Apple, Microsoft & Co.: "Von Digitalisierung in Schulen erstmal Abstand nehmen"

In Schulen breitet sich Big Tech aus. Bildungsexperte Tim Engartner erklärt, was das kostet und warum bei der Digitalisierung langsamer gemacht werden sollte.

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Verlassener Klassenraum. Auf der grĂĽnen Tafel steht mit Kreide geschrieben:

(Bild: The American Explorer/Shutterstock.com, Bearbeitung: heise online)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Über das Thema Digitalisierung in Schulen wird viel diskutiert. Von "Digitalisierung in Schulen geht nicht schnell genug" über problematische Klassenchats bis zum Handyverbot ist alles dabei. Gleichzeitig fehlt es in manchen maroden Schulgebäuden an den grundlegendsten Dingen. Doch wie so oft fällt auch hier als Hoffnung das Stichwort "Digitalisierung".

Tim Engartner ist deutscher Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler. Im September ist sein Buch "Raus aus der Bildungsfalle" im Westend Verlag erschienen.

(Bild: Engartner)

Warum wir davon erst einmal Abstand nehmen sollten, darüber sprachen wir mit dem Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Tim Engartner. Er ist Professor für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt "Ökonomische Bildung" an der Universität zu Köln. Vor kurzem wurde sein Buch "Raus aus der Bildungsfalle" veröffentlicht. Dort beschreibt er die Schattenseiten der Digitalisierungsversuche in Schulen und warum Digitalisierung kein Heilmittel für ein marodes Schulsystem ist.

Sie haben die Diskussion um das Handyverbot in Schulen sicherlich auch mitbekommen. Was sagen Sie dazu?

Kinder benötigen klare Regeln. Und ich glaube nicht, dass wir ständig erreichbar sein müssen. Das kann auch belastend sein. In den USA hat eine Studie ergeben, dass sich amerikanische Jugendliche nur noch halb so oft im realen Leben, also analog, treffen wie vor zehn Jahren. Die Nutzung von Messengern und Social-Media-Kanälen ist anstelle von direkten Begegnungen getreten und ein Großteil der Probleme – nicht nur in den USA – erwachsen auch aus diesen Filterblasen-Entwicklungen, die wir über Social Media beobachten können.

Dennoch scheinen sich die Noten der SchĂĽler ja zu verbessern?

Erhielt 2006 nicht einmal jeder hundertste Abiturient die Note 1,0, war es 2023 schon jeder 25. Das ist zwar gut gemeint, hilft aber weder den Schülerinnen und Schülern noch dem System insgesamt. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Notengebung auch von anderen Faktoren abhängt, die nichts mit der Leistung der Schüler zu tun haben, wie die Herkunft der Eltern. Gleichzeitig verlieren Abiturienten auf dem Weg zum Abitur aufgrund von Unterrichtsausfall bis zu einem Schuljahr. Überdies sind die Schulklassen vielfach zu groß. Infolgedessen haben die Lehrkräfte häufig zu wenig Zeit, Schüler zu prägen.

Es entsteht der Eindruck, dass wir dem Problem "Lehrermangel" nur mit der Digitalisierung entgegenwirken können. Sie erwähnen in Ihrem Buch auch den Boom privater Nachhilfedienste und Apps. Können die nicht auch helfen?

Grundsätzlich schon. Natürlich können wir aufgrund der Digitalisierung der Lebenswelten nicht auf die Digitalisierung der Bildung verzichten. Es kann ein schrittweises Mitgehen erfolgen. Mit einem Computer ist eine zielgerichtete, individuelle Förderung möglich – zum Beispiel bei den Zeiten im Englischen oder Ähnlichem. Der Anteil der Redezeit pro Schüler ist gerade bei großen Schulklassen sehr gering. Jeder Schüler hat dann höchstens eine Minute Sprechzeit – vorausgesetzt, die Gesprächsführung ist gut. Daher ist es schon wichtig, dass es Programme gibt, die diese Schieflage ein wenig ausgleichen können.

