Philipp, vielen Dank für die Antworten!

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(who)