Massive Abhängigkeit: Schweiz mietet Microsoft-Software ohne Ausschreibung

Unter der Hand hat die Schweizer Bundesverwaltung millionenschwere Lizenzen fĂĽr BĂĽroprogramme von Microsoft erworben. Kritiker beklagen ein "fettes" Geschenk.

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Miniaturfiguren verschieben einen StoĂź MĂĽnzen

(Bild: beeboys/Shutterstock.com)

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Bis zu 165 Millionen Euro zahlt das Schweizer Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) an Microsoft für zeitlich befristete Softwarelizenzen. Ausschreibung gab es keine, die Behörde hat anderen Softwareanbietern also gar keine Chance gegeben.

Der Zuschlag für Microsofts Bürosoftware wie das Office-Paket MS 365 samt Updates und Support ist kurz vor Weihnachten als "freihändige Vergabe" erfolgt, also ohne die eigentlich für Beschaffungen solchen Umfangs erforderliche Ausschreibung. Das damit verlängerte "Enterprise Agreement", aus dem sich die eidgenössischen Behörden bedienen können, läuft von Anfang 2025 bis Ende 2027.

Der Grundauftrag für diese drei Jahre beläuft sich auf knapp 93 Millionen Euro. Weitere rund 58 Millionen Euro sind als "Option" gekennzeichnet. Den ohne Wettbewerb erteilten Auftrag für Microsoft begründet das BBL in seinem auf der Plattform Simap veröffentlichten Zuschlagsentscheid damit, dass der Leistungsbezug "weiterhin zwingend erforderlich" sei: "Aufgrund von Interoperabilitäts- und Kompatibilitätsanforderungen, der tiefen Integration in die bestehende Systemlandschaft sowie den vielschichtigen Abhängigkeiten bei den Fachanwendungen gibt es derzeit keine Alternative, mit der der anforderungsgemäße und lückenlose Betrieb sichergestellt werden könnte."

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Zusätzlich hat das BBL am 9. Januar weitere Support-Dienstleistungen für 13,2 Millionen Franken (umgerechnet 14 Millionen Euro) von Microsoft erworben. Auch für diese Vergabe hielt die Behörde keine Ausschreibung für nötig. Derzeit könne nur Microsoft aus technischen und rechtlichen Gründen den nötigen "Unified Enterprise Support" erbringen, heißt es dazu. Die Kosten liegen laut dem Magazin Inside TI "am oberen Ende" der üblichen Preisspanne. Angesichts 43.000 Mitarbeitern in der Bundesverwaltung wäre ein besserer Preis drin gewesen.

Die Deals sorgen für Kritik. "Was für ein fettes Weihnachtsgeschenk von uns Steuerzahlenden", monierte Matthias Stürmer, Berner Professor für Verwaltungsdigitalisierung, auf Microsofts Social-Media-Portal Linkedin. "Alles natürlich ohne Ausschreibung, ohne Wettbewerb, aus reiner Abhängigkeit." Die Bundesverwaltung werde fremdbestimmt, beklagt Nationalrat Gerhard Andrey von den Grünen gegenüber der Zeitung Blick. Es gebe gerade im Office-Bereich mittlerweile sehr gute Alternativen auch aus der Schweiz. Der Bund müsse zumindest bei der geplanten Swiss Government Cloud auf freie Software setzen.

2009 haben Open-Source-Anbieter versucht, gegen einen anderen freihändigen Auftrag an Microsoft in Höhe von 42 Millionen Franken beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einzulegen. Dieses erkannte deren Klagebefugnis aber nicht an, sodass es zu keiner inhaltlichen Entscheidung kam. Auch in Deutschland blieben die Kosten für Microsoft-Lizenzen des Bundes 2023 mit 197,7 Millionen Euro auf hohem Niveau. Wirtschaftsprüfer verwiesen 2019 in einer Studie auf "Schmerzpunkte bei der Bundesverwaltung" aufgrund der Abhängigkeit von Microsoft.

(ds)