OpenAI Realtime API: Echtzeit-Unterhaltungen mit Sprachmodellen
Die OpenAI Realtime API ermöglicht natürlich wirkende, dynamische Gespräche mit großen Sprachmodellen. Ein Beispiel mit Node.js zeigt sie in Aktion.
(Bild: erzeugt mit Dalle-E durch iX)
- Marius Obert
Chat-Unterhaltungen mit KI haben revolutioniert, wie Menschen mit Maschinen interagieren. Tools wie ChatGPT haben gezeigt, wie mächtig textbasierte Kommunikation sein kann – sie sind schnell, präzise und für alle zugänglich. Doch Sprache ist weit mehr als nur Worte auf einem Bildschirm. Unsere Stimmen tragen Emotionen, Nuancen und Tonalitäten, die in einem bloßen Textfeld oft verloren gehen. Vom freundlichen Lächeln im Tonfall bis hin zur Dringlichkeit in einer betonten Phrase: Stimme und Sprache bringen eine Tiefe in die Kommunikation, die ein reiner Textprompt nicht leisten kann.
Die OpenAI Realtime API (Beta) eröffnet neue Möglichkeiten, über die klassischen Chatbots hinauszugehen. Sie ermöglicht das Streaming von Text in Echtzeit sowie das Einbinden von Spracherkennung, Sprachsynthese und dynamischen Konversationsflüssen. Damit können Entwicklerinnen und Entwickler KI-Erlebnisse schaffen, die nicht nur intelligent, sondern auch menschlich wirken.
Dadurch erschließen sich neue Anwendungsfelder. Naheliegend ist der Einsatz bei Telefonaten. Besonders in Callcentern und der Kundenkommunikation besitzt diese Technologie enormes Potenzial. KI-Systeme können hier nicht nur Routinefragen beantworten, sondern auch komplexe Anliegen analysieren, passende Antworten generieren und die Interaktion durch natürliches Sprechen optimieren. Und für den Fall, dass die KI wegen mangelnder Trainingsdaten mal nicht weiterweiß, lassen sich firmeninterne Datenquellen anbinden.
Im Folgenden wird gezeigt, wie man die Beta-Version der OpenAI Realtime API mit einer privaten API zur Preisfindung verknüpfen und per Telefonanruf für jeden zugänglich machen kann. Der Artikel beleuchtet die technischen Grundlagen dieser Integration, die Herausforderungen und Vorteile in der Praxis und wie diese Technologie die Zukunft der Kundenkommunikation transformieren kann.
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Was steckt hinter der OpenAI Realtime API?
Noch zu Beginn des Jahres 2024 mussten Entwickler Text-to-Speech (TTS), Speech-to-Text (STT) und Large Language Models (LLMs) mühsam selbst kombinieren, um Sprach-KI-Anwendungen zu erstellen. Das brachte zahlreiche technische Herausforderungen mit sich, vor allem in Bezug auf Latenz und Wartezeiten. Eine kleine Unterbrechung von nur wenigen Sekunden zwischen Frage und Antwort kann ein Gespräch schnell unnatürlich wirken lassen.
Im Mai 2024 überraschte OpenAI die Entwickler-Community mit einer beeindruckenden Demo der GPT-4o Realtime Translation. Das System zeigte, wie Spracheingaben in Echtzeit verarbeitet, übersetzt und ausgegeben werden konnten – ohne merkliche Verzögerung. Plötzlich war klar: Eine robuste Echtzeitlösung für Sprache und Text war in greifbarer Nähe und die Erwartungen in der Community wuchsen. Danach wurde es aber erstmal einige Monate ruhig um das Thema. Am 1. Oktober 2024 brachte OpenAI dann die lang ersehnte Beta-Version der Realtime API auf den Markt. Mit dieser API wird die Vision, Sprache, Text und KI nahtlos zu verknüpfen, zur Realität. Die Realtime API bietet integrierte Funktionen für:
- Spracherkennung (STT): Direkte Transkription von gesprochenem Text mit hoher Genauigkeit.
- Echtzeit-Textverarbeitung: Verwendung der leistungsstarken GPT-4-Modelle für die Verarbeitung und Generierung von Text.
- Sprachsynthese (TTS): Umwandlung von Antworten in menschlich klingende Sprache.
Die API ist speziell darauf ausgelegt, Latenzen zu minimieren und ein flüssiges Gesprächserlebnis zu ermöglichen – ein entscheidender Fortschritt für den Einsatz von KI in Anwendungen wie Telefonservices, virtuellen Assistenten oder Echtzeitübersetzungen. Aktuell kostet die API zwischen 10 und 100 US-Dollar pro 1 Million Audiotoken, je nach zugrundeliegendem Modell und dessen Version. Das entspricht laut OpenAI rund 0,006 beziehungsweise 0,06 US-Dollar pro gesprochener Minute. Hinzu kommen, je nach Anbieter, etwa 0,01 US-Dollar pro Minute für die Kommunikation per Telefon.
