Deutsche Kinos starten heute nun doch mit Fußball in 3D

Nach allerlei Hickhack um schlechte Bildqualität und Lizenzbestimmungen ist es nun doch soweit: In etlichen Kinos können Fußballfans das heutige WM-Spiel in 3D bewundern. Technisch wird hier Pionierarbeit geleistet.

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Von
  • Georg Immich

Auch in Deutschland kann man die laufende Fußball-Weltmeisterschaft nun in 3D bewundern – nach einigen Querelen: Während weltweit gut 400 Kinos und mit ESPN und Sogecable zwei Sportsender die von Sony und dem Generalunternehmer HBS produzierten 3D-Bilder übernahmen, blieben in Deutschland zunächst die 3D-Bildschirme und Leinwände dunkel. Lediglich das erste Gruppenspiel der deutschen Mannschaft gegen Australien vor zehn Tagen zeigten drei Kinos in Bad Salzungen, Nürnberg und Schrobenhausen in 3D.

In den in Südafrika verwendeten 3D-Rigs stecken zwei HDC-1500-Kameras von Sony.

(Bild: Sony)

Am heutigen Mittwochabend um 20.30 Uhr werden 22 Lichtspielhäuser in Deutschland WM-Fußball in 3D zeigen. Die Hälfte dieser Nachzügler bildet die internationale Kinokette UCI mit ihren Häusern in Großstädten wie Hamburg, Berlin, Bochum und Düsseldorf. Aber auch kleinere Theaterbetreiber zum Beispiel in Güstrow, Ravensburg oder Walldorf ziehen mit. Dabei war das Projekt WM in 3D eigentlich schon gestorben: Drei Wochen vor Beginn des Turniers in Südafrika sprach sich ein Großteil der Kinobesitzer mit 3D-Sälen nach einer Probevorführung gegen den Einsatz des Systems aus, das vom Tübinger Digitaldienstleister Bewegte Bilder in Kooperation mit Eutelsat angeboten wird.

Die Kinobetreiber bemängelten die schlechte Bildregie und eine mangelhafte Bildqualität, da die für die 3D-Darstellung benötigten zwei Bilder im Side-by-Side-Verfahren nur mit halber Auflösung übertragen werden. Deshalb hatten sich sowohl die CineStar- als auch die die Cinemaxx-Gruppe in letzter Sekunde gegen eine 3D-Übertragung entschieden. Wer sich selbst von der Qualität überzeugen will, findet auf dem 3D-Vision-Blog einen kurzen Democlip einer WM-3D-Übertragung im Side-by-Side-Format (abspielbar mit Stereoscopic Player).

Offenbar lag die Zurückhaltung aber auch an den Lizenzbedingungen der FIFA und ihrer Vermarkter. Matthias Rösch, Geschäftsführer der schwäbischen Kinostar-Kette, steigt mit seinen Kinos in Bretten und Mosbach erst mit der Begegnung Deutschland gegen Ghana ein, weil er mit den ursprünglichen Konditionen der FIFA nicht einverstanden war. "Wir sollten zunächst Eintrittspreise von 12 oder 20 Euro nehmen, was wir unserem Publikum nicht zumuten wollten", berichtet Rösch. Erst mit einem normalen Preisniveau und nach einem ausführlichen Testlauf der Anlagen könne er den Zuschauern eine schöne, aber nicht zu teure Alternative zum flachen Fernsehabend bieten. Bei Kinostar kostet das Ticket nun inklusive Brille sechs Euro, bei den UCI-Kinos sind es sieben Euro.

Zu einem Teil ist dieser Umschwung wohl auch den guten Erfahrungen der drei Pionierkinos zu verdanken, deren Vorführungen ohne technische Probleme über die Bühne gingen. "Installation und Vorführung verliefen reibungslos", bestätigt Martin Schäfer, Vorführer im Cinepark in Schrobenhausen bei München. "Bei uns musste im Vorfeld der Satellit einmal neu einjustiert werden, danach lief aber alles einwandfrei", berichtet der Vorführer Egon Kiewel vom pab-Kinocenter in Bad Salzungen. Dort hat man bereits seit Oktober 2008 Erfahrungen mit Satellitenübertragungen im Kino, da regelmäßig Aufführungen der Metropolitan Opera in New York im größten Saal des Kinocenters gezeigt werden.

Dennoch musste der Dienstleister Bewegte Bilder für die Fußball-WM eine neue 120-cm-Satellitenschüssel installieren, da man für die Signale der Eutelsat-Satelliten Atlantic Bird 2 und 3 eine andere Himmelsausrichtung benötigte. Die Schüsseln für das 3D-Signal sind mit einem Dual-LNB ausgestattet, um gleichzeitig die Signale beider Satelliten zu empfangen. Danach werden die verschlüsselten Signale von einem Broadcast-Receiver von IDC entschlüsselt und durch einen Sensio-3D-Decoder für die Projektion aufbereitet. Bewegte Bilder erklärt, dass die Übertragung mit allen gängigen 3D-Systemen wie XpanD, Real D, Dolby, Masterimage sowie mit einer Doppelprojektion erfolgreich getestet wurde.

Auf Produktionsseite ist bemerkenswert, dass es nicht zu mehr Problemen bei der Aufnahme der Spiele kommt, obwohl sich das Team laut Aussage des 3D-Produktionsdirektors Peter Angell von HBS erst seit fünf Monaten mit der 3D-Produktion beschäftigt. Denn im Fernsehbereich befindet man sich bei 3D auf komplettem Neuland und muss an eine 3D-Produktion vollkommen anders herangehen als bisher.

