Abhängigkeit von USA und China: Deutsche Wirtschaft will digitale Souveränität

Vier Fünftel der deutschen Unternehmen sehen sich digital von den USA und China abhängig. Digitale Souveränität geht anders.

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Aufnahme eines Teils einer Computertstatur; eine Taste ist in den Farben der US-Flagge bemalt, eine andere in jenen der Volksrepublik China; auf die Taste dazwischen ist eine Bombe mit brennendem Zünder gezeichnet

(Bild: Weitwinkel/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Wenn Donald Trump am Montag zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt wird, ist unklar, was folgt – größere Auseinandersetzungen in den Handelsbeziehungen sind wahrscheinlich. Das würde auch Europa betreffen, das gerade bei Technik stark von den USA und China abhängt. Wie stark, das versucht jetzt eine Umfrage des IT-Wirtschaftsverbandes Bitkom unter deutschen Unternehmen zu beleuchten. Auch Wissenschaftler sehen großen Handlungsbedarf.

41 Prozent der teilnehmenden Unternehmen gaben in der Umfrage an, stark von den USA abhängig zu sein, 45 Prozent meinten das für die Volksrepublik. Weitere 40 Prozent sahen sich als eher abhängig von den Vereinigten Staaten, 35 von China. Befragt wurden gut 500 Unternehmensführungen, Einkaufs- und Entwicklungsleiter deutscher Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern. Vor allem bei Halbleitern ist die Abhängigkeit nach Einschätzung der Unternehmen groß: 83 Prozent sehen Deutschland dabei abhängig von Dritten.

17 Prozent meinen, ohne Leistungen oder Technik aus dem Ausland höchstens sechs Monate überleben zu können, 36 Prozent sehen sieben bis zwölf Monate als realistisch an, weitere 39 Prozent zwischen einem und zwei Jahren. Besonders ausgeprägt ist die Abhängigkeit bei Endgeräten, 90 Prozent der Unternehmen beziehen Computer und Telefone aus dem Ausland. Auch bei Software ist der Anteil groß: 75 Prozent der Unternehmen beziehen diese nach eigener Einschätzung aus dem Ausland. Neun Prozent wissen schlicht nicht genau, woher Produkte und Dienstleistungen stammen.

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Die Gründe für die Abhängigkeit sind viele: Vor allem, dass bestimmte Technik nur bei wenigen Geschäftspartnern im Ausland verfügbar ist, geben gut zwei Drittel der Unternehmen an; fast genauso viele sehen das als Risiko an. Die Hälfte meint, dass sie keine Möglichkeit hätte, dagegen vorzugehen, wenn die Geschäftspartner von ihren Regierungen unter Druck gesetzt würden.

Die Abhängigkeit der EU und Deutschlands sei "im gesamten Digitalbereich extrem groß", sagt Ferdinand Gehringer, der bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung die Entwicklungen verfolgt. Die EU schaffe es seit Jahren nicht, Lösungen aus Europa zu koordinieren und zu fördern. Das gelte für die Bereiche Software, Cloud und Künstliche Intelligenz. Initiativen wie die Suchmaschinen Ecosia und Qwant, die nach eigenen Suchindizes streben, kämen 15 Jahre zu spät. Die Abhängigkeit von Microsoft beispielsweise sei immer größer geworden, während europäische Akteure wie SAP oder Schwarz Digits höchstens "im Mischbetrieb" mit US-Anbietern wie bei der Delos Cloud laufen würden. Und die Delos Cloud ist dann noch 10 bis 20 Prozent teurer als Microsofts Public Cloud.

Inkonsequent sei Europa auch bei Netzwerkausrüstern, wo es mit Nokia und Ericsson zwei große Akteure gibt, sowie Unterseekabeln und Satelliten-Internetverbindungen. Die nun anlaufende europäische Low-Orbit-Satellitenkonstellation IRIS² werde mit bis zu 290 Satelliten gar nicht erst in der Lage sein, großflächig in der EU sichere Kommunikation anzubieten, auch wenn das Vorhaben trotzdem richtig und vorbildlich für die Kooperation europäischer Anbieter sei. Chancen sieht der Analyst der Adenauer-Stiftung bei Quantencomputern: Hier könnten Deutschland und die EU noch ziemlich am Anfang mit dabei sein.

Genau Zahlen zu Abhängigkeiten sind rar. Mit dem Cyber Resilience Act der Europäischen Union müssen Hersteller von Hard- und Software neuerdings Abhängigkeiten dokumentieren, Betreiber kritischer Anlagen müssen dies nach dem NIS2-Regime für alle eingesetzten, sicherheitsrelevanten Produkte. Eine zentrale Auswertung der Abhängigkeitspfade ist bislang jedoch nicht vorgesehen.

Fast alle vom Bitkom befragten Unternehmen (95 Prozent) halten den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl für einen Anlass, neu auf Beziehungen zu schauen. Die Hälfte meint, dass sie ihre Lieferketten angesichts der Regierung Trump II wohl ändern müsse. Forscher der Stiftung Wissenschaft und Politik sind zu dem Schluss gekommen, dass es für Europa vorerst darum gehen müsse, "möglichst gute Deals" mit Trump zu erreichen. Mittelfristig müsse der technische Abstand zu den USA wieder verringert werden, was eine schwierige Aufgabe sei.

Diversifizierung und mehr eigene Kapazitäten würden Zeit benötigen, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Dass sich etwas verschieben kann, zeige das Beispiel Japan: Das sei in den vergangenen Jahren wieder zu einem wichtigen Lieferanten geworden. Insbesondere im Bereich der IT-Sicherheit fordert Wintergerst Fortschritt. Bei Chiptechnik liege Europa allerdings weit zurück, schnelle Fortschritte seien kaum möglich. Aufgeben solle Europa den Halbleiterbereich aber auf keinen Fall; wesentlich sei, weniger von einzelnen Unternehmen aus einzelnen Ländern abhängig zu sein.

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