Sexroboter, Datenschutz und KI – das lässt aufhorchen

Generative KI kann auch für sexuelle Praktiken genutzt werden, beispielsweise in Sexpuppen. Aber auch ein Chatbot, der klingt wie die Ex, ist möglich.

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Futuristisch verfremdete Darstellung des Gesichts einer schönen Frau mit blauen Augen, die sich auf die Unterlippe beißt.

(Bild: sakkmesterke/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Theresa Lachner
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Beim Thema Datenschutz klicken die wenigsten Menschen erst dann auf "zustimmen", wenn sie sich zuvor alles ganz genau durchgelesen haben. Beim Thema Sexroboter und Datenschutz horchen allerdings doch viele mehr auf. Dazu gehören auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, die Niedersachsen.nextDigitalagentur und die Leibniz Universität Hannover, die das Event "Sexroboter: Wenn KI verführt – Rechtliche und ethische Überlegungen" veranstaltet haben. Im Interview mit heise online spricht die IT- und Datenschutzjuristin und Roboterethik-Dozentin Iris Phan über Sexroboter, Datenschutz und KI.

Warum eignen sich Sexroboter so gut, um Menschen das Thema Datenschutz näherzubringen?

Iris Phan: Sexroboter wecken Neugier. Sämtliche Daten, die irgendwie im Zusammenhang mit unserem Sexualleben stehen, wecken in uns einen ganz natürlichen Schutzinstinkt, das ist einer der intimsten Räume, die wir haben. Früher gab es oft diese Haltung "Ich habe nichts zu verbergen", inzwischen ist bei den meisten Menschen schon mehr Awareness da.

Was genau versteht man eigentlich unter einem Sexroboter?

Zunächst gibt es Sexpuppen im herkömmlichen Sinn, mit Kunststoff, Silikon oder Latex beschichtet. Im Roboterkopf sind dann Kameras verbaut, um die User zu erkennen, Mikrofone, um eine Unterhaltung führen zu können, zusätzlich Sensoren an intimen Stellen, um auch da bestimmte Muster zu erkennen. Besonders die Sensorik ist natürlich spannend, Kameras und Mikrofone kennen wir ja auch aus vielen anderen Geräten, mit denen wir uns umgeben, beispielsweise Smartphones oder Sprachassistentinnen. Sensoren in einer Vaginaeinlage können etwa Tempo oder Häufigkeit der Nutzung aufzeichnen. Bei dieser sprichwörtlichen Mustererkennung fangen die meisten dann doch an, darüber nachzudenken, ob sie diese Daten wirklich preisgeben wollen.

Eine Frage, die sich ja auch bei smarten Sextoys stellt – vor ein paar Jahren kamen Wearables auf den Markt, die beispielsweise die Stoßfrequenz tracken konnten. Viele Toys sind per App koppelbar – was halten Sie aus datenschutzrechtlicher Perspektive davon, spionieren unsere Vibratoren uns aus?

Aus datenschutzrechtlicher Sicht würde ich eher raten, sie nicht per App zu verknüpfen. Da sind schon einige Datenpannen erfolgt, die Daten sind ja total spannend, Menschen sind damit erpressbar, das ist lukrativ.

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Wissen wir denn, wo diese intimen Daten landen?

Man kann es wahrscheinlich noch am ehesten von den Produktionsstätten der Hersteller ableiten. Die Großen sitzen in Japan, Südkorea und Nordamerika – das sind alles im Sinne der DSGVO Drittländer, die zwar zum Teil ein vergleichbares Datenschutzniveau haben, aber zumindest die Server stehen eben nicht hier. Viele der Hersteller des Kunststoffs, mit dem die Roboter beschichtet sind, sitzen in China.

Ebenfalls spannend ist die Frage nach den Persönlichkeitsrechten, die gerade mit KI ganz neu verhandelt werden muss – ich denke da an Scarlett Johansson, die gegen OpenAI vorging, nachdem die KI-Sprachassistentinnenstimme ihrer zu ähnlich war. Wie sieht da denn aktuell die Gesetzeslage aus? Könnte man beispielsweise Nachrichten des oder der Expartner*in verwenden, um einen Roboter oder Chatbot nach deren Vorbild zu gestalten?

Kommt darauf an. Chats sind ja zunächst mal nur unter bestimmten Voraussetzungen urheberrechtlich geschützte Werke, und wenn das Ergebnis nur in den eigenen vier Wänden genutzt wird, ist es vielleicht unangenehm und gruselig, aber noch nicht verboten. Alles, was öffentlich gemacht wird, ist natürlich noch mal eine ganz andere Geschichte.

Wichtige Ethik- und Rechtsfragen stellen sich bei an Sexrobotern verübten Aktivitäten, die bei Menschen gesellschaftlich nicht erwünscht oder rechtswidrig sind, wie Gewalt oder Paraphilien. Dienen die Puppen da eher als eine Art "Einstiegsdroge" oder haben sie eine Ventilfunktion?

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten, gerade bei Tabuthemen ist die Studienlage sehr dünn. Fast niemand würde sich beispielsweise in einem Studiensetting freiwillig als pädophil outen. Und Wissenschaftler*innen, die zu diesem Thema forschen, werden häufig bedroht oder verunglimpft. Das Thema ist hochpolitisch aufgeladen, da können wir uns noch auf einigen Backlash gefasst machen. In Deutschland wurde kurz vor der Bundestagswahl 2021 ein Gesetz erlassen, das Einfuhr, Vertrieb und Besitz unter anderem von kindlich aussehenden Sexpuppen unter relativ harte Freiheitsstrafe stellt, mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Und das ist "nur" eine Puppe, die Zweckwidmung bestimmen ja wir. Beispielsweise sind Reborn Dolls möglichst lebensecht und mit sämtlichen Körperöffnungen ausgestattet, werden aber benutzt, um Traumata aufzuarbeiten, die natürlich auch moralisch von uns ganz anders bewertet werden.

Dieses Beispiel und vor allem der Vergleich mit der Reborn-Puppe zeigen, dass die Politik an dieser Stelle nicht, wenig oder schlecht wissenschaftlich beraten wurde und lediglich reflexhaft auf etwas Unbekanntes reagiert hat. Leider scheint die Reaktion wenig rational und durchdacht, eher so, als ob ihnen eine Voodoo-Puppe begegnet sei.

(emw)