Gleichzeitig gibt es in Sachsen-Anhalt das "4-plus-1-Modell", bei dem man am fünften Tag in der Woche auf die Präsenz in den Klassen verzichtet wird und die Kinder zu Hause an digitalen Endgeräten lernen. Dabei wird oft vergessen: Lernen ist immer ein sozialer Prozess und die sozialkommunikative Verarmung, die wir erleben, ist ein unguter Prozess. Auch unsere Studierenden starren in der Mensa nur auf ihre Handys. Das ist keine gute Entwicklung. Die zunehmende Nutzung von digitalen Endgeräten geht auch mit einer Verschlechterung der Schreib-, Lese- und Rechenkompetenz einher.

Fehlende Bücher im Elternhaus lassen sich nicht durch immer mehr Lern-Apps ausgleichen, die zunehmend auf Handys installiert werden. Das heißt nicht, dass man gelegentlich einen YouTube-Clip ansehen kann – etwa Erklärvideos von MrWissen2go. Das steht außer Frage. Aber es geht eben nicht nur darum, dass wir uns Habermas Diskurstheorie oder Kants Kategorischen Imperativ über YouTube-Clips erschließen. Es geht beim Lehren und Lernen um Aktion, um das Verstehen und Begreifen. Da muss man Text lesen und sich eben durchbeißen.

Die Aufmerksamkeitsspanne beim Lesen ist nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei uns Erwachsenen dramatisch gesunken. Die Beliebtheit der Kurzvideo-Plattform TikTok, die in manchen Ländern verboten und hierzulande zumindest stark diskutiert wird, zeigt die Bedeutung.

Wenn sie Studierenden heutzutage Texte in die Hand drücken, dann ist das für sie wie eine Zumutung, wenn er länger als fünf Seiten lang ist. Immer seltener werden Texte auf dem Papier gelesen, dabei ist das wichtig. Das schwedische Karolinska-Institut hat ermittelt, dass es beim Lernen hilfreicher ist, mit Texten auf Papier zu lernen. Solche Texte prägen sich besser ein als Texte, die auf digitalen Endgeräten gelesen werden. Die Ablenkungselemente sind gigantisch. Wenn man die Kinder online gehen lässt, weiß man nicht, ob sie sich wirklich auf der Lernplattform befinden oder ob sie gerade etwas anderes machen.

Das heiĂźt aber nicht, dass man nicht Informatik als Pflichtfach einfĂĽhren kann?

Man kann natürlich sagen, dass in einer Informationsgesellschaft das Pflichtfach Informatik naheliegend ist. Aber was ist mit einem Pflichtfach Pädagogik, einem Pflichtfach Kommunikation, einem Pflichtfach Technik oder einem Pflichtfach Recht? Es kann beobachtet werden, dass es eine von Pfadabhängigkeiten geprägte Priorisierung bestimmter bildungspolitischer Inhalte gibt. Und ja, es ließe sich der Digitalisierung der Bildungswelten auch begegnen, indem man das Pflichtfach Informatik einführt, wobei ich nicht überzeugt bin, dass jeder programmieren können muss, wenn er die Schule verlässt.

Wir haben ein Problem mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen. Manche bringen nicht mal einen einfachen Satz hervor. "Komm, wir essen, Opa". In diesem Satz ist das zweite Komma entscheidend für die Lebenserwartung des Großvaters. Viele wissen das aber nicht. Viele Kinder kennen ganz banale Redewendungen nicht mehr. Wenn Menschen nicht mehr wissen, was es heißt, die Flagge zu hissen, den Anker zu lichten und den Stapellauf zu erwarten, ist dies nicht nur für Seefahrer problematisch, sondern auch ein Zeichen für die fehlende sprachliche Bildung in unserer Gesellschaft. Dadurch verliert sie zunehmend ihr zentrales Verständigungsmittel.

