3D: Hype oder Ära?

Erst räumliches TV, nun Nintendos 3DS: Die Hersteller drängen ihren Kunden das dreidimensionale Zeitalter förmlich auf. Mit genügend Vorlauf könnten sie es schaffen.

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Von
  • Martin Kölling

Ich bin schon länger ein Verfechter der These, dass das 3D-Zeitalter begonnen hat. Nicht weil ich ein großer 3D-Fan wäre – ich bin da eher konservativ –, sondern weil meines Erachtens drei Bedingungen für eine Verankerung räumlicher Bilder gegeben sind: Technik, Masse und Ökosystem. Und dazu kommt noch der Wille: Die gesamte Elektronik- und Unterhaltungsindustrie hat bereits enormes Geld in 3D-Geräte und passende Inhalte gepumpt. Die dreidimensionale Darstellung auf zweidimensionalen Bildschirmen rennt der Kundschaft schlicht die Tür ein, so sehr der Einzelne sich auch dagegen stemmen mag.

Die Technik ist unübersehbar angekommen. Die führenden TV-Hersteller bringen dieses Jahr allesamt 3D-TVs auf den Markt. Sharp rechnet für 2011 bereits damit, dass 50 Prozent seiner Flundern 3D-"tauglich" sind (zur Tauglichkeit später mehr). Dazu bringt Sharp ein brillenloses, recht hochauflösendes 3D-Display für Handys auf den Markt und Nintendo eine neue Version seiner tragbaren Spielekonsole DS, die der japanische Spieleriese diese Woche auf der amerikanischen Game-Messe E3 vorgestellt hat. Sie wird neben Spielen auch 3D-Hollywoodfilme auf einem 3,5-Zoll-Display abspielen können. Und erste ganz oder teilweise auf 3D umschaltbare Computerdisplays hat Fujitsu bereits angekündigt. Mehr Masse geht kaum.

Und das Angebot von 3D-Ausgabemedien zeigt, dass das Öko-System weit über Filme und Videospiele hinausreicht. Die professionellen 3D-Inhalte wie der epische Schinken "Avatar", der sich erfolgreichster Film aller Zeiten nennen darf, sind nur der Anfang. Nun wird die Herstellung dreidimensionaler Inhalte demokratisiert, sprich in die Hände der Massen gelegt. Fujifilm führt bereits eine 3D-Knipse im Angebot, Sharp hat ein kleines Kameramodul für mobile Geräte vorgestellt. Sonys neue NEX-Fotokameras versprechen auch eine 3D-Funktionalität. Panasonic wie Sony bringen demnächst 3D-Camcorder für anspruchsvolle Filmer auf den Markt. Japans fleißige Pornoindustrie hat derweil schon großes Interesse an der plastischen Darstellung geäußert.

Die große Frage ist nur, wie schnell sich die neue Technik durchsetzen wird. Meine These ist, dass es auf dem Papier sehr gut aussehen wird, weil sich viele Menschen, die sich einen neuen Fernseher kaufen wollen, ein 3D-Modell zulegen dürften. Aber es wird länger dauern, bis sie auch dauerhaft 3D einschalten. Denn nach einem Vierteljahr mit frei erhältlichen 3D-Geräten und dem Betrachten einiger Filmchen glaube ich, dass der Technik in der Anwendung ein Hürdenlauf bevorstehenden wird. Da sind zum einen die Geräte selbst. Meine erste HD-3D-Erfahrung hatte ich auf einem Plasma-TV von Panasonic. Das war überzeugend. Die 3D-LCDs von Samsung, Sony und Sharp hingegen tendieren in Richtung Zumutung, so deutlich sichtbar ist der Cross-Talk, das Sehen doppelter Bilder.

Die Schattenbilder haben mehrere Gründe, die sich aus systemimmanenten Eigenschaften der aktuellen LCD-Generation und der momentan verwendeten Shutterbrillen-3D-Technik speisen. Erstens werden Bilder bei den heutigen LCDs in Zeilen aufgebaut, bei 3D-Plasmas jedoch als voller Frame gesendet. Dadurch kommt es bereits zu einer kleinen Überlappung der Bilder. Zweitens verläuft der Bildabbau von LCDs langsamer als bei 3D-Plasmas, so dass es zu einem Überlappen der Bilder in das nächste Frame und damit für das Auge zu mehr oder weniger deutlich sichtbaren Doppelbildern kommt.

Dann sind da noch die Inhalte: Einige Streifen, die mit schnellen Schnitten und Kameraflügen in zwei Dimensionen rasant wirken, bereiten in 3D Kopfschmerzen. Schon nach kurzer Zeit dreht sich einem der Magen um. Andere dreidimensionale Bilder wirken wie hintereinander gestaffelte Scherenschnitte. Dies passiert besonders bei Aufnahmen im Telebereich. Denn die Kameras können oft die kleinen Unterschiede der räumlichen Tiefe von Personen und Körpern nicht auflösen, so dass die Figuren im dreidimensionalen Bild wie hintereinander aufgereihte Pappkameraden erscheinen.

Für mich sind das jedoch Kinderkrankheiten. Ich fand auch die Bildqualität der ersten Flachfernseher nicht berauschend und sie wurden dennoch ein Erfolg. Außerdem bleibt die Technik ja nicht stehen. So ist bei Sharps Erstlingen, die demnächst in Japan und zum Vorweihnachtsgeschäft in Europa eingeführt werden sollen, Cross-Talk schon reduziert, aber mich stört es dennoch. Und die Filmemacher werden sicher auch ihre Bildersprache anpassen wie es James Cameron in "Avatar" bereits getan hat und wahrscheinlich mit aufwendiger Nachbearbeitung mehr Dreidimensionalität in zu flach wirkende Pixelgruppen dengeln. (bsc)