Frankreich: "Hiatus"-Koalition ruft zum Widerstand gegen KI auf
Französische Bürgerrechtler und Gewerkschaften haben sich vor dem Pariser KI-Gipfel verbündet, um gegen die Unterwerfung unter die Technik mobil zu machen.
(Bild: Blue Planet Studio/Shutterstock.com)
Der französische Präsident Emmanuel Macron empfängt am Montag und Dienstag Staats- und Regierungschefs aus aller Welt wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) oder Indiens Premierminister Narendra Modi zum AI Action Summit in Paris. Aus den USA sind unter anderem Vizepräsident JD Vance sowie die Chefs von OpenAI und Google, Sam Altman und Sundar Pichai, angekündigt. Doch im Land der Gallier formiert sich parallel Widerstand nicht nur gegen den Gipfel, sondern auch gegen Künstliche Intelligenz (KI) allgemein: Die neugegründete Koalition Hiatus hat es sich zum Ziel gesetzt, "die Unterordnung der öffentlichen Politik unter die Interessen der Technologiebranche sowie die menschlichen und ökologischen Kosten der KI anzuprangern".
Kritik an Unterordnung unter KI
Zu dem Bündnis haben sich französische Bürger- und Menschenrechtsorganisationen sowie Gewerkschaften wie La Quadrature du Net, Attac, Union syndicale Solidaires und La Ligue des droits de l'Homme zusammengeschlossen. "Der massive Einsatz Künstlicher Intelligenz ist zu einer politischen Priorität geworden", moniert die Allianz in ihrem Gründungsmanifest. "In Anlehnung an die Rhetorik, die die Computerisierung seit über einem halben Jahrhundert begleitet, wird der KI eine revolutionäre Wirkung zugeschrieben". Damit verknüpft werde die Idee, dass diese Technik mit dem Einhegen gewisser Risiken "zwangsläufig ein Vektor des Fortschritts sein" werde.
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"Die gesamte Gesellschaft ist aufgerufen, sich diesem neuen industriellen und technokratischen Schlagwort anzupassen", konstatiert Hiatus. In allen öffentlichen Verwaltungen werde sich KI so verbreiten – allerdings "auf Kosten einer größeren technologischen Abhängigkeit". Überall in der Privatwirtschaft forderten Manager, dass die Technik die Arbeit "optimiert". Alle Bürger würden "im Namen der Bequemlichkeit und eines sinnlosen Wettlaufs um Produktivität dazu gedrängt", KI-Anwendungen zu nutzen.
KI sorgt für Desaster
Die Vertreter der Zivilgesellschaft hinterfragen diesen Ansatz. Er ignoriere etwa die Tatsache, "dass diese Innovationen durch eine gewaltige Anhäufung von Daten, Kapital und Ressourcen unter der Ägide multinationaler Technologiekonzerne und des militärisch-industriellen Komplexes möglich gemacht" werde. Hiatus gibt zu bedenken: Um erfolgreich zu sein, erfordere KI "eine Vervielfachung der Leistung von Computerchips und Datenzentren, was letztlich auf eine Intensivierung der Rohstoffgewinnung und der Nutzung von Wasser- und Energieressourcen hinausläuft".
Schon jetzt habe KI "desaströse Konsequenzen", fokussiert die Koalition auf Schattenseiten. Die Technik intensiviere in der Praxis die Ausbeutung der Arbeitnehmer, die an der Entwicklung und Instandhaltung der benötigten Infrastrukturen beteiligt sind, insbesondere in den Ländern des globalen Südens. Schädliche Auswirkungen auf die Menschenrechte und verschärfte Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Klasse oder Rasse würden oft ausgeblendet. Zudem dürfte "die zunehmende Delegation wichtiger gesellschaftlicher Funktionen an KI-Systeme" etwa im Gesundheits- oder Bildungswesen "schwerwiegende anthropologische, gesundheitliche und soziale Folgen" haben.
Subventionspolitik ist absurd
Die EU habe dem bislang wenig entgegenzusetzen, rügt Hiatus. Die KI-Verordnung werde zwar "als wirksame Regulierung dargestellt". In Wirklichkeit gehe es auch hier aber in erster Linie darum, "einen boomenden Markt zu fördern". Dazu komme das schale Argument eines geopolitischen Wettbewerbs. Dabei stehe im Vordergrund, den KI-Sektor mit öffentlichen Geldern zu überschwemmen, damit Europa im Rennen mit den USA und China mithalten könne.
"Diese Politik ist absurd", heißt es in der Deklaration. Es sei unwahrscheinlich, dass Europa hier jemals aufholen werde. Noch entscheidender: "KI ist keineswegs die weltrettende Technologie, wie ihre Befürworter behaupten." Sie beschleunige im Gegenteil die ökologische Katastrophe, verstärke Ungerechtigkeit und verschlimmere die Machtkonzentration. Die Technik werde "zunehmend für autoritäre und imperialistische Projekte eingesetzt", lautet ein weiterer Punkt. Das aktuelle Paradigma "hindert uns auch daran, emanzipatorische Politiken zu entwickeln, die im Einklang mit den ökologischen Herausforderungen stehen".
Gegen die Strategie der vollendeten Tatsachen ruft das Bündnis nach einer echten demokratischen Kontrolle über KI und "eine drastische Einschränkung ihrer Nutzung, damit die Menschenrechte, die sozialen Rechte und die Umweltrechte Vorrang haben". Dazu kommt die Ankündigung: "In den kommenden Monaten werden wir durch gemeinsame Aktionen versuchen, dieses Manifest in konkrete Politik umzusetzen." Der hiesige IT-Verband Bitkom mahnt derweil, Deutschland müsse das Motto des Gipfels als Auftrag verstehen, handeln und mit KI mehr Innovationen ermöglichen.
(mho)