Arbeiten mit der OpenAI Realtime API
Um das volle Potenzial der API auszuschöpfen, hilft es, deren Architektur und zentrale Mechanismen zu verstehen (siehe Abbildung 1):
(Bild: OpenAI)
Die API strukturiert jede Konversation in sogenannte Conversation Items. Diese repräsentieren Einheiten im Dialog, wie eine Benutzereingabe, eine KI-Antwort oder Zwischenergebnisse. Entwicklerinnen und Entwickler können Items gezielt bearbeiten, etwa um den Verlauf einer Konversation zu ändern, irrelevante Teile zu entfernen oder Antworten neu zu formulieren. Das erleichtert die Steuerung komplexer Dialoge erheblich. Die API-Referenz enthält eine vollständige Liste mit allen Conversation Items. Nachfolgend kommen die für diesen Artikel relevanten zur Sprache.
Für natürliche Sprachinteraktionen ist die Turn Detection essenziell. Die API nutzt eine Voice Activity Detection (VAD), um Sprachpausen und Satzenden zu erkennen. Dadurch kann die KI zuverlässig bestimmen, wann das Gegenüber fertig gesprochen hat und sie mit ihrer Antwort beginnen soll. Das sorgt für flüssige Dialoge, ohne dass Nutzer explizite Eingabebefehle geben müssen. Entwickler können VAD-Parameter anpassen, um das Verhalten für spezifische Szenarien wie längere Antworten oder schnellere Reaktionen zu optimieren. Ist der Parameter ausgeschaltet, wartet die KI mit der Antwort, bis sie mittels Conversation Item dazu aufgefordert wird.
Manchmal ist es auch notwendig, eine laufende Konversation zu unterbrechen, etwa wenn der Nutzer oder die Nutzerin eine Aussage korrigieren möchte. Hierfür bietet die API das Item Truncate, mit dem Entwickler den aktuellen Konversationsfluss abbrechen und durch eine neue Eingabe ersetzen können. Das ermöglicht es, flexibel auf Nutzerwünsche einzugehen, ohne den Kontext der gesamten Sitzung zu verlieren.
Ein weiterer Schlüsselmechanismus ist Function Calling, der es der KI ermöglicht, während einer Konversation auf vordefinierte Funktionen zuzugreifen. Dies ist besonders nützlich, wenn die Anwendung zusätzliche Daten aus externen Quellen abrufen, Berechnungen durchführen oder Systeme steuern soll. Entwickler müssen diese Funktionen in ihrer Anwendung definieren und sicherstellen, dass die API korrekt auf sie zugreifen kann, um nahtlose Interaktionen zu gewährleisten.
Die API beinhaltet zudem ein integriertes Moderationssystem, das unerwünschte Inhalte automatisch erkennen kann und damit sichere und regelkonforme Anwendungen ermöglicht. Wenn eine Antwort blockiert wird, können Entwickler mithilfe von Response.cancel die Ausgabe sofort abbrechen und so den Dialog kontrolliert fortsetzen.
Schließlich spielt der Parameter Temperatur eine wichtige Rolle bei der Anpassung des Verhaltens der KI. Wie bei der Chatvariante ChatGPT beeinflusst diese Einstellung, wie kreativ oder deterministisch die Antworten des Modells ausfallen. Für strukturierte und präzise Antworten eignet sich ein Minimalwert (aktuell bei 0,6), während höhere Werte kreativere, aber potenziell unvorhersehbare Reaktionen hervorrufen. Entwickler sollten die Temperatur sorgfältig anpassen, um das Modell an die jeweiligen Anforderungen ihres Anwendungsfalls anzupassen.
Um die API besser kennenzulernen, empfiehlt es sich, die OpenAI Realtime Console von GitHub zu klonen und lokal auszuführen (siehe Abbildung 2). Dieses Tool ermöglicht es, Funktionsweisen der API in einer interaktiven Umgebung zu testen, die unterschiedlichen Events in Echtzeit zu beobachten und die Mechanismen hinter der API besser zu verstehen. Ansonsten kommt die Konsole mit zwei vorgefertigten Tools, die speziell dafür entwickelt wurden, um Function Calling auszuprobieren und dessen Integration in eigene Anwendungen zu erleichtern. Diese praktische Testumgebung ist der ideale Einstieg, um die API effizient zu nutzen.
(Bild: Screenshot (Marius Obert))