UML-Erfinder Grady Booch zeichnet düsteres Bild der Softwareentwicklung

IBMs Vordenker Grady Booch fordert ein grundlegendes Umdenken in der Lehre der Informatik-Studiengänge. Auch sieht er das erforderliche Sicherheits- und Compliance-Bewusstsein noch nicht in den Köpfen der Entwickler angekommen.

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Von
  • Harald Weiss

Grady Booch, Miterfinder der UML (Unified Modeling Language) und Vordenker von IBMs Rational-Sparte, zeichnet ein pessimistisches Bild der Softwarezukunft. Vor allem bei den Entwicklungsprozessen werde sich nicht viel ändern. "Mir wird übel, wenn ich mir anschaue, was immer noch in den Informatik-Studiengängen gelehrt wird", sagte er in einem Gespräch mit heise Developer diese Woche auf der "Innovate 2010". So würden das Patchen von Systemen und das Entfernen von Viren einen viel zu breiten Raum einnehmen. "Softwareentwickler müssen vor allem lernen, im Team zu arbeiten und zu kommunizieren, sie müssen ihre Ergebnisse besser präsentieren können und sie müssen deutlich mehr betriebswirtschaftliches Basiswissen mitbringen", lautet sein Rat an die Hochschulen.

Einen überraschenden Aspekt stellt Boochs Ansicht dar, dass alle Ausbildungseinrichtungen Software-Lesekurse zur Pflicht machen sollten. "Es gibt keine einzige Ingenieursdisziplin, in der nicht die bedeutenden Werke früherer Meister genau unter die Lupe genommen werden. Auch alle angehenden Autoren müssen zunächst viel lesen. Nur die Schreiber von Programmen meinen, dass sie genial sind und nicht den Code von anderen analysieren müssen", war seine massive Kritik an der Ausbildung. Er will dazu etwas Abhilfe schaffen. So arbeitet er an einem Software-Museum, das unter anderem auch den Code von genialen Programmen prominent ausstellt.

Bei den Programmiersprachen rechnet er für die nächsten zehn Jahre mit keinen neuen Entwicklungen, da es mit zu viel Aufwand verbunden sei, neue Sprachen in den Markt zu drücken. So wird die Programmierwelt auch in zehn Jahren noch aus Java und C++ bestehen. Den funktionalen Sprachen erteilt er eine Absage: "Ihr Problem ist, dass sich damit zwar komplizierte Abläufe einfach darstellen lassen, dass aber leider einfache Dinge zu kompliziert sind."

Bei den Softwarearchitekturen sieht er dagegen noch weitere Veränderungen am Horizont heraufziehen: "Wir müssen zu neuen Messaging-Architekturen kommen, ähnlich zu dem, wie eine biologischen Zelle aufgebaut ist, in der alles auf die Nachrichten von Proteinen ausgerichtet ist." Zwar wäre SOA (Serviceorientierte Architekturen) schon ein bedeutender Schritt in die Richtung, aber in den heutigen Implementierungen sei der Service-Begriff noch zu eng gefasst.

Hart ging Booch dagegen mit der Softwaresicherheit ins Gericht: "Wenn ich an die Zukunft von Software-Security denke, bekomme ich es mit der Angst zu tun, denn wir bringen noch immer viel zu unsichere Systeme auf den Markt", lautet seine knappe Prognose. Als Begründung spricht er unterschiedliche Sicherheitsprobleme an. Zum einen wäre das erforderliche Sicherheits- und Compliance-Bewusstsein noch nicht in den Köpfen der Entwickler angekommen. Zum anderen würde das leicht verdiente Geld mit gestohlenen Daten immer mehr und immer gerissenere Ganoven anlocken. "Der Handel mit gestohlenen Kreditkarten- und Kundendaten ist ein Milliardenmarkt mit zweistelligen Zuwachsraten geworden. Erst wenn der ausgetrocknet ist, haben wir eine Chance, den Kampf gegen die Kriminellen zu gewinnen", lautet seine Empfehlung an Politik und Strafverfolgung. (ane)