50.000 Kinder verlassen jedes Jahr ohne Abschluss die weiterführende Schule. Jedes fünfte Kind geht von der Grundschule ab, ohne Mindeststandards im Rechnen. Lesen oder Schreiben zu beherrschen. Das sind fraglos dramatische Zustände. Ich wundere mich, dass das bisher nicht angekommen ist. An den Hochschulen geht die sprachliche Misere dann weiter. Selten erhalte ich fehlerfreie E-Mails von meinen Studierenden.

Wobei da doch auch ChatGPT helfen kann?

Ja, das schon. Solche KI-gesteuerten Systeme können zweifelsfrei bei der Unterrichtsvorbereitung unterstützen. Lehrkräfte können etwa Aufgaben mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus gestalten. Gleichzeitig lenken Systeme dieser Art Schüler davon ab, sich eigenständig Wissen zu erschließen. Dabei müssen sich die neuronalen Vernetzungen durch regelmäßige Aktivierung bei Kindern und Jugendlichen erst noch ausprägen. "Wissen ist Macht", titelt der Brockhaus jahrelang. An den ursprünglich vom Philosophen Francis Bacon stammenden Worten ist auf jeden Fall etwas dran. Es ist hilfreich, wenn man nicht immer erst googeln muss und abhängig ist, wenn das Wissen dann aus irgendwelchen Gründen nicht mehr verfügbar ist.

Apropos Abhängigkeiten: In Ihrem Buch sprechen Sie auch über die großen Tech-Konzerne Apple, Microsoft und Co. Gerade in dem Kontext wäre es doch gut, wenn die Kinder im Informatikunterricht den Umgang mit Open-Source-Alternativen und günstiger Hardware wie dem Raspberry Pi lernen?

Es ist aktuell leider keine geführte Diskussion. Dabei wäre es auf jeden Fall eine Möglichkeit, das Thema Digitalität im Fach Informatik aufzugreifen. Das muss aber auf jeden Fall frei von Markenbildung und zudem kostenfrei sein. Mit den digitalen Endgeräten, die derzeit in unseren Schulalltag einziehen, wird die Lehr- und Lernmittelfreiheit hingegen zunehmend untergraben.

Es gibt verschiedene Sachen, die man da im Blick haben muss. Das Erste ist, dass man mit dem Geld aus dem Digitalpakt Schule die Anschaffung von Hard- und Software der großen Tech-Unternehmen, insbesondere Microsoft und Apple, finanziert. Damit schafft man derzeit monopolartige oder besser gesagt oligopolartige Strukturen. Das heißt, man begibt sich auf lange Sicht in die Abhängigkeit dieser Tech-Konzerne. Und unabhängig davon, wie man das politisch bewertet, muss man wissen, dass das über den Zeitauflauf der nächsten Jahrzehnte sehr viel Geld kosten wird.

Gleichzeitig haben wir eine chronische Unterfinanzierung der Schulen zu beklagen: undichte Dächer, zugige Fenster, verdreckte Toiletten. In Köln zahlen die Schüler teilweise mittlerweile 20 Euro Toilettengeld zu Beginn des Schuljahres, damit die Reinigungskräfte regelmäßig die Toiletten putzen, damit diese sie auch nutzen können. Über 50 Prozent der Schüler meiden den Toilettengang in der Schulzeit, weil die Toiletten so dreckig sind.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt haben wir im vergangenen Jahr nur 4,4 Prozent für Bildung ausgegeben. Damit sind wir näher am EU-Schlusslicht Rumänien als am Spitzenreiter Schweden. Wenn wir als "Bildungsrepublik" aufholen wollen, müssen wir zwingend mehr Geld in die Hand nehmen. Dies gilt umso mehr, als wir schon jetzt beträchtliche Mittel für Soft- und Hardware ausgeben, uns aber auch die Wartung der digitalen Geräte auf Dauer finanziell fordern wird. Nicht weniger Eltern müssen derzeit die iPads selbst anschaffen. Das ist nicht nur sehr kostenintensiv, sondern auch vollkommen indiskutabel, wenn wir eine erfolgreiche Bildungsnation werden wollen. Die Bildungsgutscheine, die das kompensieren sollen, reichen bei Menschen, die Sozialleistungen erhalten, bei Weitem nicht aus.