Die Grundlage der Aufnahmeeinheiten bildet zwar größtenteils die seit Jahren bewährte HD-Kamera HDC 1500, diese sind jedoch als Pärchen in den 3D-Rigs verbaut. Die eigentlichen Problemfelder liegen bei dieser Anordnung in der Abstimmung der optischen Achsen, der Objektive und der Zoommotoren zueinander. Jede der acht Kameraeinheiten der beiden 3D-Teams in Südafrika wird dabei nicht nur von einem Videoingenieur betreut, sondern zusätzlich das ausgehende Bild von einem so genannten Stereographer kontrolliert.

"Die Komplexität einer 3D-Produktion darf man nicht unterschätzen“, erläutert Andreas Berghaus, Produktmanager und 3D-Experte bei Sony Deutschland. "Weil der Abstand zum erfaßten Objekt zu jeder Zeit genau definiert sein muss, geht bei der Live-Produktion ohne einen erfahrenen Stereographer, der permanent per Fernbedienung die Objektive aufeinander abstimmt, überhaupt nichts.“

Wenn zum Beispiel ein Ball oder ein Spieler eine 3D-Kamera trifft oder anrempelt, kann sie nicht ohne weiteres, wie sonst bei 2D in der Regel möglich, sofort wieder Bilder abliefern. Bei einer 3D-Kamera wird durch diese Erschütterungen und manchmal sogar nur durch Temperaturänderungen, das Objektivsystem dermaßen verstellt, dass Videoingenieur und Stereographer die Kameraeinheit erst aufwändig neu justieren und einmessen müssen.

Für diese Zwecke hat Sony mit der Prozessorbox MPE 200 ein spezielles Hilfsmittel entwickelt. Sie ermöglicht den automatischen Abgleich des angeschlossenen Kamerapaars und die Fehlerkorrektur in einem 3D-Rig, einschließlich Bildgeometrie und Farben. Außerdem zeigt sie dem Stereographer eine so genannte "Komfortzone" an. Es handelt sich dabei um einen Bereich, in dem sich Objekte vor der Kamera bewegen dürfen, ohne dass sie vom Zuschauer als störend empfunden werden oder sie die gefürchteten Doppelkanten hervorrufen.

Generell ist ein 3D-Fußball-Broadcast nicht so rasant geschnitten wie man es aus der Bundesliga oder anderen Übertragungen kennt. Dies liegt zum einen daran, dass bei der 3D-Übertragung dem Bildregisseur anstatt der inzwischen üblichen dreißig Kameras nur acht 3D-Kameraeinheiten zur Verfügung stehen. Bei den Tests im Vorfeld haben sich häufige Schnitte als schlecht vereinbar mit der menschlichen 3D-Wahrnehmung erwiesen und auch andere schnelle Bewegungen sind problematisch.

"Beispielsweise ist die Bewegungsunschärfe bei 3D viel kritischer als bei 2D – schnelle Schwenks sollte man möglichst vermeiden", erklärt Berghaus. Trotzdem wirkt eine 3D-Übertragung nicht langweilig, wie Zuschauer bestätigen. Allerdings muss man aus rechtlichen Gründen auf einen Kommentator verzichten – übertragen wird nur der Originalton im Stadion, natürlich inklusive Südafrikas neuem Nationalinstrument.

Da die 3D-Technik nur in den Stadien in Durban und Johannesburg installiert ist, werden nicht alle WM-Partien stereoskopisch produziert. Die beiden Halbfinalspiele sowie das Endspiel soll es aber auf alle Fälle in voller 3D-Pracht zu sehen geben.

Diese Kinos wollen WM-Spiele in 3D übertragen:

Deutschland: Aschersleben (Filmpalast), Bad Oeynhausen (UCI Kinowelt), Bad Salzungen (PAB-Kinocenter), Berlin (Astra-Filmpalast, UCI Kinowelt am Eastgate, UCI Kinowelt Gropius Passagen), Bochum (UCI Kinowelt Ruhr Park), Bremen (Cinespace Bremen), Bretten ( Kinostar Filmwelt), Duisburg (UCI Kinowelt), Düsseldorf (UCI Kinowelt), Güstrow (MovieStar), Halle (Light Cinema), Hamburg (UCI Kinowelt Mundsburg, UCI Kinowelt Othmarschen Park), Hürth (UCI Kinowelt Hürth Park), Kaiserslautern (UCI Kinowelt), Kronach (Filmburg), Ludwigsburg (Central Theater), Mosbach (Kinostar Filmwelt), Nürnberg (Cinecitta), Offenburg (Forum), Paderborn (UCI Kinowelt), Ravensburg (CineParc), Schrobenhausen (CinePark), Walldorf (Luxor-Filmpalast), Wittenberge (MovieStar)

Schweiz: Olten (Youcinema), Schöftland (Cinema), Wetzikon (Kino Rio)

Österreich: Imst (FMZ-Kino), Innsbruck (Metropol), Pasching (Hollywood Megaplex), St. Pölten (Hollywood Megaplex), Wien (Hollywood Megaplex Gasometer, Hollywood Megaplex SCN)

Sowohl in Aschersleben als auch in Offenburg starten die 3D-Übertragungen offenbar erst zum Viertelfinale. Eine aktualisierte Liste mit den WM-Kinos sowie den in 3D produzierten Spielen wird von Bewegte Bilder auf www.wm-3d.com bereitgestellt. Eine Liste mit allen 3D-Kinos in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es auf heise online. (jkj)