ARM zieht CPU-Beschwerde gegen Qualcomm zurĂĽck, prozessiert weiter gegen Nuvia
ARM hat Qualcomm Lizenzverletzung vorgeworfen, einen Prozess aber weitgehend verloren. Jetzt sagt Qualcomm, dass ARM die Segel streicht. So simpel ist es nicht.
Das Symbolbild zeigt Vorder- und RĂĽckseite eines Snapdragon 8 von Qualcomm. Dieses 2012 vorgestellte System-on-a-Chip war nicht Gegenstand des aktuellen Rechtsstreits.
(Bild: Qualcomm)
Der Prozessorentwickler ARM nimmt den Vorwurf zurĂĽck, Qualcomm entwickle absichtlich High-End-Prozessoren auf ARM-Basis und bewerbe sie auch als solche, ohne dazu befugt zu sein. Ein US-Geschworenengericht hat im Dezember entschieden, dass Qualcomm ĂĽber eine korrekte Lizenz verfĂĽgt. ARM geht offenbar nicht in Berufung. Das britische Unternehmen hat seine formelle Information ĂĽber die behauptete Lizenzverletzung Qualcomms nun zurĂĽckgezogen. Ausgestanden ist der Streit damit nicht.
Denn, wie heise online in Erfahrung bringen konnte, geht ARM weiter gegen die Qualcomm-Tochterfirma Nuvia vor. Die Geschworenen haben nämlich nur Qualcomm "freigesprochen"; zur Frage, ob Nuvia seine ehemalige ARM-Lizenz verletzt hat, konnten sie zu keiner Entscheidung gelangen. Diesen Teil des Gerichtsverfahrens darf ARM daher in Erster Instanz neu aufrollen und möchte das auch tun.
Die Welt der ARM-Lizenzen
Um den Rechtsstreit richtig einzuordnen, hilft es, die Lizenzen zu verstehen, die ARM vergibt. Das Unternehmen entwickelt Prozessordesigns, stellt sie aber selbst nicht her, sondern überlässt das Dritten. Mit diesen schließt ARM in aller Regel ein Technology License Agreement (TLA). Es erlaubt die Herstellung der Prozessoren, mit nur geringfügigen Abweichungen von ARMs Spezifikationen.
Selten schließt ARM umfassendere Architecture License Agreements (ALA). Diese erlauben dem Lizenznehmer, jeweils ausgewählte ARM-Prozessordesigns weiterzuentwickeln. Bei dieser Arbeit gewährt ARM Unterstützung, Erfolgsgarantie gibt es jedoch keine. Gelingt die Weiterentwicklung, darf der Lizenznehmer entsprechende Prozessorkerne herstellen und unter Verwendung des Markennamens ARM verkaufen. Diese Rechte dürfen nicht an Dritte übertragen werden, auch nicht im Rahmen eines Eigentümerwechsels des Lizenznehmers.
Videos by heise
Nuvia und Qualcomm
Qualcomm hat so eine Architektur-Lizenz, die darauf beruhende Eigenentwicklung aber 2018 eingestellt. 2019 haben ehemalige Apple- und Google-Chipentwickler die Firma Nuvia gegründet, die ebenfalls eine ALA gelöst und ARM-Prozessoren weiterentwickelt hat. 2021 hat Qualcomm Nuvia aufgekauft und führt deren Arbeit fort – nicht auf Grundlage der Nuvia-Lizenz, die 2022 abgelaufen ist, sondern unter Berufung auf die eigene, viel ältere ALA.
Das stört ARM, das gerne neue, höhere Lizenzgebühren kassieren würde, die Qualcomm aber nicht zahlt. Also verklagte ARM Qualcomm, einen seiner größten Kunden, vor dem US-Bundesbezirksgericht für Delaware. In den USA kann es bei Zivilprozessen Geschworene geben, so auch in diesem Fall (Arm v Qualcomm et al, Az. 1:22-cv-01146).
Die Geschworenen hatten drei Fragen zu beantworten:
- Hat ARM bewiesen, dass Nuvia die Architektur-Lizenz verletzt hat?
- Hat ARM bewiesen, dass Qualcomm die Bedingungen Nuvias Lizenz verletzt hat?
- Hat Qualcomm bewiesen, dass seine Architektur-Lizenz die mit Nuvia ĂĽbernommenen CPU-Designs abdeckt?
Zur zweiten und dritten Frage ist die Entscheidung kurz vor Weihnachten zugunsten Qualcomms gefallen. ARM könnte dagegen berufen. Entscheidungen Geschworener gelten in den US allerdings als Tatsachenentscheidungen, Bundesberufungsgerichte tasten sie in der Regel nicht an. ARM kann den Spruch also nicht einfach als inkorrekt darstellen, sondern müsste beispielsweise zeigen, dass Fehler des Richters die Geschworenen in die Irre geführt haben. Das ist schwierig und offenbar nicht geplant.
Die erste, unbeantwortete Frage möchte ARM hingegen in einem neuen Gerichtssaalverfahren vor dem selben Bundesbezirksgericht mit neuen Geschworenen erörtern lassen. Die Vorwürfe gegen Nuvia sind nicht Teil der nun zurückgezogenen formellen Information Qualcomms über eine behauptete Lizenzverletzung. Denn dabei geht es nicht um Qualcomms ALA, sondern um die 2022 abgelaufene Lizenz, die ARM Nuvia später gewährt hat.
Quartalszahlen
Sowohl ARM als auch Qualcomm haben am Mittwoch Finanzzahlen veröffentlicht. Für Qualcomm waren die drei Monate bis 29. Dezember 2024 das erste Quartal des Finanzjahres 2025. 11,7 Milliarden US-Dollar Umsatz sind ein neuer Rekord und 17 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Betriebsgewinn ist um 21 Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar gestiegen, der Vorsteuergewinn um 23 Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar.
Qualcomms operativer Cashflow ist sogar um 56 Prozent auf 4,6 Milliarden Dollar gesprungen. Dass der Zuwachs so hoch ist, liegt allerdings daran, dass Qualcomm vor einem Jahr eine Milliarde Dollar mehr Steuern zahlen musste, als es Rückstellungen gebildet hatte. Diesmal konnte die Firma hingegen die Rückstellungen in Höhe einer Viertelmillion Dollar auflösen, wie die Angaben zeigen. Qualcomm-Aktien haben am Donnerstag mehr als zwei Prozent nachgegeben.
ARM berichtet sogar schon das dritte Quartal seines Finanzjahres 2025. Der Umsatz ist um 19 Prozent auf 983 Millionen Dollar gewachsen, der Betriebsgewinn um 31 Prozent auf 175 Millionen Dollar. Noch etwas stärker, nämlich 36 Prozent, ist der operative Cashflow angestiegen, auf 423 Millionen Dollar. Der Vorsteuergewinn ist gar um 84 Prozent auf 268 Millionen Dollar gesprungen. Und aufgrund geringerer Steuerlast kann ARM einen annähernd verdreifachten Nettogewinn von 252 Millionen Dollar feiern. Dennoch haben ARM-Aktien am Donnerstag mehr als drei Prozent nachgegeben. ARM steht mehrheitlich im Eigentum des japanischen Konzerns Softbank und ist seit 2023 wieder börsennotiert.
(ds)