Werden dann die Schwerpunkte falsch gesetzt?

Ja, erst kürzlich hat Winfried Kretschmann die Abschaffung der zweiten Fremdsprache gefordert, weil er davon ausgeht, dass KI-gestützte Tools ausreichend seien. Warum ein ehemaliger Lehrer die Digitalisierung zum Allheilmittel erklärt, ist mir schleierhaft. Außerdem schaffen wir mit den Technologieplattformen auch Lobbyplattformen. Das heißt: Diese Kanäle nutzen Apple und Microsoft ganz gezielt. Die großen Player, sprich: die privaten Content-Anbieter wie unternehmenseigene oder -nahe Stiftungen. Diese gehen gezielt über die Digitalschiene und eröffnen Lehrkräften Zugangsmöglichkeiten zu Lerninhalten, die allzu häufig wissenschaftlichen Gütekriterien nicht genügen, so zum Beispiel nicht dem, Gebot der Kontroversität folgen.

Also ist davon auch die Meinungsbildung betroffen?

Ja. 2019 habe ich für die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie durchgeführt, wie DAX-Unternehmen Schule machen. Zwei Drittel der seinerzeit noch 30 DAX-Unternehmen produzieren Unterrichtsmaterialien, und die sind oft relativ tendenziös und manipulativ. Da kann man unter anderem die Kofferraumgröße eines Mercedes ausrechnen oder die Frontschürze eines BMWs nachzeichnen. Es gibt eine Schokoladen-Fantasie-Reise von Rittersport und so weiter.

Ich habe nichts gegen Bandenwerbung im Stadion, wo die Kinder Sport treiben. Aber so etwas wie Planspiel Börse vom Deutschen Sparkassen-Giro-Verband finde ich nicht gut. Das hat nichts mit der Realität zu tun. Anlageerfolge an der Börse erzielt man nicht nach zehn Wochen, wie dort suggeriert wird. Es gibt viele andere Beispiele. Schulen müssen nicht neutral sein, aber sie müssen Interessen ausgewogen vertreten und Pluralität, Kontroversität berücksichtigen.

Insofern bin ich sehr kritisch, wenn es darum geht, Unterrichtsmaterialien auch ĂĽber private Content-Anbieter einzuspeisen. Microsoft hat mit Teams groĂźe Plattformen geschaffen, wo man auch Noten verweigern kann und so weiter.

Dem Ganzen wurde mit der Coronakrise ja Tür und Tor geöffnet?

Vieles wurde einfach hingenommen. Es ist, als hätte man ein Drehbuch für die Umsetzung digitaler Strategien zugunsten der Tech-Konzerne geschrieben. Die Covid-19-Pandemie war natürlich ein echter Treiber für die Digitalisierung der Bildungswelten. An den meisten Hochschulen war die Kommunikation über Zoom zuvor untersagt. Nach Corona war dies urplötzlich erlaubt. Die unzähligen Tablets, die während der Pandemie angeschafft wurden, waren im Sinne der frühzeitigen Markenbindung und der Imagepolitur für die Unternehmen Gold wert. So weiß man aus der Konsumforschung, dass man bei Kindern nur ein Viertel des Werbebudgets ausgeben muss, um die gleiche Werbewirkung zu erzielen wie bei Erwachsenen. Nicht nur Apple und Microsoft haben sich damit einen attraktiven Markt erschlossen.

Gibt es denn Schulen, die aus ihrer Sicht Vorbild sind?

