12. Deutscher Perl-Workshop in Schorndorf

Der Deutsche Perl-Workshop unterscheidet sich wohltuend von größeren und kommerzielleren Konferenzen. Bei der 12. Auflage standen persönliche Begegnungen im Mittelpunkt, auch wenn sich "äußerlich" die meisten Vorträge und Gespräche um Perl drehten.

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Von
  • Herbert Breunung

Der Deutsche Perl-Workshop versteht sich als Teil einer sich selbst organisierenden Szene, der sich wohltuend von größeren und kommerzielleren Konferenzen unterscheidet. Bei der 12. Auflage standen persönliche Begegnungen im Mittelpunkt, auch wenn sich "äußerlich" die meisten Vorträge und Gespräche um Perl drehten.

Vom 7. bis 9. Juni besuchten etwa 85 Programmierer bei prächtigem Wetter und mit tragbaren Computern ausgerüstet das kleine Fachwerkstädtchen Schorndorf bei Stuttgart. Traditionell begann die Konferenz mit zwei parallel abgehaltenen Tutorien. Rolf Schaufelberger hielt eines zum Perl-Modul Moose, und bei Max Maischein ging es um "JavaScript-Objekte als Perl-Objekte". Besonders Moose, das Perl um eine mächtige und kompakte Objektorientierung erweitert, und der objektrelationale Abbilder DBIx::Class sind wichtige Themen, da sie prägend für das stehen, was oft als "modernes Perl" bezeichnet wird. Beide Projekte erhalten Förderung durch die Enlightend Perl Organisation (kurz EPO).

Das verstärkte Bemühen um verbesserte Außendarstellung ist ein anderer Trend in der Perl-Szene. Gabor Szabo berichtete in Wort und Bild von erfolgreichen Perl-Ständen auf der diesjährigen CeBIT und anderen Messen, um direkt von der Konferenz aus in Richtung LinuxTag zu verschwinden. Die Perl Foundation hatte darüber hinaus den australischen Sozialwissenschaftler Kieren Diment mit einer größeren Studie auf Basis einer Befragung beauftragt, die unter anderem untersuchte, wer Perl wie und wozu einsetzt. Die erste öffentliche Auswertung fand in einem der Vorträge statt und ergab, dass die meisten Perl-Programmierer zwischen 30 und 40 Jahren sind, zumeist an der Uni studierten, aber dort kein Perl lernten. Deutschland stellt (nach den USA) die weltweit zweitgrößte Nutzergruppe der Sprache .

Viele Daten waren erwartungsgemäß wie die überdurchschnittlich hohe Nutzung von Linux (Platz 1-3) und Mac OS X (Platz 5). Es bestätigten sich auch bisher nur vermutete Trends wie die weite Nutzung aktueller Perl-Versionen und von Modulen wie Moose und Catalyst. Auch Strawberry Perl unter Windows und die neue Blogging-Platform blogs.perl.org werden in der Breite angenommen wie vermutet. Die weitaus beliebteste Entwicklungsumgebung ist immer noch vim (37 %), gefolgt von Emacs (15 %). Kieren war mit dem Ergebnis zufrieden, da er aus der Datenlage schloss, einen repräsentativen Querschnitt erhalten zu haben.

Weitere Vorträge handelten von zeitgemäßen Themen wie Unicode in regulären Ausdrücken, Testen, Git und "Webautomation mit Firefox". Höhepunkte waren Marc Lehmanns souveräner und technisch versierter Vortrag über sein Modul AnyEvent::MP und Steffen Schwigons beschwingter Bericht über den Einsatz von Perl in komplexen Softwaretestsuiten beim Operating System Research Center (OSRC), einer Forschungseinrichtung von AMD.

Den ersten Tag schloss eine gemeinsame Feier ab, deren Besuch im günstigen Konferenzbeitrag von 75 Euro (250 für Firmenteilnehmer) enthalten war. Das ermöglichten mehrere Sponsoren (vor allem die um Open Source bemühte Wirtschaftsförderung Region Stuttgart) und die freiwilligen Organisatoren der Stuttgarter Perl Mongers.

Den zweiten Tag eröffnete der auf Kosten der Organisation eingeflogene Matt Trout. Er ist einer der Köpfe der EPO, als Mitentwickler an mehreren wichtigen Projekten im Feld der Webprogrammierung beteiligt und hob voriges Jahr den Ironman-Blogging-Marathon aus der Taufe. Jedes Jahr versucht die Leitung, internationale Größen nach Deutschland zu locken. Patrick Michaud, seines Zeichens Projektleiter der Parrot-Compiler-Tools, musste leider kurzzeitig absagen, aber es kamen "wenigstens" Trout und Diment.

Eine Besonderheit des zweiten Tages waren die fünfminütigen Lightning Talks. Sie dienen als erster Gehversuch unerfahrener Vortragender oder kurzen Projektvorstellungen. Manchmal vermitteln sie interessante Lösungen zu kleinen Problemen wie der einfachen Eingabe von UTF-Zeichen unter KDE. Auch die Programmierung eines Daemons in drei Zeilen mit dem Modul IO::All war beeindruckend.

Es kommt vor, dass Lightning Talks spontan eingeschoben werden, wie dieses Jahr zum kontrovers diskutierten Perl 6. Die weiteren Vortragsthemen waren XML, automatische Chartgenerierung, Wikis mit Wiki::Toolkit, Programmgeschwindigkeit testen und optimieren, Bot-KI für NetHack (ein textbasiertes Fantasy Spiel), IPv6 und die Kunst, gute Dokumentation zu schreiben.

Da sich während der Vorträge nie bemerkbar viele Teilnehmer im Flur aufhielten, entsprachen sie offenbar dem Geschmack des Publikums. Das rhetorische Niveau war wechselhaft, auch war nicht jeder Vortragende zum Alleinunterhalter geboren, aber das Inhaltliche war fast immer ansprechend.

Die Stimmung war entspannt, da viele Teilnehmer sich untereinander kannten. Perl-Neulinge sind jedoch immer willkommen. Angenehm waren dieses Mal die kurzen Wege und die beschauliche Kulisse, eine schöne Abwechslung zu den langen Campusfluren aus Beton mancher Vorjahre.

Ob der Perl-Workshop nächstes Jahr seine dreizehnte Runde bestreitet, ist noch nicht entschieden. Da sich Frankfurt für die YAPC::EU 2011 bewarb, könnte es zu Überschneidungen kommen. Falls ja, wäre Hamburg einer der wahrscheinlichen Austragungsorte, auch wenn eine offizielle Bewerbung noch nicht eingereicht wurde.

Herbert Breunung
schreibt regelmäßig Artikel über Applikationsentwicklung in Perl und Perl 6 und spricht auf Konferenzen im In- und Ausland. Er führt seit Jahren ein freies Softwareprojekt und ist am Aufbau der Perl-6-Dokumentation beteiligt.
(ane)