Diese Metalllegierung dehnt sich bei Wärme nicht aus
Die meisten Stoffe dehnen sich aus, wenn sie warm werden. Forschern ist jetzt gelungen, eine Metalllegierung zu entwickeln, die sich praktisch nicht vergrößert.
Symbolbild
Eine neue Metalllegierung ändert ihre Länge pro Grad Celsius nur um rund ein Zehntausendstel eines Prozents, und das über einen Temperaturbereich von 400 Grad. Es handelt sich um einen sogenannten Pyrochlor-Magneten, der eine ungleichmäßige Legierung aus Zirkonium, Niob, Eisen und Kobalt ist. Gefunden wurde das Material durch die Kooperation von Forschern der Technischen Universitäten Wiens und Pekings.
Die theoretische Grundlage kam aus Österreich von Sergii Khmelevskyi und Soner Steiner. Die beiden haben eine Invar genannte Metalllegierung aus Eisen und Nickel untersucht, die für ihren geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten bekannt ist. Entdeckt wurde Invar 1896 vom Schweizer Physiker Charles Édouard Guillaume, der dafür 1920 den Nobelpreis für Physik erhielt (ein Jahr vor Albert Einstein). Das Material wird in vielen Bereichen eingesetzt, wo hohe Längenstabilität bei Temperaturschwankungen erforderlich ist, von Messgeräten bis zu Lasergehäusen und Basisplatten für Computerchips.
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Bei Wärme bewegen sich Atome schneller, brauchen also mehr Platz, weshalb sich Materialien dann ausdehnen. Das ist auch bei Invar grundsätzlich so, doch gibt es dort einen gegenläufigen magnetischen Effekt, der die wärmebedingte Ausdehnung zum Teil aufhebt: Einzelne Atome stoßen einander magnetisch ab, was die Atomabstände und damit das Kristallgitter im Metall vergrößert. Mit steigender Temperatur nimmt der magnetische Effekt ab, sodass sich die beiden Effekte zu einem erheblichen Grad ausgleichen.
Computersimulation legt Details offen
Khmelevskyi und Steiner haben eine aufwändige Computersimulation entwickelt, mit der das Verhalten von Materialien auf atomarer Ebene analysiert werden kann. "Wir konnten dadurch die Ursache des Invar-Effekts besser verstehen", berichtet Khmelevskyi. "Es liegt daran, dass bestimmte Elektronen bei steigender Temperatur ihren Zustand ändern."
Erst die Wiener Computersimulation ermöglicht es, die Vorgänge so genau zu verstehen, dass Vorhersagen für andere Materialien möglich sind: "Zum ersten Mal steht eine Theorie zur Verfügung, die konkrete Vorhersagen für die Entwicklung neuer Materialien mit verschwindender Wärmeausdehnung machen kann", freut sich Khmelevskyi.
Pyrochlor-Magnet ist der praktische Beweis
Für den Beweis der Theorie in der Praxis haben die Wiener mit Xianran Xing und Yili Cao von der Technischen Universität Peking zusammengearbeitet. Nun wurde das Ergebnis dieser Kooperation präsentiert: der Pyrochlor-Magnet. Sein Temperaturverhalten liegt daran, dass die Legierung nicht perfekt ausbalanciert ist, sondern die Verteilung der verschiedenen Bestandteile heterogen ist. Manche Bereiche enthalten etwas mehr Kobalt als andere. Die Teilbereiche reagieren unterschiedlich auf Temperaturänderungen. Durch genaues Ausbalancieren der Materialzusammensetzung im Labor kann die temperaturbedingte Ausdehnung auf fast genau null reduziert werden.
Khmelevskyi und Steiner haben ihre Erkenntnisse Ende 2023 im Journal of Physical Chemistry, C 128/1, veröffentlicht: Predictive Theory of Anomalous Volume Magnetostriction in Fe–Ni Alloys: Bond Repopulation Mechanism of the Invar Effect. Ein Jahr darauf folgte in der National Science Review, nwae462, die Veröffentlichung der Ergebnisse der chinesischen Experimente durch Sun et al: Local chemical heterogeneity enabled superior zero thermal expansion in nonstoichiometric pyrochlore magnets.
(ds)