Bit-Rauschen: Intel schickt Pat Gelsinger in Rente

Intels Verwaltungsrat verliert die Nerven. Andere Chipfirmen feuern ihre Geschäftsführer. TSMC verdient blendend, chinesische Auftragsfertiger legen ebenso zu.

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Und tschüss! Intel-Chef Pat Gelsinger verabschiedet sich in den Ruhestand. Beziehungsweise wurde er dorthin verabschiedet, und zwar recht plötzlich: Am 2. Dezember teilte Intel mit, Gelsinger habe seine Posten rückwirkend zum 1. Dezember geräumt. Er verlor zudem den Vorsitz des Verwaltungsrats (Board of Directors), wurde also offensichtlich rausgeschmissen, so wie auch mehr als 15.000 andere Intel-Mitarbeiter in den vergangenen Monaten. Anders als diese verdiente Gelsinger in den rund 3,5 Jahren seiner Amtszeit allerdings insgesamt rund 46 Millionen US-Dollar, gerechnet nach heutigem Preis der Intel-Aktie. Denn den Löwenanteil seiner Bezahlung erhielt er in Aktien, deren Wert sich im Laufe seiner Amtszeit halbierte.

Der Gelsinger-Abgang schlug hohe Wellen. Kommissarisch leiten derzeit Finanzchef David Zinsner und Produktchefin Michelle Johnston Holthaus den ehemaligen Chip-Champion. Auguren suchen in der sprachlich ausgefeilten Pressemeldung zu Gelsingers Rauswurf nach Hinweisen zum künftigen Intel-Kurs. Da ist beispielsweise zu lesen, das Board stelle die "Product Group" ins Zentrum aller Entscheidungen. Damit ist die von Holthaus geleitete Sparte gemeint, die x86-Prozessoren, Chipsätze, Netzwerkchips und so weiter verkauft, also nicht die Chipfertigung beziehungsweise Auftragsfertigung (Foundry). In Bezug auf Letztere heißt es sinngemäß, da sei noch viel zu tun. Das könnte darauf hindeuten, dass sich Intel aufspalten will, um zu überleben.

Rente mit 63: Patrick Paul "Pat" Gelsinger ist nicht mehr Intel-Chef.

(Bild: Intel)

Weil in die US-Werke von Intel jedoch hohe Subventionen aus US-Steuergeldern fließen, kann Intel diese Fabs nicht ohne Weiteres verscherbeln. Das schließen die Förderbedingungen aus, deshalb wären Nachverhandlungen nötig.

Das Board sucht jetzt einen neuen Chef, die Spekulationen schießen ins Kraut. Angeblich könnte es etwa der in der Branche hoch angesehene Lip-Bu Tan werden, einst Chef von Cadence, einem führenden Anbieter von Chipdesign-Software. Tan saß bis August im Intel-Verwaltungsrat, den er dann offenbar im Streit über die künftige Ausrichtung verließ. Zwei neue Mitglieder hat das Intel-Board bereits benannt, nämlich Eric Meurice und Steve Sanghi. Meurice leitete bis 2013 die niederländische Firma ASML, den einzigen Hersteller von EUV-Lithografiesystemen.

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Steve Sanghi war 30 Jahre lang bis 2021 Chef der Firma Microchip Technology, die unter anderem die ATmega-Mikrocontroller der Arduinos fertigt. Sanghi hat eigentlich schon alle Hände voll zu tun, weil er Microchip seit Ende November wieder führt: Der vorige Chef Ganesh Moorthy musste zu seinem 65. Geburtstag gehen. Das hatte aber nichts mit dem Alter zu tun, denn Sanghi ist vier Jahre älter. Fast als erste Amtshandlung schloss er eine Microchip-Fab in Tempe, Arizona, weil die Nachfrage lahmt.

Auch bei anderen Halbleiterfirmen sinken zurzeit die Umsätze, falls sie nicht vom KI-Hype profitieren und stattdessen beispielsweise Chips für Autos oder Industriemaschinen produzieren. Das trifft auch die großen europäischen Chipfirmen Infineon, STMicro und NXP sowie Wolfspeed. Letztere wollte ja eigentlich im Saarland eine Fab bauen, doch das Projekt scheiterte und nun flog auch dort der Chef Gregg Lowe raus. Wolfspeed ging aus dem LED-Pionier Cree hervor und ist auf Halbleiter mit großem Bandabstand aus Siliziumkarbid (SiC) spezialisiert. SiC-MOSFETs senken die Schaltverluste von Stromwandlern etwa für E-Autos und Photovoltaik. In den vergangenen Jahren haben jedoch ziemlich viele Firmen in SiC-Anlagen investiert, aber nun schwächelt unter anderem der E-Auto-Markt.

Weiter steil bergauf geht es hingegen beim taiwanischen Chip-König TSMC. Laut der taiwanischen Beratungsfirma TrendForce stieg der Umsatzanteil von TSMC an der weltweiten Chip-Auftragsfertigung auf fast 65 Prozent. TSMC scheffelt säckeweise Geld mit den modernsten Fertigungsprozessen für die feinsten Strukturen: 69 Prozent des Umsatzes entfallen auf N3, N5 und N7 sowie deren Varianten N4 (von N5) und N6 (von N7). Das erleichtert es TSMC, bei den gröberen Fertigungsverfahren mit günstigen Preisen zu konkurrieren. Das schmerzt die Konkurrenz, beispielsweise die Foundry-Sparte von Samsung Semiconductor.

Zusätzlich sorgen die chinesischen Foundries SMIC, Huahong und Nexchip für Preisdruck bei Fertigungsgenerationen ab 28 Nanometer und gröber. Die profitierten zuletzt von guter Nachfrage im Inland sowie davon, dass chinesische Chipfirmen nach Möglichkeit einen heimischen Auftragsfertiger wählen, schon aus Sorge vor US-Sanktionen.

In einen warmen Geldregen geriet der KI- und RISC-V-Chipentwickler Tenstorrent unter Leitung des renommierten Jim Keller: Der Kooperationsvertrag mit LG wurde erweitert und Investoren steckten weitere 693 Millionen US-Dollar in die junge Firma.

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(ciw)