Ja, es gibt unter anderem eine ganze Reihe von bestens ausgestatteten Privatschulen, an deren Existenz sich natürlich grundsätzlich viel Kritik üben lässt. Sie verfügen vielfach einfach über alles, was eine Schule in der besten aller Welten haben sollte – vom schuleigenen Schwimmbad über Musikinstrumente für jedes Kind sowie Theatersäle, in denen die Kinder beim Einüben ihrer Stücke Selbstbewusstsein tanken. Man weiß, was man für guten Unterricht tun muss. Vieles ist unbestritten. Und trotzdem verlieren wir uns in kleinteiligen Reformdebatten, um das große Ganze in den Blick zu bekommen. Die Bosch-Stiftung zeichnet regelmäßig Schulen mit dem Deutschen Schulpreis aus. Das sind dann Schulen mit Strahlkraft, die auch bundesweit zu Recht Beachtung finden.

Das zeigt: In Deutschland existieren ganz hervorragende Schulen. Sie sind aber leider nicht repräsentativ für das Gesamtsystem. So wissen wir aus der Bildungsforschung unter anderem, dass die Architektur eines Schulgebäudes unweigerlich Auswirkungen auf das Lernverhalten hat. Das heißt, ein ansprechend gestaltetes Gebäude – zum Beispiel mit Musikräumen, die auch in den Freistunden für die Schüler zugänglich sind oder sogar ein Tonstudio bieten. Auf einem eigenen Tonträger verewigt zu werden, gibt Kindern natürlich ungemein viel Selbstvertrauen. In einigen exzellenten Schulen gibt es zudem Rhetorikkurse, in denen die Kinder lernen, vor einem größeren Publikum zu sprechen.

Meine Lehrer haben mich damals auch sehr geprägt und uns viel ermöglicht, was sie offensichtlich gerne taten. Spielt die Motivation der Lehrkräfte eine Rolle?

Auf jeden Fall. Nicht ohne Grund lautet eine zentrale Losung: "Auf die Lehrperson kommt es an." Gleichzeitig haben wir in unserer Bildungsbiografie alle unterschiedlich prägende Erlebnisse. Deswegen gibt es die starken Gegensätze zwischen denjenigen, die sagen, "Schule muss wieder so werden wie früher, als ich zur Schule gegangen bin", sowie diejenigen, die sagen, "Schule müssen wir ganz neu denken", wie Richard David Precht. Letztere sind oft diejenigen, die überwiegend negative Schulerfahrungen gemacht haben. Wir gehen immer mehr Richtung Privatisierung. Die Meta-Studie "Visible Learning" zeigt ganz klar, dass es auf die Lehrkraft ankommt, nicht auf IT.

Es gibt sehr unterschiedliche Lehrkräfte und auch ihre Motivation ist sehr unterschiedlich. Das mag zum einen daran liegen, dass es überhaupt keine Feedbackkultur bei Lehrkräften gibt. Einige greifen auch Rückmeldungen von Schülern oder Eltern nur bedingt auf. Zum anderen sind nicht alle Lehrkräfte ausreichend kritikfähig. In der Regel haben sie einen Wissensvorsprung, was natürlich prägt, das heißt, sie haben stets eine strukturelle Überlegenheit gegenüber der Lerngruppe.

Gleichzeitig gibt es keine eindeutige Verständigung darüber, was "guten Unterricht" auszeichnet. Die einen wollen möglichst viel lernen, die anderen möglichst gute Noten bekommen. Die einen finden Vokabeltests überholt, die anderen genau richtig. Und dann gibt es für die ganz Schlauen keine Entwicklungsmöglichkeiten. In Singapur zum Beispiel werden die leistungsstärksten Lernenden eines Jahrgangs zusätzlich gefördert, das heißt, die Nachhilfe zielt nicht nur auf die schwächsten, sondern auch auf die besonders engagierten Lernenden. Man kann das sehen, wie man will, aber vom Ansatz her ist es interessant, dass man Schüler dazu anregt, sich anzustrengen, um eine außerschulische Förderung zu erhalten. In Deutschland hingegen erhält jedes vierte Kind Nachhilfe. Wenn wir dies nicht endlich als Armutszeugnis begreifen, werden wir uns aus der Bildungsarmut nicht befreien.

(mack)