Forscher haben Mikroplastik im menschlichen Gehirn nachgewiesen
US-Forscher haben knapp 100 Proben aus Gehirnen untersucht und darin eine unerwartet hohe Konzentration von Plastik festgestellt. Diese nimmt zu.
Symbolisches Bild von CT-Scans eines Gehirns
(Bild: Triff/Shutterstock)
Kunststoffe sind praktisch und aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Allerdings haben sie auch eine bedrohliche Kehrseite: In Form von Mikroplastik verteilen sie sich überall, in der Umwelt, in der Luft und auch im menschlichen Körper - bis ins Gehirn.
Forscher der University of New Mexico in Albuquerque haben die Konzentration von Mikro- und Nanoplastik (MNP) im menschlichen Gehirn untersucht. Ihre Ergebnisse, die sie in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht haben, sind bedenklich: Das Team um Matthew Campen fand MNP-Partikel in höheren Konzentrationen als in anderen Organen, etwa der Leber, der Niere, der Plazenta oder den Hoden.
"Ich hätte nie gedacht, dass das so hoch ist", sagte Campen. "Ich fühle mich definitiv nicht wohl mit so viel Plastik in meinem Gehirn, und ich muss nicht noch 30 Jahre warten, um herauszufinden, was passiert, wenn sich die Konzentrationen vervierfachen."
91 Proben wurden untersucht
Für die Studie haben die Forscher Gewebe aus den Gehirnen von Menschen untersucht, die zwischen 2016 und 2024 gestorben sind. Die insgesamt 91 Proben stammten jeweils aus dem Frontallappen, also der Partie hinter den Augen. Die Forscher konnten zwölf verschiedene Polymere nachweisen, darunter Polyethylen, den am weitesten verbreiteten Kunststoff.
Besorgniserregend ist zudem, dass in dem Untersuchungszeitraum von nur acht Jahren die Kunststoffkonzentration in den Gehirnen zugenommen hat: Diese lag 2016 im Mittel bei 3,345 Mikrogramm pro Gramm, 2024 betrug das Mittel 4,917 Mikrogramm pro Gramm.
In den Gehirnen von Menschen, bei denen Demenz diagnostiziert wurde, fanden die Forscher bis zu zehnmal so viel Plastik wie in den Gehirnen anderer. Zwar zeige sich eine klare Korrelation, sagte Campen. Allerdings lässt sich aus dem Ergebnis nicht ableiten, dass die größere Menge an Plastik die Demenz verursacht hätte. Es sei möglich, dass demenzbedingte Veränderungen im Gehirn die Ablagerung von MNP fördere.
Mikroplastik ist überall auf der Erde zu finden, selbst in der Tiefsee. In den Körper gelangt es nach Ansicht von Campen über die Nahrung, vor allem durch Fleisch.
Wie gelangt das Plastik ins Gehirn?
Unklar ist allerdings, wie die Partikel ins Gehirn gelangen. Die Forscher fanden StĂĽcke, die 200 Nanometer groĂź waren. Diese sind klein genug, um die Blut-Hirn-Schranke, die den Blutkreislauf und das Zentralnervensystem trennt, zu durchbrechen.
Ebenfalls unklar ist, welche Auswirkungen der Kunststoff auf den Körper hat. Die Forscher mutmaßen, dass weniger chemische, sondern eher physikalische Eigenschaften der Partikel etwas im Körper bewirken. Es ist möglich, dass MNP den Blutfluss in den Kapillaren behindern oder sie die Verbindungen zwischen Axonen stören – das sind Teile von Nervenzellen.
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"Einfach gesagt: Wir kennen die gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik im Gehirn nicht", sagte Co-Autor Andrew West dem US-Wissenschaftsmagazin Science News. Er rät allerdings dazu, sich mit dem Thema zu befassen und nicht damit zu warten, bis alle Antworten auf dem Tisch liegen.
Science News wies noch darauf hin, dass die Anzahl der Proben gering sei. Die Ergebnisse seien deshalb mit Vorbehalten zu betrachten.
(wpl)